A T | Decision 2493099 – Gruner + Jahr GmbH & Co KG v. ArtRabbit

WIDERSPRUCH Nr. B 2 493 099

Gruner + Jahr GmbH & Co KG, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Harte-Bavendamm Rechtsanwätle Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 77, 20457 Hamburg, Deutschland (zugelassener Vertreter)

g e g e n

ArtRabbit, c/o Jamieson Stone Windsor House, 40-41 Great Castle Street, London W1W 8LU, Vereinigtes Königreich, (Anmelderin), vertreten durch Hotz . Utz Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Industriestr. 57, 88441 Mittelbiberach, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 28/04/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Dem Widerspruch Nr. B 2 493 099 wird für alle angefochtenen Waren und Dienstleistungen stattgegeben, und zwar

Klasse 16:        Druckereierzeugnisse.

Klasse 35:         Vermittlung von Abonnements für Bücher, Zeitschriften, Zeitungen oder Comic-Hefte.

 

Klasse 41:        Verlags- und Berichtswesen; Unterhaltung.

2.        Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 13 552 419 wird für alle angefochtenen Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen. Sie kann für die übrigen Waren und Dienstleistungen weitergeführt werden.

3.        Die Anmelderin trägt die Kosten, die auf 650 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen einige Waren und Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 13 552 419  (Bildmarke) ein, und zwar gegen einige  Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41. Der Widerspruch beruht (nach Einschränkung) auf dem Werktitel „art“ in Deutschland. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 4 UMV.

VORBEMERKUNGEN

Der Widerspruch wurde ursprünglich auch auf die in Deutschland eingetragene Marke Nr. 986 217 (Bildmarke) und die in Deutschland eingetragene Marke Nr. 994 008 (Bildmarke) gestützt. Mit Schreiben vom 17/05/2016 beschränkt die Widersprechende den Widerspruch auf das ältere Werktitelrecht der Bezeichnung „art“.

NICHT EINGETRAGENE MARKE ODER IM GESCHÄFTLICHEN VERKEHR BENUTZTES ANDERES KENNZEICHENRECHT – ARTIKEL 8 ABSATZ 4 UMV

Artikel 8 Absatz 4 UMV besagt, dass auf Widerspruch der Inhaberin einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht der Union oder des Mitgliedstaats:

  1. Rechte an diesem Kennzeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke, gegebenenfalls vor dem Tag der für die Anmeldung der Unionsmarke in Anspruch genommenen Priorität, erworben worden sind

  1. dieses Kennzeichen seiner Inhaberin das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.

Die Eintragungshindernisse von Artikel 8 Absatz 4 UMV unterliegen somit den folgenden Anforderungen:

  • Das ältere Kennzeichen muss vor der Einreichung der angefochtenen Marke im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt worden sein.

  • Die Widersprechende muss nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht vor der Einreichung der angefochtenen Marke Rechte an dem Kennzeichen, auf das der Widerspruch gestützt wird, erworben haben, einschließlich des Rechts, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.

  • Die Bedingungen, unter denen die Benutzung einer jüngeren Marke untersagt werden kann, müssen in Bezug auf die angefochtene Marke erfüllt sein.

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Erfüllt ein Zeichen eine dieser Voraussetzungen nicht, bleibt einem Widerspruch, der auf eine ältere nicht eingetragene Marke oder andere im geschäftlichen Verkehr benutzte Kennzeichenrechte im Sinne von Artikel 8 Absatz 4 UMV gestützt wird, somit der Erfolg versagt.

  1. Vorherige Benutzung im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung

Die Bedingung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr ist eine konstitutive Voraussetzung, ohne die das betreffende Zeichen keinerlei Schutz gegen die Eintragung einer Unionsmarke genießt, und sie besteht unabhängig von den Voraussetzungen, die das nationale Recht für den Erwerb des ausschließlichen Rechts aufstellt. Überdies muss eine solche Benutzung darauf schließen lassen, dass das betreffende Kennzeichenrecht von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung ist.

