LEOcore | Decision 2689365

WIDERSPRUCH Nr. B 2 689 365

 

lightweight solutions GmbH, Carl-von-Ossietzky-Straße 17 – 21, 83043 Bad Aibling, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Müller-Boré & Partner Patentanwälte Partg mbB, Friedenheimer Brücke 21, 80639 München, Deutschland (zugelassener Vertreter)

 

g e g e n

 

Gaugler & Lutz oHG, Habsburgerstraße 12, 73432 Aalen-Ebnat, Deutschland (Anmelderin), vertreten durch Lorenz & Kollegen Patentanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Alte Ulmer Str. 2-4, 89522 Heidenheim, Deutschland (zugelassener Vertreter).

 

Am 05/05/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

 

 

ENTSCHEIDUNG:

 

1.        Dem Widerspruch Nr. B 2 689 365 wird für alle angefochtenen Waren stattgegeben.

 

2.        Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 14 821 714 wird in ihrer Gesamtheit zurückgewiesen.

 

3.        Die Anmelderin trägt die Kosten, die auf 620 EUR festgesetzt werden.

 

 

BEGRÜNDUNG:

 

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren der Unionsmarkenanmeldung Nr. 14 821 714 ein. Der Widerspruch beruht auf der Unionsmarkeneintragung Nr. 12 059 085. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.

 

 

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

 

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

 

 

  1. Die Waren

 

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren:

Klasse 6:        Baumaterialien aus Metall, insbesondere Sandwichplatten und mehrschichtige Aufbauten aus Metall, unedlen Metallen und deren Legierungen, für konstruktive Anwendungen, Bauzwecke, für Fahrzeuge aller Art, Möbel, Schiffsbau, Schienenfahrzeuge, Flugzeuge, Wand- und Deckenverkleidungen.

 

Klasse 19:        Baumaterialien (nicht aus Metall), insbesondere Leichtbauplatten aus Holz, aus Holzersatzstoffen, aus Naturfasern, aus faserverstärkten Kunststoffen und/oder aus Kunststoffen; Schichtstoffplatten (nicht aus Metall), insbesondere für konstruktive Anwendungen, Bauzwecke, für Fahrzeuge aller Art, Möbel, Schiffsbau, Schienenfahrzeuge, Flugzeuge, Wand- und Deckenverkleidungen; Sandwichplatten (nicht aus Metall), insbesondere für konstruktive Anwendungen, Bauzwecke, für Fahrzeuge aller Art, Möbel, Schiffsbau, Schienenfahrzeuge, Flugzeuge, Wand- und Deckenverkleidungen; Platten (nicht aus Metall) für Trennwände, für Seitenwände, für Türen und für Innenverkleidungen, insbesondere für konstruktive Anwendungen, Bauzwecke, für Fahrzeuge aller Art, Möbel, Schiffsbau, Schienenfahrzeuge, Flugzeuge, Wand- und Deckenverkleidungen; alle vorgenannten Waren soweit in Klasse 19 enthalten.

 

Klasse 20:        Waren aus Holz, aus Holzersatzstoffen, aus Naturfasern und/oder aus Kunststoffen, nämlich Formteile, Formstränge, Abdeckungen, Möbel und Möbelteile, alle vorgenannten Waren soweit in Klasse 20 enthalten.

 

Der Widerspruch richtet sich nach Einschränkung der Anmelderin vom 04/07/2016 nunmehr gegen die folgenden Waren:

 

Klasse 19:        Baumaterialien und -elemente, nicht aus Metall; Holz (Baumaterial); Holz für Bauzwecke; Holz für Konstruktionszwecke; Balsaholz, insbesondere für den Leicht- und Sandwichbau; Verstärkungseinlagen aus Kork, insbesondere zum Einsatz in der Bauindustrie, dem Schiffsbau, dem Eisenbahnbau, dem Flugzeugbau, dem Leicht- und Sandwichbau und für Rotorblätter für Windenergieanlagen.

