Bio:Vio | Decision 2730086

WIDERSPRUCH Nr. B 2 730 086

SLE Schuh GmbH, Rosenberggasse 36, 8010 Graz, Österreich (Widersprechende), vertreten durch Alexander Stolitzka, Kärntner Ring 12, 1010 Wien, Österreich (zugelassener Vertreter)

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XXXLutz Marken GmbH, Römerstr. 39, 4600 Wels, Österreich (Anmelderin), vertreten durch Braun-Dullaeus Pannen, Platz der Ideen 2, 40476 Düsseldorf, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 01.08.2017ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Dem Widerspruch Nr. B 2 730 086 wird teilweise stattgegeben, und zwar für die folgenden angefochtenen Waren und Dienstleistungen:

Klasse 18:        Aktenmappen; Aktentaschen; Badetaschen; Ausgehtaschen; Bearbeitete oder teilweise bearbeitete Tierhäute oder anderes Leder; Brieftaschen; Clutches [Damenhandtaschen]; Damenhandtaschen; Dosen aus Leder oder Lederpappe; Freizeittaschen; Geldbörsen; Taschen, Brieftaschen und andere Tragebehältnisse; Handtaschen; Kindertragtaschen; Kulturbeutel; Künstlermappen [Taschen]; Künstliches Leder; Leder; Lederimitationen; Lederriemen; Lederschnüre; Rucksäcke; Schuhbeutel für die Reise; Schulranzen; Schultaschen; Täschchen; Turnbeutel.

Klasse 25: Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke; Schuhwaren.  

Klasse 35:        Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzelhandel; Online-Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Herausgabe von Werbetexten; Durchführung von geschäftlichen Veranstaltungen; Veranstaltung von Präsentationen zu Werbezwecken. 

2.        Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 304 314 wird für alle obigen Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen. Sie kann für die restlichen Waren weitergeführt werden.

3.        Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen einige der Waren und Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 304 314 ein, und zwar gegen einige der Waren und Dienstleistungen der Klassen 18 und 35 und alle Waren der Klasse 25. Nach Teilung der Anmeldung am 21/09/2016 richtet sich der Widerspruch nunmehr gegen alle verbleibenden Waren und Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 304 314. Der Widerspruch beruht unter anderem auf der österreichischen Markeneintragung Nr. 278 053. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

Der Widerspruch beruht auf mehr als einer älteren Marke. Aus Gründen der Verfahrensökonomie prüft die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zuerst in Bezug auf die österreichische Markeneintragung Nr. 278 053 der Widersprechenden.

  1. Die Waren und Dienstleistungen

Der Widerspruch basiert nach teilweiser Löschung der Widerspruchsmarke in einem österreichischen Widerspruchsverfahren nunmehr noch auf den folgenden Waren und Dienstleistungen:

Klasse 18: Leder und Lederimitationen, Leder, roh oder teilweise bearbeitet, Ledergurte, Schuhsäcke und Schuhbeutel. 

Klasse 25: Schuhwaren, Stiefel; Pantoffeln; Hausschuhe aus Leder; Slipper.

Klasse 35: Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Herausgabe von Werbetexten; Marketing; Marktforschung; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations); Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Organisation von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Organisation von Modenschauen zu Werbezwecken; Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien, für den Einzelhandel; Schaufensterdekoration; Verfassen von Werbetexten; Verkaufsförderung (Sales promotion) (für Dritte); Vermietung von Verkaufsständen; Vermietung von Werbematerial; Versandwerbung; Verteilung von Warenproben zu Werbezwecken; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Vorführung von Waren für Werbezwecke; Werbung.

Klasse 40: Färben von Leder; Färben von Schuhen; Färben von Stoffen; Färben von Textilien; Gerben von Fellen und Häuten; Lederbearbeitung; Maßanfertigung von Bekleidungsstücken; Pelzbearbeitung; Sattlerarbeiten; Walken von Stoffen; Wasserdichtmachen von Webstoffen; Zurichten von Fellen, Häuten; Zurichten von Pelzen; Zuschneiden von Stoffen. 