Hierzu ist festzustellen, dass die Voraussetzung in Bezug auf die Benutzung eines Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung im geschäftlichen Verkehr nach Artikel 8 Absatz 4 UMV den Zweck verfolgt, Konflikte zwischen den Zeichen zu begrenzen, indem sie verhindert, dass ein älteres Recht, das nicht hinreichend ausgeprägt, d. h. im geschäftlichen Verkehr wichtig und bedeutungsvoll ist, der Eintragung einer neuen Unionsmarke entgegenstehen kann. Die Möglichkeit eines Widerspruchs soll auf Zeichen beschränkt sein, die auf ihrem relevanten Markt tatsächlich und wirklich präsent sind. Um die Eintragung eines neuen Zeichens verhindern zu können, muss das für den Widerspruch geltend gemachte Zeichen tatsächlich in hinreichend bedeutsamer Weise im geschäftlichen Verkehr benutzt werden und eine mehr als lediglich örtliche geografische Schutzausdehnung haben, was bedeutet, dass, wenn das Schutzgebiet dieses Zeichens als nicht örtlich angesehen werden kann, die Benutzung in einem bedeutenden Teil dieses Gebiets erfolgen muss. Bei der Feststellung, ob dies der Fall ist, sind die Dauer und die Intensität der Benutzung dieses Zeichens als unterscheidendes Element für seine Adressaten zu berücksichtigen, bei denen es sich sowohl um Käufer und Verbraucher als auch um Lieferanten und Wettbewerber handelt. In dieser Hinsicht sind insbesondere Benutzungen des Zeichens in der Werbung und in der geschäftlichen Korrespondenz erheblich. Ferner ist die Beurteilung der Voraussetzung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr für jedes Gebiet, in dem das für den Widerspruch geltend gemachte Recht geschützt ist, getrennt vorzunehmen. Schließlich muss die Benutzung des in Frage stehenden Zeichens im geschäftlichen Verkehr vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke dargetan werden (29/03/2011, C-96/09 P, Bud, EU:C:2011:189, § 157, 159, 160, 163 und 166).

Im verfahrensgegenständlichen Verfahren wurde die angefochtene Marke am 11/12/2014 eingereicht. Daher musste die Widersprechende nachweisen, dass das Kennzeichenrecht, auf das der Widerspruch gestützt wird, vor diesem Zeitpunkt in Deutschland im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt wurde. Ferner muss der Nachweis erbracht werden, dass das Zeichen der Widersprechenden im geschäftlichen Verkehr benutzt wurde, nämlich in Bezug auf monatlich erscheinendes Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin), das täglich aktuelle Nachrichten zu den Themen Kunst, Architektur, Design und Kunstmarkt bietet. 

Am 16/03/2015 und 29/09/2015 reichte die Widersprechende folgende Beweismittel ein:

  • art Cover der Ausgaben Februar 2012 bis Dezember 2014 (Print) und Angebot dieser Ausgaben im Onlineshophop;
  • art Ausgabe Februar 2014 – Cover, Inhaltsverzeichnis, Impressum;
  • Screenshots des art Online-Kunstportals unter www.art-magazin.de vom 20/01/2014;
  • Produktpräsentation des art Kunstmagazins und des art Online-Kunstportals;
  • Reichweite des art Online-Kunstmagazins unter www.art-magazin.de in 2014 (Angaben des Verlags; Quellen: IVW und AGOF internet facts);
  • Verbreitete Auflage des Kunstmagazins art (Print) pro Ausgabe im Jahresdurchschnitt von 2003 bis 2014 (Quelle: PZ Online / IVW);
  • Monatliche Page Impressions und Visits des art Online-Kunstportals unter www.art-magazin.de seit November 2009  (Quelle: PZ Online / IVW Online);
  •  Quellenangaben von PZ Online;
  • Handelsregisterauszug der Widersprechenden, abgerufen vom 01/06/2015;
  • Farbausdrucke (vom art Onlineshop) der Cover des Magazins „art“ von der Ausgabe August 2012 bis einschließlich Juli 2015 sowie die Bestellmöglichkeit und Preise in Deutschland;
  • Beispielhafte Farbkopien der Coverr (einschließlich Verkaufspreise), der Inhaltsverzeichnisse und der Impressen der Ausgaben April 2012, April 2013 und Februar 2014 des Magazins art;
  • Produktpräsentation des Kunstmagazin art auf der Webseite der Widersprechenden www.guj.de, welche das Gründungsjahr 1979 zeigt;
  • Aufstellung der verbreiteten und verkauften Auflage des Magazins art pro Ausgabe im Jahresdurchschnitt von 2003 bis 2015 nebst Quellenangaben, vom 06/07/2015.
  • Laut der Widersprechenden handelt es sich bei der obigen Aufstellung um die auf www.pz-online.de, einem Service des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), öffentlich abrufbaren Daten, welche von der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) erhoben und veröffentlicht wurden. Die IVW ist eine neutrale und unabhängige Kontrollinstanz. Es handelt sich um die bedeutendste Kontrollinstanz in diesem Segment. Diesbezüglich reicht die Widersprechende einen Wikipediaauszug zur IVW ein.
  • Auszüge aus den Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen (AWA) aus den Jahren 2009-2015. Die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen werden jährlich von anerkannten und unabhängigen Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt und veröffentlicht. Diese Studien bestätigen nicht nur die Reichweite und damit das Erscheinen des Magazins art in Deutschland, sondern sie bescheinigen dem Magazin art auch eine außerordentliche hohe Bekanntheit in der deutschen Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren zwischen 16.4% (2009) und 17.7% (2014).
  • Eidesstattliche Versicherung von Frau Dauletiar vom 24/09/2015, welche das monatliche und bundesweite Erscheinen des Magazins art seit 1979 sowie die Marktführerschaft im Segment der Kunstmagazine in Deutschland bestätige;
  • Eidesstattliche Versicherung von Herrn Dr. Stahmer vom 04/05/2012, welche das monatliche Erscheinen des Magazins art in Deutschland seit 1979, die hohe Auflage und die Entwicklung zu Europas größtem Kunstmagazin bestätige;
  • Produktpräsentation des Online-Kunstportals art auf der Webseite der Widersprechenden www.guj.de,
  • Screenshots von der Webseite unter www.art-magazin.de vom 06/07/2015, welche die Verwendung des Titels in der Browserliste, auf der Website sowie die Inhalte der Website zeigen;
  • Beispielhafte Screenshots aus der Wayback Machine des Internet Archives unter http://archive.org/web. Sie zeigen das Online-Magazin unter www.art-magazin.de aus den Jahren 2007-2013;
  • Eine Aufstellung der monatlichen Visits und Page Impressions (PIs) auf das Angebot unter www.art-magazin.de von November 2009 bis Mai 2015;
  • Eidesstattliche Versicherung von Herrn Olzien, welche die Benutzung von art als Titel für das online Magazin seit spätestens 2007 und die Verwendung auf der Website und in der Browserzeile bestätigt;
  • Urteil des Landgerichts Hamburg vom 04/05/2012 bezüglich art vs ART INVESTOR.