 

Klasse 20:        Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen als Bestandteile von Leichtbauprodukten und Sandwichbauteilen, insbesondere als Stützkern für den Bootsbau, den Automobilbau; Eisenbahnwaggons, Surfbretter, Flugzeugbau, Gebäudebau und für Rotorblätter von Windenergieanlagen.

 

Eine Auslegung des Wortlautes des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses ist erforderlich, um den genauen Umfang der Schutzbereiche dieser Waren und Dienstleistungen zu bestimmen.

 

Aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ im Warenverzeichnis der Anmelderin sowie auch der Widersprechenden ist ersichtlich, dass die genannten Waren lediglich beispielhaft für die in der Kategorie erfassten genannt werden und sich der Schutz nicht auf sie beschränkt. Anders ausgedrückt, dieses Wort leitet eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen ein (siehe Urteil vom 09/04/2003, T-224/01, Nu-Tride, EU:T:2003:107).

 

Das Wort „nämlich“ welches im Warenverzeichnis der Widersprechenden benutzt wird, um die Beziehung der konkreten Waren zur weiter gefassten Kategorie aufzuzeigen, wirkt hingegen ausschließend und beschränkt den Umfang der Eintragung auf die konkret angegebenen Waren und Dienstleistungen.

 

Einleitend ist festzustellen, dass nach Artikel 28 Absatz 7 UMDV Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich oder unähnlich angesehen werden, weil sie in derselben Klasse oder in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen.

 

Zu den relevanten Faktoren im Zusammenhang mit dem Vergleich der Waren oder Dienstleistungen zählen unter anderem die Art und der Zweck der Waren oder Dienstleistungen, die Vertriebswege, die Verkaufsstätten, die Hersteller, die Nutzung und ob sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen.

 

Angefochtene Waren in Klasse 19

 

Die angefochtenen Baumaterialien und -elemente, nicht aus Metall enthalten als weiter gefasste Kategorie die Baumaterialien (nicht aus Metall), insbesondere Leichtbauplatten aus Holz, aus Holzersatzstoffen, aus Naturfasern, aus faserverstärkten Kunststoffen und/oder aus Kunststoffen der Widersprechenden. Da die Widerspruchsabteilung die weit gefasste Kategorie der angefochtenen Waren  nicht von Amts wegen aufgliedern kann, gelten sie als identisch zu den Waren der Widersprechenden.

 

Die angefochtenen Waren Holz (Baumaterial); Holz für Bauzwecke; Holz für Konstruktionszwecke; Balsaholz, insbesondere für den Leicht- und Sandwichbau sind in der weiter gefassten Kategorie der Waren Baumaterialien (nicht aus Metall), insbesondere Leichtbauplatten aus Holz, aus Holzersatzstoffen, aus Naturfasern, aus faserverstärkten Kunststoffen und/oder aus Kunststoffen der Widersprechenden enthalten. Deshalb sind sie identisch.

 

Die angefochtenen Waren Verstärkungseinlagen aus Kork, insbesondere zum Einsatz in der Bauindustrie, dem Schiffsbau, dem Eisenbahnbau, dem Flugzeugbau, dem Leicht- und Sandwichbau und für Rotorblätter für Windenergieanlagen überschneiden sich mit den folgenden Waren Sandwichplatten (nicht aus Metall), insbesondere für konstruktive Anwendungen, Bauzwecke, für Fahrzeuge aller Art, Möbel, Schiffsbau, Schienenfahrzeuge, Flugzeuge, Wand- und Deckenverkleidungen der Widersprechenden. Deshalb sind sie identisch.