Klasse 42: Biologische Forschung; Dienstleistungen eines Chemikers; Dienstleistungen eines Modedesigners; Dienstleistungen eines Verpackungsdesigners; Dienstleistungen von chemischen Labors; Durchführung chemischer Analysen; Forschungs- und Entwicklungsdienste bezüglich neuer Produkte für Dritte; Gestaltung und Unterhalt von Websites für Dritte; Grafikerdienstleistungen; Materialprüfung bei Textilien; Qualitätsprüfung; Umweltschutzforschung; Werkstoffprüfung; wissenschaftliche Forschung; wissenschaftliche Labordienstleistungen. 

Klasse 45: Lizenzvergabe von gewerblichen Schutzrechten.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren und Dienstleistungen:

Klasse 18: Aktenmappen; Aktentaschen; Badetaschen; Ausgehtaschen; Bearbeitete oder teilweise bearbeitete Tierhäute oder anderes Leder; Brieftaschen; Clutches [Damenhandtaschen]; Damenhandtaschen; Dosen aus Leder oder Lederpappe; Einkaufsnetze; Einkaufstaschen; Freizeittaschen; Geldbörsen; Gepäck, Taschen, Brieftaschen und andere Tragebehältnisse; Handkoffer; Handtaschen; Kindertragtaschen; Kulturbeutel; Künstlermappen [Taschen]; Künstliches Leder; Kuriertaschen; Leder; Lederimitationen; Lederriemen; Lederschnüre; Rucksäcke; Schuhbeutel für die Reise; Schulranzen; Schultaschen; Täschchen; Turnbeutel; Wanderrucksäcke.

Klasse 25: Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke; Schuhwaren. 

Klasse 35: Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzelhandel; Online-Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Herausgabe von Werbetexten; Durchführung von geschäftlichen Veranstaltungen; Veranstaltung von Präsentationen zu Werbezwecken. 

Zu den relevanten Faktoren im Zusammenhang mit dem Vergleich der Waren oder Dienstleistungen zählen unter anderem die Art und der Zweck der Waren oder Dienstleistungen, die Vertriebswege, die Verkaufsstätten, die Hersteller, die Nutzung und ob sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen.

Angefochtene Waren in Klasse 18

Leder; Lederimitationen sind identisch in beiden Warenverzeichnissen enthalten (einschließlich Synonyme).

Die angefochtenen Waren Bearbeitete oder teilweise bearbeitete Tierhäute oder anderes Leder überschneiden sich mit den Waren Leder, roh oder teilweise bearbeitet und gelten deshalb als identisch.

Die angefochtenen Waren Künstliches Leder bezeichnen dieselben Waren wie Lederimitationen, die von der Widersprechenden geschützt sind. Diese Waren gelten somit als identisch.

Die angefochtenen Waren Schuhbeutel für die Reise sind in der breiten Kategorie der Waren Schuhbeutel der Widersprechenden enthalten und somit identisch.

Die angefochtenen Lederriemen; Lederschnüre überschneiden sich mit den Waren Ledergurte der Widersprechenden und sind somit identisch.

Die angefochtenen Waren Dosen aus Leder oder Lederpappe sind ähnlich zu den Waren Schuhbeutel der Widersprechenden. Diese Dosen aus Leder können auch für Schuhe gedacht sein. Sie richten sich somit an dieselben Verbraucher, können von denselben Herstellern stammen und über dieselben Vertriebskanäle vertrieben werden.