Die Dokumente beweisen, dass der Benutzungsort Deutschland ist. Dies kann abgeleitet werden aus der Sprache der Dokumente (Deutsch) und von den Webseiten www.art-magazin.de sowie www.guj.de. Die Titelblätter zeigen, dass es sich um eine in deutscher Sprache herausgegebene Zeitschrift handelt.

Die Beweismittel datieren von vor dem relevanten Datum.

Die Beweismittel belegen, dass das Zeichen der Widersprechenden im geschäftlichen Verkehr benutzt wurde, nämlich in Bezug auf Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin)

Die eingereichten Unterlagen, namentlich Aufstellung der verbreiteten und verkauften Auflage des Magazins art pro Ausgabe im Jahresdurchschnitt von 2003 bis 2015 auf www.pz-online.de oder Auszüge aus den Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen (AWA) aus den Jahren 2009-2015 liefern der Widerspruchsabteilung ausreichende Angaben über das Handelsvolumen sowie die Dauer und Häufigkeit der Benutzung. Aus den Beweismitteln geht eindeutig hervor, dass der geschäftliche Verkehr der Widersprechenden unter dem betreffenden Zeichen mehr als lediglich örtliche Bedeutung hat, was an den Titelblättern, Screenshots  zu erkennen ist.

Die Anmelderin wendet ein, dass das Zeichen nicht als „art“, sondern als „art – Das Kunstmagazin“ benutzt werde. Diesbezüglich verweist sie auf die Entscheidungen der Beschwerdekammer in Sachen R0261/2013-1 und R0877/2012-1. In diesen Fällen hat die Widersprechende, die auch im diesem Fall die Widersprechende ist, ebenso Artikel 8 Absatz 4 UMV geltend gemacht und der Widerspruch wurde auf den Werktitel „art“ gestützt. Diese Entscheidungen stellten fest, dass den Unterlagen zu entnehmen ist, dass das Zeichen nicht als „art“ in Alleinstellung, sondern mit dem Ausdruck „das Kunstmagazin“ als erscheint.

Die Widersprechende erwidert, dass der Vortrag und die Beweismittel in diesem und den zitierten Verfahren nicht identisch seien. Die Widerspruchsabteilung teilt diese Ansicht.  

