iQ SYSTEM | Decision 2603796 – Günther Spelsberg GmbH + Co. KG v. Gogoro Inc.

WIDERSPRUCH Nr. B 2 603 796

Günther Spelsberg GmbH + Co. KG, Im Gewerbepark 1, 58579 Schalksmühle, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Michalski Hüttermann & Partner Patentanwälte mbB, Speditionstraße 21, 40221 Düsseldorf, Deutschland (zugelassener Vertreter)

g e g e n

Gogoro Inc., 190 Elgin Avenue, George Town  KY1-9005, Kaiman-Inseln (Anmelderin), vertreten durch Viering Jentschura & Partner mbB, Grillparzerstraße 14, 81675 München, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 11/05/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Der Widerspruch Nr. B 2 603 796 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.

2.        Die Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen einige der Waren und Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 14 396 394 für die Wortmarke „iQ SYSTEM“ ein, und zwar gegen alle Waren der Klasse 9. Der Widerspruch beruht auf der Unionsmarkeneintragung Nr. 6 623 144 und der deutschen Markeneintragung Nr. 30 760 516, beide für die Wortmarke „IQ“. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.

BENUTZUNGSNACHWEIS

Gemäß Artikel 42 Absätze 2 und 3 UMV (in der zum Zeitpunkt der Einreichung des Widerspruchs geltenden Fassung) hat die Widersprechende auf Verlangen der Anmelderin den Nachweis zu erbringen, dass sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der angefochtenen Marke die ältere Marke in den Gebieten, in denen sie geschützt ist, in Verbindung mit den Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, und auf die sie sich zur Begründung ihres Widerspruchs beruft, ernsthaft benutzt hat oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. Für die frühere Marke gilt eine Benutzungsverpflichtung, wenn sie zum betreffenden Datum mindestens fünf Jahre lang eingetragen war.

Gemäß dieser Bestimmung wird der Widerspruch bei Fehlen eines solchen Nachweises zurückgewiesen.

Die Anmelderin hat von der Widersprechenden den Benutzungsnachweis der Marken, auf der der Widerspruch beruht, verlangt.

Der Antrag wurde fristgerecht eingereicht und ist zulässig, da die früheren Marken mehr als fünf Jahre vor dem vorstehend genannten maßgeblichen Datum eingetragen waren.

Die angefochtene Anmeldung wurde am 03/08/2015 veröffentlicht. Die Widersprechende musste daher nachweisen, dass die Marken, auf denen der Widerspruch beruht, in der Europäischen Union bzw. in Deutschland vom 03/08/2010 bis einschließlich zum 02/08/2015 ernsthaft benutzt wurden.

Aus diesem Nachweis muss ferner die Benutzung der Marken in Verbindung mit den Waren hervorgehen, auf deren Grundlage der Widerspruch eingelegt wurde, und zwar folgende:

Klasse 9:        Elektrische Abzweigdosen, elektrische Abzweigkästen, elektrische Anschlussdosen, elektrische Anschlusskästen, Schaltanschlusstafeln, Schalter, Stromunterbrecher, elektrische Schaltgeräte, elektrische Schaltpulte, elektrische Schalttafeln, elektrische Kabelklemmen, elektrische Klemmen, elektrische Verteilerschränke, elektrische Verteilertafeln, elektrische Verteilergehäuse, elektrische Verbindungsdosen, elektrische Verbindungsgehäuse, Brandschutzgehäuse, insbesondere elektrische Brandschutzgehäuse, Reihenklemmengehäuse, Steckdosengehäuse, elektrische Hohlwandinstallationsdosen, elektrische Kanaldosen, elektrische Beton-Installationsdosen, Verbindungsmuffen für Elektrokabel, Verbindungsklemmen für Elektrokabel, elektrische Kabelverschraubungen, Würgenippel zur Befestigung und/oder Abdichtung von Elektrokabeln, Doppelmembranstutzen zur Befestigung und/oder Abdichtung von Elektrokabeln, Verschlussstopfen zum Verschließen von elektrischen Dosen und Kästen.

Gemäß Regel 22 Absatz 3 UMDV, muss der Benutzungsnachweis aus Angaben über Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde und auf die der Widerspruch gestützt wird, bestehen.

Am 07/06/2016 setzte das Amt in Anwendung von Regel 22 Absatz 2 UMDV der Widersprechenden eine Frist bis zum 07/08/2016 um Benutzungsnachweise für die älteren Marken einzureichen. Die Widersprechende legte fristgerecht am 05/08/2016 Benutzungsnachweise vor.