 

Angefochtene Waren in Klasse 20

 

Die angefochtenen Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen als Bestandteile von Leichtbauprodukten und Sandwichbauteilen, insbesondere als Stützkern für den Bootsbau, den Automobilbau; Eisenbahnwaggons, Surfbretter, Flugzeugbau, Gebäudebau und für Rotorblätter von Windenergieanlagen stimmen in Zweck (konstruktive Anwendungen), Anbietern und Verbrauchern mit der Waren Sandwichplatten (nicht aus Metall), insbesondere für konstruktive Anwendungen, Bauzwecke, für Fahrzeuge aller Art, Schiffsbau, Schienenfahrzeuge, Flugzeuge in Klasse 19 der Widersprechenden überein. Sie sind daher ähnlich.

 

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

 

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

 

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch und ähnlich befundenen Waren an das breite Publikum sowie auch an Geschäftskunden mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder besonderem beruflichem Fachwissen.

 

Der Aufmerksamkeitsgrad kann in Abhängigkeit der besonderen Art der Waren, der Häufigkeit des Kaufs und ihres Preises von durchschnittlich bis hoch variieren. Im vorliegenden Fall kann der Aufmerksamkeitsgrad durchschnittlich (z.B. für gewisse (günstige) Baumaterialien und –elemente) bis hoch sein (z.B. im Falle der Sandwichbauteile für den Flugzeugbau).

 

 

  1. Die Zeichen

 

 

lisocore

 

LEOcore

 

 

Ältere Marke

 

Angefochtene Marke

 

Das relevante Gebiet ist Europäische Union.

 

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

 

Der einheitliche Charakter der Unionsmarke bedeutet, dass der Verweis auf eine ältere Unionsmarke in Widerspruchsverfahren gegen die Anmeldung zur Eintragung einer Unionsmarke statthaft ist, die den Schutz der ersten Marke beeinträchtigen würde, wenn auch nur in Bezug auf die Wahrnehmung von Verbrauchern in Teilen der Europäischen Union (18/09/2008, C-514/06 P, Armafoam, EU:C:2008:511, § 57). Dies gilt analog für internationale Registrierungen mit Benennung der Europäischen Union. Für die Zurückweisung der angefochtenen Anmeldung ist es daher hinreichend, dass nur für einen Teil des relevanten Publikums der Europäischen Union Verwechslungsgefahr besteht.

 

Beide Marken sind in allen Schreibweisen geschützte Wortmarken. Die ältere Marke besteht aus acht Buchstaben „lisocore“, während die angefochtene Marke aus den sieben Buchstaben „LEOcore“ zusammengesetzt ist.

 

Das gemeinsame Element „core“ sowie auch die restlichen Wortelemente der beiden Marken haben keine Bedeutung in bestimmten Gebieten, zum Beispiel in Ländern, in denen Slowakisch, Bulgarisch, Polnisch gesprochen wird. Somit hält es die Widerspruchsabteilung für angemessen, den Vergleich der Zeichen auf den vorstehend genannten Teil des relevanten Publikums zu richten.

 

Entgegen der Auffassung des Anmelders ist die Widerspruchsabteilung der Ansicht, dass das Wort „core“ nicht zu dem Grundwortschatz der englischen Sprache gehört.

Die Benutzung des englischen Wortes „core“ im Deutschen wie z.B. in zusammengesetzten Ausdrücken „Multi-core-Prozessor“, „Core-Team“, „Core-Voltage“ auf die die Anmelderin hingewiesen hat, bezieht sich auf andere Fachbereiche wie z.B. den IT-Bereich. Wenn diese Wörter in den relevanten Gebieten verstanden werden, dann nur von den Fachleuten in den jeweiligen Bereichen bzw. nur von einem Teil der Fachleute. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der maßgebliche Teil der relevanten Verbraucher in der Slowakei, Bulgarien und Polen mit Englisch als Fremdsprache so gut vertraut ist, dass er die genaue Bedeutung und jegliche Nuancen des Wortes „core“ versteht.