In den eingereichten Dokumenten erscheint der Werktitel wie folgt:

Es ist festzustellen, dass das Zeichen „art“ wirklich auch mit dem Ausdruck „das Kunstmagazin“ erscheint. Erstens, das Wort „das Kunstmagazin“ hat keine Unterscheidungskraft bezüglich der relevanten Produkte, d. h. Kunstmagazine. Zweitens, der Ausdruck erscheint in wesentlich kleinerer Schrift. Drittens, das Wort „Kunstmagazin“ erscheint oft unter dem Wort „art“, in untergeordneter Position. Viertens, das Wort ist oft nicht in seiner Gesamtheit zu sehen, da die Darstellung auf dem Titelblatt es verdeckt. Somit springt das Wort „art“ wegen ihrer Position, Größe und Darstellung sofort ins Auge und ist dominant. Es sei auch bemerkt, dass es üblich ist, dass Zeitschriften nach Schlagwort bzw. verkürzt benannt werden, beispielsweise die Frankfurter Allgemeine Zeitung wird als FAZ oder Frankfurter Allgemeine benannt. In den Beweismitteln Aufstellung der verbreiteten und verkauften Auflage des Magazins art pro Ausgabe im Jahresdurchschnitt von 2003 bis 2015 auf www.pz-online.de oder Auszüge aus den Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen (AWA) aus den Jahren 2009-2015 erscheint das Werktitel lediglich als „art“, das Magazin wird so identifiziert.

Des Weiteren weist die Widerspruchsabteilung auf das Urteil des Landgerichts Hamburg 312 O 535/11 vom 08/05/2012 hin. Das EUIPO entscheidet allein auf Grundlage der Verordnung Nr. 207/2009 sowie der einschlägigen Rechtsprechung und ist nicht an Entscheidungen von nationalen Behörden und Gerichten – sogar im gleichartigen Fall – gebunden. Die Entscheidungen sowie das Ergebnis anderer Rechtsprechung sind für den vorliegenden Fall keineswegs bindend. Die Feststellungen der Entscheidungen müssen aber nur deswegen nicht unbedingt außer Acht gelassen werden. Das anwendbare Recht ist im vorliegenden Fall das deutsche Recht, wonach das Landgericht sein Urteil getroffen hat. Im Verfahren handelt es sich um dasselbe Kunstmagazin und zumindest teilweise um dieselben Beweismittel. Das Landesgericht stellte bezüglich desselben Werktitels „art“ folgendes fest:

 

Die Widerspruchsabteilung ist der Meinung, dass der Werktitel auch als „art“ in Alleinstellung benutzt wurde. Ferner ist das Wort „art“, wegen der oben angeführten Gründe als dominant anzusehen, wenn nicht in Alleinstellung benutzt wird, sondern als „art – Das Kunstmagazin“ erscheint.

  1. Das Kennzeichenrecht nach anwendbarem Recht

Titel von Zeitschriften und anderen Veröffentlichungen sowie ähnliche Kategorien von Werken wie Filme und Fernsehserien fallen nur unter die Bestimmungen von Artikel 8 Absatz 4 UMV, wenn sie nach dem maßgeblichen nationalen Recht als Unternehmenskennzeichen geschützt sind (unabhängig davon, ob sie auch urheberrechtlich geschützt sind, was keine gültige Grundlage für einen Widerspruch gemäß der UMV darstellt).

Im vorliegenden Fall gelten, gemäß dem für das betreffende Zeichen maßgeblichen Recht, § 5 Absätze 3 sowie § 15 Absätze 2 und 3 MarkenG, Untersagungsrecht aus dem nach deutschem Recht geschützten Werktitel „art“.

§ 5 MarkenG („Geschäftliche Bezeichnungen“) bestimmt:

(1)        Als geschäftliche Bezeichnungen werden Unternehmenskennzeichen und Werktitel geschützt.

(2)         Unternehmenskennzeichen sind Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden. Der besonderen Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs stehen solche Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebs von anderen Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen gleich, die innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs gelten.

(3)         Werktitel sind die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken.

Vorliegend hat die Widersprechende nachgewiesen, das Zeichen „art“ als Titel – und somit als Namen – für eine Zeitschrift (einschließlich ihres Onlineauftritts) sowie für Kunstmagazine benutzt zu haben. Bei diesen Waren handelt es sich um Druckschriften im Sinne des § 5 Absatz 3 MarkenG.

Nach ständiger deutscher Rechtsprechung entsteht der Titelschutz für ein Werk im Sinne des § 5 Absatz 3 MarkenG im Prinzip mit der Ingebrauchnahme des Titels (siehe Ströbele/Hacker, MarkenG, Kommentar, § 5 Randnr. 87 mit Nachweisen).

§ 6 Absatz 3 MarkenG („Vorrang und Zeitrang“) lautet:

(1)         Ist im Falle des Zusammentreffens von Rechten im Sinne der §§ 4, 5 und 13 nach diesem Gesetz für die Bestimmung des Vorrangs der Rechte ihr Zeitrang maßgeblich, wird der Zeitrang nach den Absätzen 2 und 3 bestimmt.