Die angefochtenen Waren Aktenmappen; Aktentaschen; Badetaschen; Ausgehtaschen; Brieftaschen; Clutches [Damenhandtaschen]; Damenhandtaschen; Freizeittaschen; Geldbörsen; Taschen, Brieftaschen und andere Tragebehältnisse; Handtaschen; Kindertragtaschen; Kulturbeutel; Künstlermappen [Taschen]; Rucksäcke; Schulranzen; Schultaschen; Turnbeutel; Täschchen sind den Schuhwaren der Widersprechenden ähnlich, da sie in Hersteller, Verbraucher und Vertriebskanälen übereinstimmen können. Diese Waren stehen insofern in einem Zusammenhang mit Schuhwaren in Klasse 25, als sie von den Verbrauchern vermutlich als ästhetisch ergänzendes Zubehör zu Schuhwaren betrachtet werden, da sie auf diese Artikel eng abgestimmt sind, von den gleichen oder verbundenen Herstellern vertrieben werden und es für Schuhhersteller nicht ungewöhnlich ist, sie selber zu produzieren und zu vermarkten. Darüber hinaus können diese Waren in denselben Geschäften gekauft werden.

Die weiteren angefochtenen Waren Handkoffer; Gepäck, Kuriertaschen; Wanderrucksäcke; Einkaufsnetze; Einkaufstaschen sind Taschen und Netze, um den Einkauf nach hause zu transportieren oder Gepäck-, Reise- und Kuriertaschen und -koffer. Modische Aspekte spielen hier eine untergeordnete Rolle; zudem müssen diese Taschen und Koffer besonders stabil sein. Die Schuhbeutel und –taschen sowie die Schuhwaren der Widersprechenden werden über andere Vertriebskanäle an unterschiedliche Verbraucher verkauft und sind weder komplementär, noch stehen sie im Wettbewerb. Erst Recht haben diese angefochtenen Waren nichts gemeinsam mit den weiteren Dienstleistungen der Widersprechenden in den Klassen 35, 40, 42 oder 45 bei denen es sich um Werbe-, Beschaffungs- und Marketingdienstleistungen, Färben und Zuschneiden von Stoffen, Forschung- und Designdienstleistungen und juristische Dienstleistungen handelt.  

Angefochtene Waren in Klasse 25

Schuhwaren sind identisch in beiden Warenverzeichnissen enthalten.

Waren der Klasse 25, nämlich Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen, sind in der Art identisch oder einander sehr ähnlich. Sie dienen demselben Zweck, denn sie werden verwendet, um verschiedene Teile des menschlichen Körpers zu bedecken und gegen die Unbilden der Witterung zu schützen. Darüber hinaus sind sie Modeartikel und häufig in denselben Einzelhandelsgeschäften zu finden. Kunden, die auf der Suche nach Kleidungsstücken sind, gehen davon aus, dass in derselben Abteilung oder demselben Geschäft auch Schuhwaren und Kopfbedeckungen angeboten werden, und umgekehrt. Abgesehen davon entwerfen und produzieren viele Hersteller und Designer die genannten Warenarten. Daher sind die angefochtenen Waren Kopfbedeckungen und Bekleidungsstücke den Schuhwaren der Widersprechenden ähnlich.

Angefochtene Dienstleistungen in Klasse 35

Präsentation von Waren in Kommunikations-Medien für den Einzelhandel; Marketing und Verkaufsförderung; Herausgabe von Werbetexten sind identisch in beiden Dienstleistungsverzeichnissen enthalten (einschließlich Synonyme).

Die angefochtenen Dienstleistungen Online-Werbung enthalten als weiter gefasste Kategorie die Dienstleistungen Online-Werbung in einem Computernetzwerk der Widersprechenden. Da die Widerspruchsabteilung die weit gefasste Kategorie der angefochtenen Dienstleistungen nicht von Amts wegen aufgliedern kann, gelten sie als identisch zu den Dienstleistungen der Widersprechenden.

Die angefochtenen Dienstleistungen Veranstaltung von Präsentationen zu Werbezwecken überschneiden sich mit den Dienstleistungen Vorführung von Waren für Werbezwecke der Widersprechenden und gelten somit als identisch.