 

Die Anmelderin führt weiter aus, dass das englische Wort „core“ in der Baubranche die Bedeutung „Gusskern“, „Kerndichtung“, „Eisenkern“ hat und dass die Wortverbindungen „core drill“, „core diameter“, „core technology“ in der Baubranche bekannt seien. Jedoch, hat die Anmelderin keine Unterlagen vorgelegt, die diese Behauptungen untermauern könnten. Folglich, ist die Benutzung dieser Wortverbindungen in den relevanten Gebieten nicht nachgewiesen.

 

Angesichts der vorstehenden Erwägungen hat das gemeinsame Element „core“ für das relevante Publikum keine Bedeutung und ist somit kennzeichnungskräftig.

 

Die Marken weisen daher keine Elemente auf, die als eindeutig kennzeichnungskräftiger und dominanterer (stärker visuell ins Auge springend) als andere Elemente erachtet werden können.

 

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf die Buchstabenfolge „l*(*)ocore“ überein. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf den Buchstaben „e“ an zweiter Position in der angefochtene Marke, denen die Buchstaben „is“ in der älteren Marke gegenüber stehen.

 

Die abweichende Groß- bzw. Kleinschreibung ist für die schriftbildliche Ähnlichkeit der Vergleichszeichen ohne Bedeutung, da die bildliche Markenähnlichkeit hinsichtlich der Prüfung der Verwechslungsfähigkeit nicht auf die konkret eingetragene Form der älteren Marke beschränkt ist, sondern sich auf alle abgewandten Gestaltungsformen dieser Wortmarke erstreckt, in denen eine solche im Verkehr üblicherweise gebraucht wird.

 

Die Übereinstimmung in sechs von insgesamt acht Buchstaben der älteren Marke führt in diesem Fall dazu, dass die Zeichen durchschnittlich ähnlich sind.

 

In klanglicher Hinsicht, unabhängig von den unterschiedlichen Ausspracheregeln in verschiedenen Teilen des maßgeblichen Gebiets, stimmt die Aussprache der Zeichen im Klang der Buchstaben „l*(*)ocore“ in den beiden Zeichen überein. Die Aussprache unterscheidet sich lediglich im Klang der Buchstaben „is“ der älteren Marke und im Klang des Buchstabens „e“ des angefochtenen Zeichens. Jedoch, diese unterschiedlichen Buchstaben folgen dem ersten Buchstaben „l“ und werden von den restlichen (identischen) Buchstaben „ocore“ gefolgt. Darüber hinaus, bestehen beide Zeichen aus vier Silben, nämlich [li-so-co-re] und [le-o-co-re], was dazu führt, dass die beiden Marken einen sehr ähnlichen Klangrhythmus und Klangbild aufweisen.

 

Die Zeichen sind daher durchschnittlich ähnlich.

 

In begrifflicher Hinsicht hat keines der beiden Zeichen für das Publikum im relevanten Gebiet eine Bedeutung. Da ein begrifflicher Vergleich nicht möglich ist, beeinflusst der begriffliche Aspekt die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit nicht.

 

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

 

 

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

 

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

 

Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.

 

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.

 

 

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

 

Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt“ (29/09/1998, C-39/97, Canon, EU:C:1998:442, § 17).

 

Verwechslungsgefahr besteht dann, wenn der Verbraucher direkt die einander gegenüberstehenden Marken verwechselt oder wenn der Verbraucher eine Verbindung zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen zieht und annimmt, dass die betreffenden Waren/Dienstleistungen vom gleichen Unternehmen oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.

 

Weiterhin ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung zwei Marken einander ähnlich sind, wenn sie aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte zumindest teilweise übereinstimmen (siehe 25/10/2012, T-552/10, Vital & Fit, EU:T:2012:576, § 42).

 

Die einander gegenüberstehenden Waren sind teilweise identisch und teilweise ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist normal.