(2)         Für die Bestimmung des Zeitrangs von angemeldeten oder eingetragenen Marken ist der Anmeldetag … oder, falls eine Priorität nach § 34 oder nach § 35 in Anspruch genommen wird, der Prioritätstag maßgeblich.

(3)         Für die Bestimmung des Zeitrangs von Rechten im Sinne des § 4 Nr. 2 und 3 und der §§ 5 und 13 ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem das Recht erworben wurde.

(4)         Kommt Rechten nach den Absätzen 2 und 3 derselbe Tag als ihr Zeitrang zu, so sind die Rechte gleichrangig und begründen gegeneinander keine Ansprüche.”

Für die Bestimmung des Zeitrangs von Rechten im Sinne des § 4 Nr. 2 und 3 und der §§ 5 und 13 ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem das Recht erworben wurde.

Vorliegend hat die Widersprechende vorgetragen, dass der Titel 1979 in Gebrauch genommen wurde. Sie hat Nachweise für diesen Gebrauch seit 2003 erbracht. Letztgenannter Zeitpunkt ist gemäß § 6 Absatz 3 MarkenG für den Zeitrang entscheidend.

Anderes gilt nur, wenn dem Werktitel die ursprüngliche Unterscheidungskraft fehlt, da in solchen Fällen der Titelschutz erst mit Erlangung der Verkehrsgeltung entsteht (siehe Urteil des BGH vom 01/03/2001, I ZR 211/98, „Tagesschau“). Allerdings sind nach ständiger deutscher Rechtsprechung keine hohen Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Zeitungs- und Zeitschriftentiteln zu stellen (siehe Urteil des BGH vom 16/0761998, I ZR 6/96, „Wheels Magazine“). Dies wird damit begründet, dass auf dem betreffenden Markt „seit jeher Zeitungen und Zeitschriften unter mehr oder weniger farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden“ (siehe Urteil des BGH vom 21/06/2001, I ZR 27/99, „Auto Magazin“).

Nach diesen Kriterien weist der Titel trotz des beschreibenden Charakters des Worts „art“ (siehe dazu bereits Entscheidung vom 17/10/2013, R0877/2012-1, „ART OF FAME / art das Kunstmagazin aus dem Hause Gruner + Jahr“, Randnr. 33 mit Nachweisen sowie unten Randnr. 85-91) das erforderliche Mindestmaß an Individualität auf, welche dem Verkehr eine Unterscheidung von anderen Zeitschriften ermöglicht.

Bei dem geltend gemachten Werktitel „art“ handelt es sich somit gemäß §§ 5 Absatz 3 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 MarkenG um ein älteres nationales Kennzeichenrecht im Sinne des Artikels 8 Absatz 4 GMV.

Untersagungsrecht

§ 15 MarkenG („Ausschließliches Recht des Inhabers einer geschäftlichen Bezeichnung, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzanspruch“) bestimmt unter anderem:

(1)         Der Erwerb des Schutzes einer geschäftlichen Bezeichnung gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht.

(2)         Dritten ist es untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen.

(3)         Handelt es sich bei der geschäftlichen Bezeichnung um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung, so ist es Dritten ferner untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, wenn keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des Absatzes 2 besteht, soweit die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Die Widersprechende macht geltend, dass sowohl die Voraussetzungen des § 15 Absatz 2 MarkenG (Untersagungsrecht aufgrund von Verwechslungsgefahr) als auch diejenigen des § 15 Absatz 3 MarkenG (Untersagungsrecht aufgrund drohender unlauterer Ausnutzung bzw. Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft bzw. Wertschätzung des bekannten Titels) vorliegend erfüllt sind.

  1. Das Recht der Widersprechenden gegenüber der angemeldeten UM

§ 15 Absatz 2 MarkenG bestimmt:

“Dritten ist es untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen.” (Hervorhebung hinzugefügt)

Verwechslungsgefahr

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

Es muss die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die angemeldete Unionsmarke dazu führt, dass das Publikum glaubt, von der Anmelderin anzubietende Waren oder Dienstleistungen seien Waren oder Dienstleistungen der Widersprechenden. Folglich ist zu prüfen, ob nach Abwägung der Wahrscheinlichkeiten die Gefahr besteht, dass eine wesentliche Anzahl von Mitgliedern des relevanten Publikums glaubt, es handele sich um Waren oder Dienstleistungen der Widersprechenden, zum Kauf von Waren der Anmelderin gebracht wird.