Die angefochtenen Dienstleistungen Durchführung von geschäftlichen Veranstaltungen sind ähnlich zu den Dienstleistungen Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen der Widersprechenden; sie können von denselben Firmen stammen und sich an dieselben Verbraucher richten; zudem sind die Vertriebskanäle identisch.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch oder ähnlich befundenen Waren und Dienstleistungen an das breite Publikum bzw. an Geschäftskunden mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder besonderem beruflichem Fachwissen.

Der Aufmerksamkeitsgrad kann durchschnittlich bis hoch sein. Dies liegt daran, dass einige Dienstleistungen der Klasse 35 sehr kostenintensiv und zukunftsentscheidend für Firmen sein können und eine höhere Aufmerksamkeit erfordern; als Beispiel seien hier die Dienstleistungen Marketing und Verkaufsförderung genannt.

  1. Die Zeichen

VIOS

Bio:Vio

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist Österreich. 

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Der Bestandteil „bio“ drückt in der deutschen Sprache aus, dass jemand oder etwas mit Natürlichem, Naturgemäßem zu tun hat (http://www.duden.de/rechtschreibung/bio), und ist daher für die alle Waren und Dienstleistungen, für die Identität oder Ähnlichkeit gefunden wurde, ohne Unterscheidungskraft. Bei den Waren der Klassen 18 und 25 liegt dies auf der Hand, denn es wird durch das Wort „bio“ suggeriert, dass die Lederwaren, Taschen und Schuhwaren ohne künstliche Zusatzstoffe hergestellt wurden, sondern auf rein natürliche Art und Weise. Auch für die Dienstleistungen der Klasse 35 ist dieses Wort  ohne Unterscheidungskraft, da Firmen, die nur Geschäftsdienstleistungen anbieten, selbstverständlich auch mehr oder weniger umweltbewusst arbeiten können, indem sie zum Beispiel Solarstrom nutzen oder Werbung nur auf ökologisch unbedenkliche Art und Weise anbieten. Die relevanten Verkehrskreise werden den Begriff in Bezug zu den Dienstleistungen so verstehen, dass diese in besonders umweltfreundlicher Weise erbracht werden. Zum Beispiel durch Verwendung durch umweltfreundliche und entsprechend optimierte Verfahren.  Als Beispiel sei genannt ein Fokus auf Onlinewerbung und das Nichtanbieten von Printwerbung, die erstens gedruckt werden muss und zu den Haushalten mittels Postsendungen geschickt werden muss und danach zu Müll wird.

Der Doppelpunkt in der angefochtenen Marke als simples Satzzeichen kann nicht als betriebliche Herkunftsangabe fungieren und spielt deshalb im Zeichenvergleich eine eher untergeordnete Rolle.  

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf „VIO“ überein. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf den nicht unterscheidungskräftigen Bestandteil „Bio“ in der angefochtenen Marke, dem Doppelpunkt in der angefochtenen Marke und dem weiteren Buchstaben „S“ am Zeichenende der älteren Marke.

Die Zeichen sind daher durchschnittlich ähnlich.

In klanglicher Hinsicht stimmt die Aussprache der Zeichen im Klang der Buchstaben „VIO“ in den beiden Zeichen überein. Die Aussprache unterscheidet sich in den Silben „Bi-Oh“ der angefochtenen Marke, für die es im der älteren Zeichen keine Entsprechung gibt; dieser Markenbestandteil ist weiterhin nicht unterscheidungskräftig. Weiterhin unterscheiden sich die Zeichen in dem Klang des zusätzlichen Buchstabens „S“ am Zeichenende der älteren Marke.  

Die Zeichen sind daher durchschnittlich ähnlich.