Da die Widersprechende beantragte, bestimmte in den Unterlagen enthaltenen Angaben als vertraulich zu behandeln und Dritten nicht zugänglich zu machen, wird die Widerspruchsabteilung die eingereichten Nachweise nur allgemein beschreiben ohne konkrete Daten daraus zu verwenden.

Die in Betracht zu ziehenden Beweismittel sind entsprechend  die folgenden:

  • 14 Rechnungen (Beweismittel 1 bis 14): die Rechnungen datieren vom 07/01/2011 bis 16/10/2015 und richten sich an verschiedene Kunden in Deutschland, Italien, dem Vereinigten Königreich und Dänemark. Bei den in Rechnung gestellten Waren handelt es sich um elektrische Kleinverteiler und Verbindungsdosen. Die Marke erscheint nicht, vielmehr werden die Waren selbst unter anderen Bezeichnungen aufgeführt („Aki“, „Abox-i“), es erscheinen jedoch Artikel-Nummern.
  • 16 Kataloge und Broschüren (Beweismittel 15 bis 39) aus dem Zeitraum Oktober 2008 bis Juli 2013. Bei den aufgeführten Waren handelt es sich um elektrotechnische Zubehörteile (Gehäuse, elektrische Verteilertafeln, Steckdosengehäuse, Zählergehäuse, Verbindungsdosen, Schalter, u.ä.). Die eingetragene Wortmarke „IQ“ erscheint nicht als solche, jedoch verschiedene,  leicht abgewandelte Formen einer Bildmarke in Form von Piktogrammen, nämlich teilweise als Bildmarken , jedoch überwiegend in der Form , d.h. mit dem nicht kennzeichnungskräftigen Zusatz „Industrie-Qualität“

Die Rechnungen beweisen, dass der Benutzungsort die Europäische Union bzw. Deutschland ist. Dies kann abgeleitet werden aus der Sprache der Dokumente (Englisch, Deutsch), der genannten Währung (Euro) und einigen Adressen in Deutschland, Italien, dem Vereinigten Königreich und Dänemark. Die Nachweise beziehen sich also auf die relevanten Gebiete, d.h. die Europäische Union bzw. Deutschland.

Alle Rechnungen und die meisten Kataloge und Broschüren stammen aus dem relevanten Zeitraum.

Die eingereichten Unterlagen, namentlich die Rechnungen, liefern der Widerspruchsabteilung auch ausreichende Angaben über das Handelsvolumen, die Größe des Gebiets, in dem die Marke benutzt wurde, sowie die Dauer und Häufigkeit der Benutzung.

Die Unterlagen reichen jedoch nicht aus, um die Benutzung des Zeichens als Marke zu beweisen.

Gemäß Regel 22 Absatz 3 UMDV umfasst der Ausdruck „Art der Benutzung“ den Benutzungsnachweis des Zeichens als Marke im Geschäftsverkehr, die Nutzung in der eingetragenen Form oder in einer nur in Bestandteilen abweichenden Form gemäß Artikel 15 Absatz 1 Punkt 2 Buchstabe a UMV, und der Benutzung für Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde.

Der Gerichtshof hat befunden, dass eine „ernsthafte Benutzung“ einer Marke vorliegt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen. Darüber hinaus wird mit der Bedingung einer ernsthaften Benutzung der Unionsmarke verlangt, dass die Marke, so wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt ist, öffentlich und nach außen benutzt wird (11/03/2003, C-40/01, Minimax, EU:C:2003:145, sowie 12/03/2003, T-174/01, Silk Cocoon, EU:T:2003:68).

Da eine Marke unter anderem die Funktion hat, die Verbindung zwischen den von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen und der für deren Vermarktung zuständigen Person oder Firma herzustellen, muss der Benutzungsnachweis eine eindeutige Verbindung zwischen der Benutzung der Marke und den betreffenden Waren und Dienstleistungen schaffen.

Im vorliegenden Fall vermitteln die eingereichten Nachweise jedoch, dass es sich bei den benutzten Zeichen  um ein Gütesiegel handelt, das von den relevanten Verkehrskreisen als Gewährleistungsmarke ohne klaren Verweis auf spezifische Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen wird.

