TEFRO | Decision 2626953

WIDERSPRUCH Nr. B 2 626 953

Evonik Degussa GmbH, Rellinghauser Str. 1-11, 45128 Essen, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Evonik Degussa GmbH – Thomas Felchner, Intellectual Property Management, Bau 1042 – PB 15, Postfach 13 20, 45764 Marl, Deutschland (angestellter Vertreter)

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G. Theodor Freese GmbH, Carl-Benz-Str. 29, 28237 Bremen, Deutschland (Anmelderin), vertreten durch Eisenführ Speiser Patentanwälte Rechtsanwälte PartGmbB, Am Kaffee-Quartier 3, 28217 Bremen, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 13/07/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Der Widerspruch Nr. B 2 626 953 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.

2.        Die Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen einige der Waren und Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 14 426 894 ein, und zwar gegen alle Waren der Klasse 2. Der Widerspruch beruht unter anderem auf der Unionsmarkeneintragung Nr. 9 652 041. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

Der Widerspruch beruht auf mehr als einer älteren Marke. Aus Gründen der Verfahrensökonomie prüft die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zuerst in Bezug auf die Unionsmarkeneintragung Nr. 9 652 041 der Widersprechenden.

  1. Die Waren

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren:

Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche und fotografische Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; chemische Inhaltsstoffe, chemische Additive und chemische Hilfsmittel für die Herstellung von Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege und von kosmetischen und pharmazeutischen Erzeugnissen, chemische Additive und Hilfsmittel für die Herstellung von Farben, Lacken, Beschichtungen, Druckfarben, Pigmentkonzentraten, Putzen und Spachtelmassen; Hydrophobierungsmittel für Imprägniermittel für Bauzwecke.

Klasse 2: Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Färbemittel; Beizen; Naturharze im Rohzustand; Bindemittel für Anstrichfarben, Lacke, Beschichtungen, Druckfarben, Pigmentkonzentrate, Putze und Spachtelmassen; Dickungsmittel für Anstrichfarben, Lacke, Beschichtungen, Druckfarben, Pigmentkonzentrate, Putze und Spachtelmassen; Verdünnungsmittel für Anstrichfarben, Lacke, Beschichtungen, Druckfarben, Pigmentkonzentrate, Putze und Spachtelmassen; Fixiermittel für Anstrichfarben, Lacke, Beschichtungen, Druckfarben, Pigmentkonzentrate, Putze und Spachtelmassen.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:

Klasse 2: Versiegelungsfarbe; Versiegelungsmittel [Farben]; Versiegelungslack für Farben; Versiegelungspräparate [Anstrichfarben]; Versiegelungspräparate für Böden [Farben]; Bodenanstrichmittel mit Versiegelungseigenschaften [Farben und Öle]; Schutzbeschichtungen mit Versiegelungseigenschaften zur Verwendung auf Beton [Anstrichfarben].

Die angefochtenen Waren Versiegelungsfarbe; Versiegelungsmittel [Farben]; Versiegelungspräparate [Anstrichfarben]; Versiegelungspräparate für Böden [Farben]; Bodenanstrichmittel mit Versiegelungseigenschaften [Farben und Öle]; Schutzbeschichtungen mit Versiegelungseigenschaften zur Verwendung auf Beton [Anstrichfarben] sind jeweils als Farben klassifiziert und daher in der weiter gefassten Kategorie der Farben der Widersprechenden enthalten oder sie überschneiden sich mit ihr. Deshalb sind diese Waren identisch.

Der angefochtene Versiegelungslack für Farben ist in der weiter gefassten Kategorie der Lacke der Widersprechenden enthalten. Deshalb sind diese Waren identisch.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch befundenen Waren an das breite Publikum (insbesondere Heimwerker) und an Geschäftskunden mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder besonderem beruflichem Fachwissen im Bereich Farben und Lacke.

Der Aufmerksamkeitsgrad gilt als durchschnittlich.

  1. Die Zeichen

TEGO

TEFRO

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist die Europäische Union.

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Die Vergleichszeichen sind jeweils Wortmarken.

Die angefochtene Marke hat keine Bedeutung für das relevante Publikum und ist daher normal kennzeichnungskräftig.

Die ältere Marke hat für einen Großteil des relevanten Publikums keine Bedeutung und ist somit normal kennzeichnungskräftig für diesen Teil des relevanten Publikums. Für einen gewissen Teil des relevanten Publikums hat sie eine Bedeutung (z.B. die Bedeutung „dieser“ für das polnischsprachige Publikum), aber die Bedeutung ist nicht beschreibend, anspielend oder anderweitig schwach und ist somit ebenfalls normal kennzeichnungskräftig.

Die Länge der Zeichen kann sich auf die Wahrnehmung der Unterschiede zwischen ihnen auswirken. Je kürzer ein Zeichen ist, desto leichter fällt es dem Publikum, alle seine einzelnen Elemente wahrzunehmen. Umgekehrt werden Abweichungen bei längeren Zeichen vom Publikum seltener wahrgenommen.

Die Vergleichszeichen bestehen aus vier bzw. fünf Buchstaben. Aufgrund der überschaubaren Länge der Zeichen fällt es dem Verkehr nicht schwer, die einzelnen Buchstaben wahrzunehmen.

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf die Buchstaben „TE*(*)O“ überein. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf den Buchstaben „G“ in der älteren Marke und in Bezug auf die beiden Buchstaben „FR“ in der angefochtenen Marke.

Die Zeichen sind daher gering ähnlich.

In klanglicher Hinsicht unabhängig von den unterschiedlichen Ausspracheregeln in verschiedenen Teilen des maßgeblichen Gebiets, stimmt die Aussprache der Zeichen im Klang der Buchstaben /TE*(*)O/ in den beiden Zeichen überein. Die Aussprache unterscheidet sich deutlich im Klang der Buchstaben /G/ bzw. /FR/ in der Mitte der Zeichen.