Begrifflich hat keines der Zeichen in seiner Gesamtheit eine Bedeutung. Obwohl das Wort „Bio“ in der angefochtenen Marke mit einer Bedeutung in Verbindung gebracht wird, reicht es nicht aus, die Zeichen begrifflich zu differenzieren, da dieses Element nicht kennzeichnungskräftig ist und nicht auf die betriebliche Herkunft der Marken hinweisen kann. Die Aufmerksamkeit des relevanten Publikums wird von den zusätzlichen fantasievollen Wortelementen angezogen, die keine Bedeutung haben.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren und Dienstleistungen. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

Verwechslungsgefahr besteht dann, wenn der Verbraucher direkt die einander gegenüberstehenden Marken verwechselt oder wenn der Verbraucher eine Verbindung zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen zieht und annimmt, dass die betreffenden Waren/Dienstleistungen vom gleichen Unternehmen oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.

Selbst Verbraucher mit einem hohen Maß an Aufmerksamkeit müssen sich auf ihr unvollkommenes Bild von Marken verlassen (21/11/2013, T443/12, ancotel, EU:T:2013:605, § 54).

Die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen sind teilweise identisch, teilweise ähnlich (zu verschiedenen Graden) und teilweise unähnlich.

Die Zeichen sind insoweit ähnlich, als sie in der Buchstabenkombination „VIO“ übereinstimmen. Sie unterscheiden sich in dem nicht unterscheidungskräftigen Wort „BIO“ sowie dem nicht ins Gewicht fallenden Doppelpunkt der angefochtenen Marke sowie in dem zusätzlichen Buchstaben „S“ am Markenende der älteren Marke. Die Unterschiede zwischen den Marken sind nicht ausreichend um Verwechslungsgefahr sicher ausschließen zu können; dies liegt zum einen an dem nicht unterscheidungskräftigen Wort „BIO“ und daran, dass die Buchstabenfolge „VIO(S)“ im Deutschen keinerlei Bedeutung hat und ungewöhnlich ist.

Die Anmelderin argumentiert, dass der Bestandteil „Bio“ für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen voll unterscheidungskräftig ist. Das Amt kann sich dieser Schlussfolgerung nicht anschließen. Bei der Herstellung von Waren, wie zum Beispiel Lederranzen oder Kleidung, kann der Hersteller besonders umweltschonend vorgehen oder er kann Unmengen an giftigen Stoffen verwenden. Der Verbraucher wird in dem Begriff „Bio“ auf einem Rucksack, Ranzen oder einem Pullover keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen, sondern lediglich einen Hinweis auf die Art der Herstellung.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte kommt die Widerspruchsabteilung zu dem Schluss, dass beim Publikum Verwechslungsgefahr besteht; und aus diesem Grund der Widerspruch teilweise auf Grundlage der österreichischen Markeneintragung der Widersprechenden begründet ist.

Aus dem Obigen folgt, dass die angefochtene Marke für die Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen werden muss, bezüglich derer festgestellt wurde, dass sie mit denen der älteren Marke identisch oder ihnen ähnlich sind. Die übrigen angefochtenen Waren sind unähnlich. Da die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 UMV ist, muss der Widerspruch, soweit er sich gegen diese Waren richtet, auf der Grundlage dieses Artikels zurückgewiesen werden.

Die Widersprechende hat ihren Widerspruch auch auf die folgende ältere Marke gestützt:

  • Unionsmarke Nr. 11 283 546 für die Wortmarke VIOS für Waren der Klassen 18 und 25.

Da diese Marke einen engeren Umfang von Waren erfasst, kann das Ergebnis in Bezug auf Waren, für die der Widerspruch bereits zurückgewiesen wurde, kein anderes sein. Verwechslungsgefahr hinsichtlich jener Waren besteht also nicht.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten. Gemäß Artikel 85 Absatz 2 UMV beschließt die Widerspruchsabteilung eine andere Kostenteilung, soweit die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen oder soweit es die Billigkeit erfordert.

Da der Widerspruch nur für Teile der angefochtenen Waren und Dienstleistungen Erfolg hat, sind beide Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterlegen. Daher trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Die Widerspruchsabteilung

Sigrid DICKMANNS

Lars HELBERT

Claudia MARTINI

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

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