Die Marke erscheint auf keiner der eingereichten Rechnungen. Zwar verweist die Widersprechende auf die in den Rechnungen erscheinenden Artikel-Nummern, aus denen anhand der Kataloge und Broschüren die Art der Waren zu entnehmen sei und dass die Waren unter der Marke aufgeführt werden. Tatsächlich erscheint in den Katalogen aber nicht die eingetragene Wortmarke „IQ“. Was erscheint ist eine Variation von Bildmarken in verschiedenen Piktogrammen, jedoch nie in Zusammenhang mit konkreten Waren.

Vielmehr bezeichnet die Widersprechende selbst das Zeichen als „Signet“ (Siegel), das für „Industrie Qualität“ stehe, so auf Seite 11 im Katalog vom April 2010 (Beweismittel 19), der zwar vor dem relevanten Zeitraum herausgegeben wurde, dessen Gültigkeit sich jedoch auf diesen hinein erstreckt:

Dieselbe Bedeutung der IQ-Bildmarken als Gütesiegel, das hohe Qualitätsansprüche im Industriebereich gewährleistet, wird beispielsweise auch im Katalog vom März 2011 (Beweismittel 22, Seite 6) dargelegt:

Der Eindruck, dass die Marke als Gütesiegel (Gewährleistungsmarke) von der Widersprechenden benutzt wird, wird weiterhin durch die Tatsache gestützt, dass die oben aufgeführten Bildversionen der Marke fast durchweg nur als Piktogramme in Kombination mit anderen bekannten Prüfsiegeln (Schutzart IP, elektr. Funktionserhalt E, Funktionsdauer F, usw.) bzw. Qualitätszeichen (Verein Deutscher Elektroingenieure VDE)  und dem CE-Kennzeichen erscheinen, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen:

(Beweismittel 24, Broschüre vom Juni 2013, Seite 10),

(Beweismittel 26, Katalog vom Juli 2014, Seite 3) oder auch

(Beweismittel 28, Broschüre vom Juni 2015, Seite 4).

Der relevante Verbraucher wird daher zu Recht annehmen, die IQ-Piktogramme seien lediglich ein weiteres Prüfzeichen bzw. Qualitätszeichen, dass nur die Einhaltung bestimmter Standards und Anforderungen durch die Waren bestätigt. Keineswegs werden sie annehmen, es handele sich bei „IQ“ um eine Ursprungsbezeichnung, d.h. um Waren der Widersprechenden.

Eine Benutzung als Gütesiegel (Gewährleistungsmarke) kann nämlich nicht die ernsthafte Benutzung der Marke als solche stützen. Gewährleistungsmarken können zwar in einigen Ländern bei Einhaltung bestimmter Standards eingetragen werden. Der Inhaber einer Gewährleistungsmarke ist jedoch nicht der berechtigte Benutzer, Hersteller oder Anbieter der zertifizierten Waren oder Dienstleistungen, sondern der Zertifizierer, der die rechtmäßige Kontrolle über die Benutzung der Gewährleistungsmarke ausübt. Gewährleistungsmarken können zusammen mit der Einzelmarke des Herstellers der zertifizierten Waren oder des Anbieters der zertifizierten Dienstleistungen benutzt werden. Die Hauptfunktion der Gewährleistungsmarke unterscheidet sich jedoch von der Hauptfunktion einer Einzelmarke: Während Letztere vor allem dazu dient, den Ursprung der Waren und Dienstleistungen zu kennzeichnen, soll Erstere gewährleisten, dass die Waren oder Dienstleistungen bestimmte festgelegte Standards einhalten und bestimmte charakteristische Merkmale aufweisen. Somit dient die Benutzung als Gewährleistungsmarke nicht als Benutzung als Einzelmarke, welche nicht der Benutzung gemäß Artikel 42 Absatz 2 und 3 UMV entspricht (Entscheidung vom 16/08/2011, R 0087/2010-2, DVC-DVB, § 32).

Die Widerspruchsabteilung kommt daher zu dem Schluss, dass der von der Widersprechenden eingereichte Nachweis nicht für einen Beleg der ernsthaften Benutzung der älteren Marke entsprechend ihrer Hauptfunktion (nämlich die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren) in den entsprechenden Gebieten während des relevanten Zeitraums ausreicht.

Daraus folgt, dass der Widerspruch gemäß Artikel 42 Absatz 2 UMV und Regel 22 Absatz 2 UMDV zurückgewiesen werden muss.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle der Anmelderin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3 und 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, bestehen die der Anmelderin zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Renata COTTRELL

Konstantinos MITROU

Sigrid DICKMANNS

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

Leave Comment