Die Zeichen sind daher gering ähnlich.

In begrifflicher Hinsicht hat die ältere Marke eine Bedeutung für einen Teil des relevanten Publikums (z.B. für das polnischsprachige Publikum, siehe oben). Da jedoch das andere Zeichen keine Bedeutung hat, sind die Zeichen begrifflich nicht ähnlich.

Für den übrigen Teil des relevanten Publikums hat keines der beiden Zeichen eine Bedeutung (z.B. für das deutschsprachige Publikum). Da ein begrifflicher Vergleich nicht möglich ist, beeinflusst der begriffliche Aspekt die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit für diesen Teil des relevanten Publikums nicht.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Die Widersprechende machte geltend, dass die ältere Marke sich durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft auszeichne, reichte jedoch keine Belege zum Beweis dieses Vorbringens ein.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die erhöhte Kennzeichnungskraft innerhalb der Substantiierungsfrist, die am 16/06/2016 ablief, nachzuweisen war. Daher können die Beweismittel für den Nachweis der Benutzung, die am 07/11/2016 vorgelegt wurden, nicht berücksichtigt werden.

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

„Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt“ (29/09/1998, C-39/97, Canon, EU:C:1998:442, § 17).

Die Vergleichswaren sind identisch.

Die Widersprechende hat keine erhöhte Kennzeichnungskraft nachgewiesen.

Die Zeichen stimmen zwar visuell und klanglich in gewissen Buchstaben überein, Verwechslungsgefahr besteht jedoch nicht, da in beiden Zeichen auch unterschiedliche Buchstaben vorliegen, die aufgrund der relativen Kürze der Zeichen deutlich wahrnehmbar sind. Hinsichtlich eines Teils des relevanten Publikums (z.B. für den polnischsprachigen Verkehr) kommt darüber hinaus noch hinzu, dass die Zeichen begrifflich nicht ähnlich sind.

Die Widersprechende beruft sich zur Unterstützung ihrer Bemerkungen auf frühere Entscheidungen des Amtes. Das Amt ist jedoch nicht durch seine früheren Entscheidungen gebunden, da jeder einzelne Fall separat und unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten behandelt werden muss.

Das Gericht unterstützt diese Vorgehensweise uneingeschränkt. Es hat festgestellt, dass nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ausschließlich auf der Grundlage der UMV und nicht nach der vorherigen Entscheidungspraxis des EUIPO zu beurteilen ist (30/06/2004, T-281/02, Mehr für Ihr Geld, EU:T:2004:198).

Obgleich die früheren Entscheidungen des Amtes nicht verbindlich sind, sind deren Begründung und Ergebnisse dennoch bei einer Entscheidung in einer anderen Sache gebührend zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Verfahren sind die früheren Entscheidungen, auf die sich die Widersprechende berufen hat, nicht relevant, da es um Vergleichszeichen geht, die größere Ähnlichkeiten aufweisen, entweder weil sie in den fünf Anfangsbuchstaben übereinstimmen (LIBRI gegen LIBRINDI) oder weil sie sich insgesamt nur in einem oder höchstens zwei (zusätzlichen) Buchstaben unterscheiden (OMLED/OMELED, OTTO/OTOTO, TOTTO/TOTWO, SYNERGY/SYNEY, KETO/KENTRO). Eine Ausnahme ist der Fall TACCS/TAXCESS, wo sich die Marken in mehr Buchstaben unterscheiden. In diesem Fall jedoch ist durch die doppelten Konsonanten und eine ähnliche Aussprache der unterschiedlichen Konsonanten der Grad der visuellen und klanglichen Ähnlichkeit durchschnittlich und somit höher als im vorliegenden Fall.

Im vorliegenden Fall weisen beide Zeichen unterschiedliche Buchstaben auf, nämlich  „G“ in der älteren Marke und „FR“ in der angefochtenen Marke. Es gibt also insgesamt drei unterschiedliche Buchstaben. Hinzu kommt, dass vorliegend die Zeichen kürzer sind als die Vergleichszeichen der zitierten Entscheidungen, sodass die drei unterschiedlichen Konsonanten mehr ins Gewicht fallen.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte besteht seitens der Öffentlichkeit keine Verwechslungsgefahr. Daher muss der Widerspruch zurückgewiesen werden.

Die Widersprechende hat ihren Widerspruch auch auf die folgenden älteren Marken gestützt:

  • Unionsmarkenregistrierung Nr. 12 896 981 für die Bildmarke ;

  • deutsche Markenregistrierung Nr. 653 125 für die Wortmarke „TEGO“.

Da die deutsche Marke mit der oben verglichenen identisch ist, kann das Ergebnis in Bezug auf Waren, für die der Widerspruch trotz Warenidentität bereits zurückgewiesen wurde, kein anderes sein, da die deutschen Verkehrskreise bei der Prüfung oben bereits berücksichtigt wurden. Verwechslungsgefahr hinsichtlich jener Waren besteht also nicht.

Die andere Unionsmarke, die von der Widersprechenden geltend gemacht wurde, ist der angefochtenen Marke sogar noch unähnlicher. Der Grund dafür ist, dass sie weitere Bildelemente enthält, die in der angefochtenen Marke nicht vorliegen. Deshalb kann das Ergebnis hinsichtlich der Waren, für die der Widerspruch trotz Warenidentität bereits zurückgewiesen wurde, nicht anders sein; es besteht hinsichtlich dieser Waren keine Verwechslungsgefahr.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle der Anmelderin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3 und 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, bestehen die der Anmelderin zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Sigrid DICKMANNS

Beatrix STELTER

Claudia MARTINI

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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