ABSOLUTE | Decision 2666645

WIDERSPRUCH Nr. B 2 666 645

The Absolut Company Aktiebolag, 117, 97 Stockholm, Schweden (Widersprechende), vertreten durch Greyhills Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft, Unter den Eichen 93, 12205 Berlin, Deutschland (zugelassener Vertreter)

g e g e n

Davidoff & Cie SA, 2, rue de Rive, 1200 Genf, Schweiz (Inhaberin), vertreten durch Stevens Hewlett & Perkins, 1 St Augustine's Place, Bristol  BS1 4UD,  Vereinigtes Königreich (zugelassener Vertreter).

Am 06/04/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Dem Widerspruch Nr. B 2 666 645 wird für alle angefochtenen Waren stattgegeben.

2.        Der internationalen Registrierung Nr. 1 249 326 wird in ihrer Gesamtheit der Schutz in der Europäischen Union verweigert.

3.        Die Inhaberin trägt die Kosten, die auf 650 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren der die Europäische Union benennenden internationalen Registrierung Nr. 1 249 326 ein. Der Widerspruch beruht auf der Unionsmarkeneintragung Nr. 1 521 681. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe  b UMV und Artikel 8 Absatz 5 UMV.

BEKANNTHEIT – ARTIKEL 8 ABSATZ 5 UMV

Gemäß Artikel 8 Absatz 5 UMV ist auf Widerspruch der Inhaberin einer eingetragenen älteren Marke im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 UMV die angefochtene Marke auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit einer älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist, ungeachtet dessen, ob die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, mit denen identisch oder denen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die eine ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Falle einer älteren Unionsmarke um eine in der Union bekannte Marke und im Falle einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

Demnach sind die in Artikel 8 Absatz 5 UMV genannten Eintragungshindernisse nur unter folgenden Voraussetzungen zutreffend:

  • Die Zeichen müssen entweder identisch oder ähnlich sein.

  • Die Marke der Widersprechenden muss bekannt sein. Die Bekanntheit muss zudem vor der Anmeldung der angefochtenen Marke bestanden haben; sie muss in dem betreffenden Gebiet und im Zusammenhang mit den Waren und/oder Dienstleistungen bestehen, aufgrund derer der Widerspruch eingelegt wurde.

  • Gefahr einer Rechtsverletzung: Die Benutzung der angefochtenen Marke würde die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen.

Die vorgenannten Anforderungen sind kumulativ; ist daher eine der Anforderungen nicht erfüllt, so führt dies zur Zurückweisung des Widerspruchs nach Artikel 8 Absatz 5 UMV (16/12/2010, T-345/08, & T-357/08, Botolist / Botocyl, EU:T:2010:529, § 41). Allerdings ist zu beachten, dass die Einhaltung aller vorgenannten Voraussetzungen unter Umständen nicht ausreicht. So kann der Widerspruch auch dann zurückgewiesen werden, wenn die Inhaberin einen rechtfertigenden Grund für die Benutzung der angefochtenen Marke vorträgt.

Im vorliegenden Fall wurde von der Inhaberin kein rechtfertigender Grund für die Benutzung der angefochtenen Marke geltend gemacht. In Ermangelung anderweitiger Angaben ist daher davon auszugehen, dass kein rechtfertigender Grund besteht.

  1. Die Zeichen

ABSOLUT

ABSOLUTE

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist die Europäische Union.

In schriftbildlicher Hinsicht ist die ältere Marke „ABSOLUT“ in der jüngeren Marke „ABSOLUTE“ vollständig enthalten. Die jüngere Marke „ABSOLUTE“ unterscheidet sich nur durch einen einzigen Buchstaben am Zeichenende und somit nur minimal von der älteren Marke „ABSOLUT“. Wenn Verbraucher mit einer Marke konfrontiert werden, neigen sie im Allgemeinen dazu, sich auf das erste Element eines Zeichens zu konzentrieren. Gerechtfertigt wird dies durch die Tatsache, dass das Publikum von links nach rechts liest, wodurch der linke Teil des Zeichens (der Anfangsteil) derjenige ist, auf den sich die Aufmerksamkeit des Lesers zuerst lenkt. Die Marken sind daher hochgradig ähnlich.

In klanglicher Hinsicht werden beide Marke-n – je nach Sprache – entweder identisch ausgesprochen, oder hochgradig ähnlich; die ältere Marke dreisilbig als /AB-SO-LUT/ und die angefochtene Marke viersilbig als /AB-SO-LU-TE/. Nachdem Unterschiede am Wortende von dem Verkehr nach ständiger Rechtsprechung ohnehin weniger wahrgenommen werden als Unterscheide am wichtigen Wortanfang, werden die beteiligten Verkehrskreisen den marginalen Unterschied in den letzten Silben auch klanglich kaum wahrnehmen. Letztlich sind die Zeichen „ABSOLUT“ und „ABSOLUTE“ klanglich identisch oder hochgradig ähnlich.