 

Die zu vergleichenden Zeichen stimmen in den Buchstaben „l*(*)ocore“, d.h. an ihren Anfängen und Enden, an gleicher Position überein. Die Zeichen weisen somit eine nahezu gleiche Länge auf. Sie unterscheiden sich lediglich in den Buchstaben /e/ und /is/ jeweils im Wortinneren der Zeichen, was zu einer ähnlichen visuellen Wahrnehmung der beiden Zeichen führt. In klanglicher Hinsicht führen die Übereinstimmungen dazu, dass die Zeichen eine identische Silbenanzahl sowie in ihren Anfangs- und Endlauten übereinstimmen. Zudem weist keine der Vergleichsmarken einen eindeutigen Bedeutungsgehalt auf, der es dem Verbraucher erleichtern könnte, die Zeichen begrifflich auseinanderzuhalten.

 

Folglich können die oben genannten Unterschiede nicht die visuellen und klanglichen Übereinstimmungen der Zeichen aufwiegen, zumal bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr von dem Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr die in Frage stehenden Kennzeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines undeutlichen Erinnerungseindrucks gewinnt.

 

Hinzu kommt, dass der Verbraucher im Allgemeinen die Marke als Ganzes wahrnimmt und keine Analyse der einzelnen Bestandteile vornehmen wird. Überdies sind die gegenüberstehenden Marken als Ganzes nicht so kurz, dass die festgestellten Unterschiede sofort ins Auge fallen.

 

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte besteht beim oben angegebenen Teil des Publikums Verwechslungsgefahr. Wie oben in Abschnitt c) dieser Entscheidung erwähnt, ist es für die Zurückweisung der angefochtenen Anmeldung hinreichend, dass nur für einen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise der Europäischen Union Verwechslungsgefahr besteht.

 

Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Aufmerksamkeitsgrad eines Teils des betreffenden Publikums für einige Waren als erhöht zu beurteilen ist, kann dieser Tatbestand an diesem Ergebnis nichts ändern.

 

Denn auch solch ein Publikum hat nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, auch diese Verbraucher müssen sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das ihnen im Gedächtnis geblieben ist, (vgl. 21/11/2013, T- 443/12, ancotel, EU:T:2013:605, § 54 und 22/06/1999, C 342/97, Lloyd Schuhfabrik, EU:C:1999:323, § 26).

 

Die Anmelderin behauptet in ihren Stellungnahmen, dass der Bestandteil „core“ keine Kennzeichnungskraft habe, da es bereits viele Marken für die Waren in Klassen 19 und 20 gebe, die diesen Bestandteil enthalten. Zur Unterstützung dieses Arguments nimmt die Anmelderin Bezug auf mehrere im Register des EUIPO eingetragene Marken wie z.B. SILICORE, LANCORE, GETACORE.

 

Die Widerspruchsabteilung weist jedoch darauf hin, dass die Existenz von mehreren Markeintragungen per se nicht überzeugend ist, da dies nicht notwendigerweise die Marktsituation wiedergibt. Mit anderen Worten, nur auf Grundlage von Registerdaten kann nicht darauf geschlossen werden, dass alle diese Marken auch tatsächlich benutzt wurden. Daraus folgt, dass die eingereichten Nachweise nicht belegen, dass die Verbraucher einer umfassenden Benutzung von Marken, die über den fraglichen Bestandteil „core“ verfügen, ausgesetzt waren und dass sie sich an diese Marken gewöhnt haben. Unter diesen Umständen muss dieser Einwand der Anmelderin zurückgewiesen werden.

 

Die Anmelderin beruft sich weiterhin zur Unterstützung ihrer Bemerkungen auf frühere Entscheidungen des Amtes. Das Amt ist jedoch nicht durch seine früheren Entscheidungen gebunden, da jeder einzelne Fall separat und unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten behandelt werden muss.