Nach ständiger deutscher Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr einer Marke mit einem Werktitel auf die Wechselwirkung von Branchennähe, der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Bezeichnungen sowie auf die Kennzeichnungskraft der älteren Bezeichnung abzustellen.

  • Maßgebliche Verkehrskreise

Das ältere Titelrecht besteht in Deutschland. Die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen richten sich sowohl an ein Fachpublikum als auch an die Endverbraucher.

Somit sind vorliegend für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Absatz 2 MarkenG die Wahrnehmung der verständigen und angemessen aufmerksamen allgemeinen Verkehrskreise sowie der erhöhte Aufmerksamkeitsgrad des Fachpublikums in Deutschland maßgeblich.

  • Branchennähe

Das ältere Werktitelrecht schützt monatlich erscheinendes Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin), das täglich aktuelle Nachrichten zu den Themen Kunst, Architektur, Design und Kunstmarkt bietet. 

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren und Dienstleistungen:

Klasse 16:        Druckereierzeugnisse.

Klasse 35:         Vermittlung von Abonnements für Bücher, Zeitschriften, Zeitungen oder Comic-Hefte.

 

Klasse 41:        Verlags- und Berichtswesen; Unterhaltung.

Angefochtene Waren in Klasse 16:

Die angefochtenen Druckereierzeugnisse umfassen die Ware Kunstmagazin (Print), somit besteht eine Identität.

Angefochtene Dienstleistungen in Klasse 35:

Vermittlung von Abonnements für Bücher, Zeitschriften, Zeitungen oder Comic-Hefte stehen in einem Ergänzungsverhältnis mit den Waren Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin) der Widersprechenden. Kunstmagazine werden als Abonnements vermarktet und sie können von demselben Unternehmen angeboten werden. Die in Rede stehenden Produkte richten sich an dasselbe Publikum. Somit ist von einer Ähnlichkeit bzw. Branchennähe auszugehen.

Angefochtene Dienstleistungen in Klasse 41:

Die angefochtenen Dienstleistungen Verlags- und Berichtswesen umfassen Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnisse sowie elektronische Publikationen. Somit fallen die Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin) der Widersprechenden unter dieser Kategorie. Somit besteht eine Branchenidentität.

Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin) richten sich sowohl an Durchschnittsverbraucher als auch ans Fachpublikum wie Künstler beispielsweise Musikanten, Maler, Kritiker oder Filmmacher. Kunstmagazine dienen nicht nur Bildungs- bzw. erzieherischen Zwecken, sondern auch der Unterhaltung im Bereich Kunst. Die Produkte der Widersprechenden überschneiden sich mit Unterhaltung der Anmeldemarke. Somit ist zumindest von einer Branchennähe auszugehen.

Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist daher vorliegend von einer Branchenidentität bzw. –nähe sämtlicher sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen auszugehen.

  • Vergleich der Zeichen

Älteres Zeichen

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist Deutschland.

Der ältere Werktitel erscheint wie oben dargestellt, teilweise das Wort „art“ in Alleinstellung, teilweise mit dem Ausdruck „Das Kunstmagazin“. Wie oben ausgeführt, das Wort „Das Kunstmagazin“ hat einen rein beschreibenden Charakter, somit fehlt ihm die Unterscheidungskraft. Des Weiteren erscheint das Wort „art“ wegen seiner Größe, Position, Farbe im Zeichen dominant. „Das Kunstmagazin“ erscheint in wesentlich kleinerer Schriftart und in untergeordneter Position.

Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass es sich um einen Werktitel und nicht um eine eingetragene Bildmarke handelt. Den Unterlagen ist zu entnehmen, dass das Zeichen seit 1979 für Kunstmagazine als Druckereierzeugnisse und seit spätestens 2009 als Onlinemagazin benutzt wird. Eine unerhebliche Veränderung der Schriftart oder der Farbe, eine leicht veränderte Zeichenordnung sowie das Hinzufügen von branchenüblichen, untergeordneten und rein beschreibenden Zusätzen gehören zu einer Zeichenmodernisierung. Die Widerspruchsabteilung ist der Meinung, dass die  vorgenommenen Abwandlungen des Layouts des Magazins im vorliegenden Fall als unerheblich und unschädlich anzusehen sind.  

Bei der angefochtenen Marke handelt es sich um eine Bildmarke, die aus einer Großbuchstabenfolge „A-R-T“ besteht, wobei der zweite Buchstabe „R“ auf den Kopf gestellt ist. Zwar gibt die Anmelderin das Wortelement der Marke als „A T“ in der Anmeldung an, ist der Buchstabe „R“ im Zeichen ohne Weiteres eindeutig zu erkennen und als solches wahrzunehmen.