In begrifflicher Hinsicht werden beiden Zeichen vom Publikum im relevanten Gebiet als „unbedingt, unangefochten, vollkommen“ wahrgenommen, weil das Wort entweder in dieser Sprache existiert oder als entsprechendes Pendant in einer anderen Sprache verstanden wird. Letztlich sind die Zeichen begrifflich identisch.

In Anbetracht der oben genannten schriftbildlichen, klanglichen und begrifflichen Übereinstimmungen, sind die verglichenen Zeichen mindestens hochgradig ähnlich.

  1. Bekanntheit der älteren Marke

Nach Angaben der Widersprechenden ist die ältere Marke in der Europäischen Union bekannt.

Voraussetzung für die Bekanntheit ist ein Schwellenwert für die Kenntnis der Marke, der nur erreicht wird, wenn die ältere Marke einem wesentlichen Teil des Publikums, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, bekannt ist. Das Publikum, bei dem die ältere Marke Bekanntheit erlangt haben muss, ist dasjenige, das von dieser Marke betroffen ist, also je nach der vermarkteten Ware oder Dienstleistung die breite Öffentlichkeit oder ein spezielleres Publikum.

Im verfahrensgegenständlichen Verfahren wurde die EU am 14/04/2015 in der angegriffenen internationalen Registrierung benannt. Allerdings ist das Prioritätsdatum der angefochtenen Marke der  25/11/2014. Daher musste von der Widersprechenden nachgewiesen werden, dass die Marke, auf die sich der Widerspruch stützt, vor diesem Zeitpunkt in der Europäischen Union Bekanntheit erworben hat. Ferner muss der Nachweis erbracht werden, dass die Bekanntheit für die Waren erworben wurde, in deren Zusammenhang die Bekanntheit von der Widersprechenden geltend gemacht wird, nämlich:

Klasse 33:        Wodka

Um den Bekanntheitsgrad der Marke zu bestimmen, müssen alle relevanten Umstände des Falls berücksichtigt werden, einschließlich des Marktanteils der Marke, der Intensität, der geografischen Ausdehnung und der Dauer ihrer Benutzung sowie des Umfangs der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat.

Am 24/08/2016 reichte die Widersprechende folgende Beweismittel ein:

Anlage 1: Eidesstattliche Versicherung von Frau Gabriella Waldhauser, Leiterin IP (Rechtsangelegenheiten) bei der Absolut Company AB. Es wird unter anderem angegeben:

Die Widersprechende ist wesentlicher Bestandteil der Pernod Ricard Gruppe, einem der weltweit größten Spirituosengroßkonzerne mit über 18.000 Mitarbeitern weltweit und einem umfangreichen Portfolio führender Spirituosen- und Weinmarken. Zudem ist Pernod Ricard weltweit führend in der Premium-Spirituosenindustrie und hat sich in den letzten Jahren zu einem der weltweiten Marktführer in der Premium Wein und Spirituosenindustrie entwickelt.

Der heute bekannte ABSOLUT® VODKA wurde 1979 international auf den Markt gebracht. Im Laufe der folgenden mehr als 35 Jahre ist ABSOLUT® VODKA zu einer der weltweit erfolgreichsten und anerkanntesten Marken aller Zeiten geworden. Die Widersprechende ist Inhaberin von über 3700 Marken weltweit, die aus dem Wort "ABSOLUT" oder Variationen davon bestehen. Sie ist Inhaberin von über 330 Unionsmarken sowie nationalen Marken mit Schutz in den EU-Mitgliedsstaaten, die aus dem Wort „ABSOLUT“ oder Variationen davon bestehen.

Der ABSOLUT® VODKA wird bis zum heutigen Tag in Åhus, Schweden, hergestellt, wo die Widersprechende eine Destillerie mit rund 300 Mitarbeitern betreibt. In Åhus werden täglich um die 500.000 Flaschen ABSOLUT® VODKA produziert, die sodann in den weltweiten Handel gelangen. Vor dem Hintergrund, dass ca. 99 Prozent der gesamten Produktion des ABSOLUT® VODKA außerhalb von Schweden im Ausland verkauft werden, stellt ABSOLUT® VODKA heute das größte und wichtigste Einzelexportprodukt des Königreich Schwedens in der Lebensmittelkategorie dar. 

Zudem hat die Widersprechende im Zeitraum von 2007 bis 2013 86.211.000 Liter (86,21 Millionen Liter) ihres ABSOLUT® VOKDA allein in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Polen und Spanien verkauft und hat damit im gleichen Zeitraum einen Umsatz von 1.690.563.000,00 € (1,69 Milliarden €) erzielt. 

Des Weiteren wird der Premiumwodka ABSOLUT® VODKA der Widersprechenden ständig beworben und stellt einen außerordentlichen geschäftlichen Erfolg dar, der auf den umfangreichen Marketing- und Werbemaßnahmen sowie auf der hohen Qualität des ABSOLUT® VODKA der Widersprechenden beruht. Die jährlichen Werbekosten für die Bewerbung des ABSOLUT® VODKA allein in Deutschland belaufen sich für gewöhnlich auf über 3 Millionen € pro Jahr. Für die Gemeinschaft betragen die jährlichen Werbekosten durchschnittlich über 16.500.000,00 € pro Jahr. Im Zeitraum von 2000 bis 2011 wurden mehr als 28.000.000,00 € allein in Deutschland für die Bewerbung des ABSOLUT® VODKA der Widersprechenden in den Medien ausgegeben. Diese Werbemaßnahmen umfassen beispielsweise gedruckte Werbeanzeigen, Plakatierung, Werbesendungen im TV und Radio und natürlich im Internet.