 

Das Gericht unterstützt diese Vorgehensweise uneingeschränkt. Es hat festgestellt, dass nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ausschließlich auf der Grundlage der UMV und nicht nach der vorherigen Entscheidungspraxis des EUIPO zu beurteilen ist (30/06/2004, T-281/02, Mehr für Ihr Geld, EU:T:2004:198).

 

Das Amt ist zwar verpflichtet, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts auszuüben, z. B. dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, jedoch muss die Art und Weise der Anwendung dieser Grundsätze mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Außerdem ist zu betonen, dass jeder Fall individuell geprüft werden muss. Das Ergebnis hängt in jedem Einzelfall von besonderen Kriterien ab, die auf die Gegebenheiten dieses Falles anzuwenden sind, beispielsweise den Aussagen, Argumenten und Vorbringen der Beteiligten. Abschließend darf sich eine Partei in Verfahren vor dem Amt nicht auf eine möglicherweise unerlaubte Handlung, die zum Nutzen Dritter begangen wurde, stützen oder diese zu ihrem Vorteil nutzen, um eine identische Entscheidung zu erwirken.

 

Daraus folgt, dass, selbst wenn der Widerspruchsabteilung vorgelegte frühere Entscheidungen dem vorliegenden Fall in gewissem Umfang sachlich ähnlich sind, das Ergebnis anders ausfallen kann.

 

Bezüglich des Urteils des Europäischen Gerichts, 08/07/2015, T-548/12, REDROCK, EU:T:2015:478, ist folgendes zu bemerken. Bei der angefochtenen Marke handelte es sich um folgendes Bildzeichen  während die ältere Marke die Wortmarke „KEYROCK“ war. Das maßgebliche Gebiet war Deutschland und das Gericht bestimmte, dass die maßgeblichen deutschen Verbraucher die Bedeutung der zwei Wörter des englischen Grundwortschatzes „red“ und „rock“, die der Wortbestandteil der älteren Marke bildeten, unmittelbar wahrnähmen während der Bestandteil „rock“ eine schwache Unterscheidungskraft habe, da zumindest ein Teil der von der angefochtenen Marke erfassten Baumaterialien und nahezu alle von den älteren Marken erfassten Waren aus Rohstoffen auf der Basis von Stein hergestellt sind, die, insbesondere in ihrem Naturzustand, von den maßgeblichen Verkehrskreisen leicht mit dem Begriff „rock“, auch im Sinne von „Felsen“ oder „Klippe“, in Verbindung gebracht werden können (siehe § 46 des Urteils). Überdies weisen die ersten Teilen der Marken “KEYROCK” und  wesentliche Unterschiede auf, da der erste und der dritte Buchstabe in der älteren Marke „K“ und „Y“ sind, während es im Falle der angefochtenen Marke die Buchstaben „R“ und „D“ sind. Der gemeinsame Buchstabe „E“ weise in der angefochtenen Marke gegenüber jenem in der älteren Marke bildliche Unterschiede auf, da er auf einer originellen Stilisierung beruhe und dazu beitrage, dass der bildliche Eindruck des Elements „RED“ der angefochtenen Marke und des Elements „KEP“ in der älteren Marke noch weiter auseinanderliege.

 

Daher ist der Widerspruch auf der Grundlage der Unionsmarkeneintragung Nr. 12 059 085 der Widersprechenden begründet. Daraus folgt, dass die angefochtene Marke für alle angefochtenen Waren zurückgewiesen werden muss.

 

 

KOSTEN

 

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

 

Da die Anmelderin die unterliegende Partei ist, trägt sie die Widerspruchsgebühr sowie alle der Widersprechenden in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3, 6 und 7 Buchstabe d Ziffer i UMDV bestehen die der Widersprechenden zu erstattenden Kosten aus der Widerspruchsgebühr und aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

 

 

 

 

Die Widerspruchsabteilung

 

 

Swetlana BRAUN

 

Renata COTTRELL

Sigrid DICKMANNS

 

 

 

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

 

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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