Aus verfahrensökonomischen Gründen prüft die Widerspruchsabteilung die Zeichen „art“ in Alleinstellung der angefochtenen Marke entgegen.

Bildlich stimmen die Zeichen insoweit überein, dass beide über die Buchstabenfolge „a-r-t“ bzw. „A-R-T“ verfügen. Das Wort erscheint im Werktitel in dicken Kleinbuchstaben in Rot oder Weiß. Dagegen sind die Buchstaben in der Anmeldemarke in Großbuchstaben geschrieben, wobei der „R“ in der Mitte umgekehrt dargestellt wird. Die Zeichen sind daher kaum ähnlich.

In klanglicher Hinsicht sind die Zeichen identisch.

Beim begrifflichen Vergleich wird auf die Entscheidungen der Beschwerdekammer R0877/2012-1 vom 17/10/2013, R-0261/2013-1 vom 23/10/2013 sowie R0181/2011-1 vom 12/01/2011 verwiesen. In den zitierten Entscheidungen wurde festgestellt, dass das Wort „art“ von dem hier angesprochenen, verständigen und angemessenen aufmerksamen allgemeinen Verkehrskreisen in Deutschland unmittelbar als „Kunst“ verstanden wird. Es handelt sich nämlich um eine allgemein bekannte Tatsache, dass der englische Begriff „art“ („Kunst“) zu englischen Grundwortschatz gehört, welcher dem deutschen Verbraucher auch geläufig ist. Auch ist dieser Begriff nicht nur dem  speziell an der Kunst interessierten Publikum bekannt. Dies belegen die folgenden Wörterbucheinträge aus dem DUDEN Online:

Somit werden die Vergleichszeichen identisch als Kunst verstanden.

  • Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens

Das Wort „art“ wird von den maßgeblichen Verkehrskreisen in Bezug auf die vom älteren Zeichen geschützten Kunstmagazine (Print und Online) unmittelbar als Hinweis auf den Inhalt der Waren bzw. ihre Eigenschaft (etwa Kunstdrucke) wahrgenommen werden.

Es ist somit festzuhalten, dass das Wort „art“ im älteren Zeichen zwar deutlich wahrnehmbar, aber auch kennzeichnungsschwach ist. Das Zeichen bezieht seine Kennzeichnungskraft in erster Linie aus der grafischen und farblichen Ausgestaltung des Elements „art”.

Die Widersprechende beruft sich vorliegend auf eine durch intensive Benutzung des Zeitschriftentitels erhöhte Kennzeichnungskraft des Worts „art“ in ihrem älteren Werktitel.

Auch wurde bereits festgestellt, dass der ältere Werktitel seine Kennzeichnungskraft in erster Linie aus der grafischen und farblichen Ausgestaltung bezieht.

Nachweise zur Bekanntheit dieses Werktitels wurden erst im vorliegenden Beschwerdeverfahren in Form der Tabelle der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse („AWA“) für die Jahre 2009 und 2015 zur Bekanntheit von etwa 75 verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen sowie von Zeitschriften in der Bevölkerung ab 14 Jahren vorgelegt:

Dies hat auch das Landgericht Hamburg im Urteil 312 O 535/11 vom 04/05/2012 ausgeführt:

Die Widerspruchsabteilung ist der Ansicht, dass der Werktitel das erforderliche Mindestmaß an Individualität aufweist. Somit ist von einer zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen.

  1. Schlussfolgerung

Zwischen den angefochtenen Waren und Dienstleistungen sowie den Produkten der Widersprechenden wurden Branchenidentität bzw. zumindest Branchennähe festgestellt. Im vorliegenden Fall richten sich die Vergleichswaren und –dienstleistungen sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch ans Fachpublikum im Bereich Kunst.

Die Vergleichszeichen sind in klanglicher und begrifflicher Hinsicht identisch. Das Wort „art“ ist kennzeichnungsschwach bezüglich der Kunstmagazine (Print und Online) der Widersprechenden. Der Werktitel weist lediglich auf den thematischen Inhalt der Produkte hin, jedoch ist wegen der Benutzung und die Ausgestaltung des Zeichens von einer zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. Dies gilt auch für die angefochtene Marke. „ART“ ist kennzeichnungsschwach hinsichtlich der angefochtenen Waren und Dienstleistungen. Wegen der grafischen Ausgestaltung der Marke, d. h. der auf den Kopf gestellten „R“ erreicht das Zeichen jedoch das erforderliche Mindestmaß an Kennzeichnungskraft. Auch wenn die Zeichen in visueller Hinsicht von einander zu trennen sind, überwiegen die klangliche und begriffliche Identität die Unterschiede. Die Verbraucher können davon ausgehen, dass es sich lediglich um eine andere, neue Produktlinie der Zeitschrift „art“ handelt und die Waren und Dienstleistungen von demselben Unternehmen stammen. Damit ist eine Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen.

