WIDERSPRUCHSABTEILUNG
WIDERSPRUCH Nr. B 2 819 103
Friedrich Scharr KG, Liebknechtstraße 50, 70565 Stuttgart, Deutschland
(Widersprechende), vertreten durch Patentanwälte Ruff, Wilhelm, Beier, Dauster &
Partner mbB, Kronenstr. 30, 70174 Stuttgart, Deutschland (zugelassene Vertreter)
g e g e n
Mitteldeutsche Pellet Vertrieb GmbH, Fuggerstr. 1a, 04158 Leipzig, Deutschland
(Anmelderin).
Am 14/11/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende
ENTSCHEIDUNG:
1. Dem Widerspruch Nr. B 2 819 103 wird für alle angefochtenen Waren
stattgegeben.
2. Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 919 491 wird in ihrer Gesamtheit
zurückgewiesen.
3. Die Anmelderin trägt die Kosten, die auf 620 EUR festgesetzt werden.
Vorbemerkung
Mit Wirkung vom 01.10.2017 wurden die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 und
Verordnung (EG) Nr. 2868/95 aufgehoben und ersetzt durch die Verordnung (EU) Nr.
2017/1001 (kodifizierte Version, die UMV), die Delegierte Verordnung (EU) Nr.
2017/1430 (DVUM) und die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2017/1431 (UMDV),
unbeschadet bestimmter Übergangsvorschriften. Alle Bezugnahmen zu UMV, DVUM
und UMDV der vorliegenden Entscheidung sollen als Bezugnahmen zu den sich
aktuell in Kraft befindlichen Verordnungen verstanden werden, außer wenn
ausdrücklich anders angegeben.
BEGRÜNDUNG:
Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren der
Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 919 491 für die Bildmarke ein, und
zwar gegen alle Waren der Klasse 4. Der Widerspruch beruht auf der deutschen
Markeneintragung Nr. 30 441 226 der Wortmarke „PELLOX“. Die Widersprechende
berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.
VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der
Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten
Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder
gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine
Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der
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Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren
gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen,
die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und
dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante
Publikum.
a) Die Waren
Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren:
Klasse 4: Verbrennungsmaterial aus naturbelassenen gepressten Holzpartikeln.
Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:
Klasse 4: Holzpellets [Brennstoff].
Die angefochtenen Holzpellets [Brennstoff] sind in der weiter gefassten Kategorie
des Verbrennungsmaterials aus naturbelassenen gepressten Holzpartikeln der
Widersprechenden enthalten. Deshalb sind sie identisch.
b) Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad
Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut
informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der
Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art
von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.
Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch befundenen Waren an das breite
Publikum.
Der Aufmerksamkeitsgrad gilt als durchschnittlich.
c) Die Zeichen
PELLOX
Ältere Marke Angefochtene Marke
Das relevante Gebiet ist Deutschland.
„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden
Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck
abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie
unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“
(11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).
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Das angefochtene Zeichen ist eine Bildmarke, die aus dem Wortelement „PELLEX“
in blauen Großbuchstaben und in Standardschrift besteht, an das sich rechts ein
Bildelement in Form dreier grauer Schrägstriche anschließt.
Die ältere Marke ist die in allen Schreibweisen geschützte Wortmarke „PELLOX“.
Das Wort hat für das relevante Publikum keine Bedeutung und ist somit
kennzeichnungskräftig.
Das angefochtene Zeichen besteht aus einem Wortelement, das für das relevante
Publikum keine Bedeutung hat und somit kennzeichnungskräftig ist, sowie einem
weniger kennzeichnungskräftigen Bildelement rein dekorativer Natur. Das
Wortelement ist daher kennzeichnungskräftiger als das Bildelement.
Das angefochtene Zeichen weist kein Element auf, das als dominanter (stärker ins
Auge springend) als andere Elemente gelten könnte.
Grundsätzlich gilt, dass, wenn Zeichen aus Wort- und Bildbestandteilen bestehen,
der Wortbestandteil des Zeichens in der Regel eine stärkere Wirkung auf den
Verbraucher ausübt als der Bildbestandteil. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das
Publikum nicht dazu tendiert, Zeichen zu analysieren, und sich leichter durch ihr
Wortelement als durch ihre Bildelemente auf die fraglichen Zeichen beziehen wird
(14/07/2005, T-312/03, Selenium-Ace, EU:T:2005:289, § 37).
Weiterhin gilt, dass, wenn Verbraucher mit einer Marke konfrontiert werden, sie im
Allgemeinen dazu neigen, sich auf den Anfang eines Zeichens zu konzentrieren. Der
Grund dafür ist, dass das Publikum von links nach rechts lesen wird, wodurch der
linke Teil des Zeichens (der Anfangsteil) derjenige ist, auf den sich die
Aufmerksamkeit des Lesers zuerst richtet.
Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf „PELL*X“ überein. Sie unterscheiden sich
jedoch in Bezug auf den jeweils vorletzten Buchstaben „O“ bzw. „E“. Weiterhin
unterscheiden sie sich in der grafischen Ausgestaltung der angefochten Marke in
Form des farbigen Schriftbildes und der Präsenz des Bildelementes, wobei letzteres
weniger kennzeichnungskräftig ist.
Die Zeichen sind daher stark ähnlich.
In klanglicher Hinsicht stimmt die Aussprache der Zeichen im Klang der
Buchstaben „PELL*X“ in den beiden Zeichen überein. Die Aussprache unterscheidet
sich im Klang der jeweils vorletzten Buchstaben „O“ bzw. „E“.
Die Zeichen sind daher stark ähnlich.
In begrifflicher Hinsicht hat keines der beiden Zeichen für das Publikum im
relevanten Gebiet eine Bedeutung. Da ein begrifflicher Vergleich nicht möglich ist,
beeinflusst der begriffliche Aspekt die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit nicht.
Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde,
wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.
d) Kennzeichnungskraft der älteren Marke
Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der
umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.
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Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund
intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft
verfügt.
Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf
ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke
als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine
Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft
der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.
e) Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung
Die Waren sind identisch und die Zeichen in bildlicher und klanglicher Hinsicht stark
ähnlich.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist von dem Erfahrungssatz
auszugehen, „dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit
bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er
sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis
behalten hat“ (22/06/1999, C-342/97, Lloyd Schuhfabrik, EU:C:1999:323, § 26).
Die ältere Marke ist eine Wortmarke und daher in allen Schreibweisen geschützt,
ungeachtet der Schreibweise in Groß- oder Kleinschreibung. Das angefochtene
Zeichen ist dagegen eine kombinierte Bildmarke mit Bild- und Wortbestandteil. Der
Wortbestandteil des Zeichens übt dabei in der Regel eine stärkere Wirkung auf den
Verbraucher aus als der Bildbestandteil, wie oben unter c) erwähnt. Dies ist
vorliegend umso mehr der Fall, da das Bildelement rein dekorativer Natur ist und
somit weniger kennzeichnungskräftig als der Wortbestandteil ist.
Das Wortelement weist dieselbe Anzahl an Buchstaben wie die ältere Wortmarke auf
und unterscheidet sich von dieser lediglich im vorletzten Buchstaben. Die
verbleibenden Buchstaben sind identisch und treten in derselben Reihenfolge auf, so
dass insbesondere der Anfangsteil in beiden Zeichen gleich ist, der wie bereits
erwähnt eine maßgebliche Rolle spielt.
Weiter gilt, dass „die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse
Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren impliziert,
insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit
gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der
Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren
Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt“ (29/09/1998,
C-39/97, Canon, EU:C:1998:442, § 17). Vorliegend gleicht die Identität der Waren
jegliche Unterschiede zwischen den Zeichen aus.
Demzufolge reichen die Abstände zwischen den Marken nicht aus, um eine
Verwechslungsgefahr zu vermeiden, und es kann nicht ausgeschlossen werden,
dass der Verbraucher direkt die einander gegenüberstehenden Marken verwechselt
oder zumindest eine Verbindung zwischen den einander gegenüberstehenden
Zeichen zieht und annimmt, dass die betreffenden Waren vom gleichen
Unternehmen oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.
Die Anmelderin hat es versäumt, zum Widerspruch Stellung zu nehmen, so dass
etwaige Argumente nicht berücksichtigt werden konnten.
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Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte besteht beim Publikum
Verwechslungsgefahr.
Daher ist der Widerspruch auf der Grundlage der deutschen Markeneintragung
Nr. 30 441 226 der Widersprechenden begründet. Daraus folgt, dass die
angefochtene Marke für alle angefochtenen Waren zurückgewiesen werden muss.
KOSTEN
Gemäß Artikel 109 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende
Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.
Da die Anmelderin die unterliegende Partei ist, trägt sie die Widerspruchsgebühr
sowie alle der Widersprechenden in diesem Verfahren entstandenen Kosten.
Gemäß Artikel 109 Absätze 1 und 7 UMV und Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c
Ziffer i UMDV (ehemals Regel 94 Absätze 3 und 6 und Regel 94 Absatz 7
Buchstabe d Ziffer i UMDV, gültig bis 01/10/2017) bestehen die der
Widersprechenden zu erstattenden Kosten aus der Widerspruchsgebühr und aus
den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze
festzusetzen sind.
Die Widerspruchsabteilung
Sigrid DICKMANNS Konstantinos MITROU Renata COTTRELL
Gemäß Artikel 67 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung
beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 68
UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser
Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der
Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der
Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser
Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst
als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.
Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch
eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Artikel 109
Absatz 8 UMV (ehemals Regel 94 Absatz 4 UMDV, gültig bis 01/10/2017) ist ein
solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung
einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der
Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet
worden ist.