Sowohl die Anmelderin als auch die Widersprechende berufen sich zur Unterstützung ihrer Bemerkungen auf frühere Entscheidungen der Beschwerdekammer. Das Amt ist jedoch nicht durch seine früheren Entscheidungen gebunden, da jeder einzelne Fall separat und unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten behandelt werden muss.

Das Gericht unterstützt diese Vorgehensweise uneingeschränkt. Es hat festgestellt, dass nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ausschließlich auf der Grundlage der UMV und nicht nach der vorherigen Entscheidungspraxis des EUIPO zu beurteilen ist (30/06/2004, T-281/02, Mehr für Ihr Geld, EU:T:2004:198).

Obgleich die früheren Entscheidungen des Amtes nicht verbindlich sind, sind deren Begründung und Ergebnisse dennoch bei einer Entscheidung in einer anderen Sache gebührend zu berücksichtigen.

Das Amt ist zwar verpflichtet, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts auszuüben, z. B. dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, jedoch muss die Art und Weise der Anwendung dieser Grundsätze mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Außerdem ist zu betonen, dass jeder Fall individuell geprüft werden muss. Das Ergebnis hängt in jedem Einzelfall von besonderen Kriterien ab, die auf die Gegebenheiten dieses Falles anzuwenden sind, beispielsweise den Aussagen, Argumenten und Vorbringen der Beteiligten. Abschließend darf sich eine Partei in Verfahren vor dem Amt nicht auf eine möglicherweise unerlaubte Handlung, die zum Nutzen Dritter begangen wurde, stützen oder diese zu ihrem Vorteil nutzen, um eine identische Entscheidung zu erwirken.

Daraus folgt, dass, selbst wenn der Widerspruchsabteilung vorgelegte frühere Entscheidungen dem vorliegenden Fall in gewissem Umfang sachlich ähnlich sind, das Ergebnis anders ausfallen kann.

Diesbezüglich verweist die Anmelderin auf die Entscheidungen der Beschwerdekammer in Sachen R0261/2013-1 und R0877/2012-1. Wie oben erörtert, im vorliegenden Fall sind der Vortrag und die Beweismittel nicht identisch.

Im Fall R0261/2013-1 stehen sich die Zeichen und „Art Thinking“ (Wortmarke) entgegen. In der Sache R0877/2012-1 handelt es sich um die Zeichen und “ART OF FAME” (Wortmarke). In den zitierten Verfahren verfügen die Zeichen über weitere Wortelemente, somit weisen sie mehr Unterschiede in visueller, klanglicher und begrifflicher Hinsicht auf. Diese Entscheidungen sind in gewissem Umfang ähnlich, aber die Einzelheiten des vorliegenden Falls führen zu einem anderen Ergebnis.

Unter Abwägung aller obigen Ausführungen gelangt die Widerspruchsabteilung zu der Feststellung, dass der Widerspruch aufgrund des älteren Zeichens „art“ der Widersprechenden begründet ist. Daraus folgt, dass die angefochtene Marke für alle angefochtenen Waren und Dienstleistungen zurückzuweisen ist.

Da das ältere Recht „art“ für sämtliche Waren und Dienstleistungen, gegen die sich der Widerspruch richtet, die Stattgabe des Widerspruchs und die Ablehnung der angefochtenen Marke begründet, erübrigt sich eine Prüfung der sonstigen älteren Zeichen (16/09/2004, T-342/02, Moser Grupo Media, S.L., EU:T:2004:268).

In Anbetracht der Tatsache, dass der Widerspruch gemäß Artikel 8 Absatz 4 UMV in Verbindung mit § 15 Absatz 2 MarkenG vollständig erfolgreich ist, kann eine Prüfung der verbleibenden Gründe und älteren Rechte, auf die der Widerspruch gestützt wurde (§ 15 Absatz 3 MarkenG), unterbleiben.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Anmelderin die unterliegende Partei ist, trägt sie die Widerspruchsgebühr sowie alle der Widersprechenden in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3, 6 und 7 Buchstabe d Ziffer i UMDV bestehen die der Widersprechenden zu erstattenden Kosten aus der Widerspruchsgebühr und aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

André BOSSE

Judit NÉMETH 

Plamen IVANOV

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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