Die Werbekampagnen von ABSOLUT® VODKA sind weltweit berühmt. Bereits im Jahr 1986 schuf Andy Warhol als erster Künstler ein originales Kunstwerk für die Widersprechende. Seitdem hat die Widersprechende mit tausenden führenden Künstlern und kreativen Köpfen zusammengearbeitet, beispielsweise mit Keith Haring, Damien Hirst, Tom Ford, Jean-Paul Gaultier – und seit kurzem mit Spike Jonze, der Swedish House Mafia und Lady Gaga.

Anlage 2: Teilweise übersetzter Auszug aus „The power 100, The world’s most powerful spirits and wine brands, 2015“ von Intangible Business. Laut „Intangible Business“ erreichte der ABSOLUT® VODKA der Widersprechenden im Jahr 2015 den zweiten Platz bei den „most powerful vodka brands in the world“ [die stärksten Wodkamarken der Welt] und Platz sieben bei den „world’s most powerful spirits & wine brands [die weltweit stärksten Spirituosen- und Weinmarken].

Anlage 3: Teilweise übersetzter Auszug aus „Wikipedia“. Die Widersprechende stellt als Teil der Pernod Ricard Gruppe noch immer ihren berühmten ABSOLUT® VODKA her und vertreibt diesen weltweit. Der Erfolg der Widersprechenden geht bis auf das Jahr 1917 zurück, als das schwedische Staatsmonopol „V&S Vin & Sprit AB“ geschaffen wurde. Die „V&S Vin & Sprit AB“ wurde 2008 für 5,69 Milliarden € von der Pernod Ricard Gruppe übernommen.

Anlage 4: Teilweise übersetzter Auszug aus „The Power 100, The world’s most powerful spirits & wind brands 2007“ [die weltweit stärksten Spirituosen- und Weinmarken] von Intangible Business. Laut „Intangible Business“ erreichte der ABSOLUT® VODKA der Widersprechenden im Jahr 2007 den dritten Platz bei den „MOST POWERFUL VODKA BRANDS IN THE WORLD“ [die stärksten Wodkamarken der Welt] und Platz sieben bei den „WORLD’S MOST POWERFUL SPIRITS & WINE BRANDS [die weltweit stärksten Spirituosen- und Weinmarken].

Anlage 5: Teilweise übersetzter Auszug aus „The Power 100, The world’s most powerful spirits & wind brands 2009“ [die weltweit stärksten Spirituosen- und Weinmarken] von Intangible Business. 2009 schaffte es ABSOLUT® VODKA in der Bewertung von “Intangible Business“ auf Platz zwei der „most powerful vodka brands in the world“ [die stärksten Wodkamarken der Welt] und auf Platz sechs bei den „world’s most powerful spirits & wine brands".

Anlage 6: Teilweise übersetzter Auszug aus „The power 100, The world’s most powerful spirits & wind brands, 2011“ [die weltweit stärksten Spirituosen- und Weinmarken]von Intangible Business. Laut „Intangible Business“ behauptete sich der ABSOLUT® VODKA der Widersprechenden im Jahr 2011 auf dem zweiten Platz bei den „most powerful vodka brands in the world“ [die stärksten Wodkamarken der Welt] und erzielte Platz fünf bei den „world’s most powerful spirits & wine brands“.

Anlage 7: Teilweise übersetzter Auszug aus „The power 100, The world’s most powerful spirits & wind brands, 2013“ [die weltweit stärksten Spirituosen- und Weinmarken] von Intangible Business. 2013 erreichte ABSOLUT® VODKA in der Bewertung von “Intangible Business“ weiterhin Platz zwei bei den „most powerful vodka brands in the world“ [die stärksten Wodkamarken der Welt] und Platz sieben bei den „world’s most powerful spirits & wine brands".

Anlage 8: Teilweise übersetzter Auszug aus der Veröffentlichung “The definitive ranking of the world’s million case spirits” brands 2016“ [Rangliste der Millionenschweren Alkoholmarken“ des “The millionaires’ club”]. In dem aktuellen Ranking des Jahrs 2016 der Veröffentlichung „The millionaires‘ club“, die jährlich die Top 30 Wodkamarken der Welt anhand ihres Produktabsatzes bewertet, nimmt ABSOLUT® VODKA mit einem weltweiten Absatz von 99 Millionen Litern ABSOLUT® (entspricht 11 Mio. 9-Liter cases) den zweiten Patz im Ranking der weltweit bestverkauften Wodkas ein.

Anlage 9: Teilweise übersetzter Auszug aus der Veröffentlichung “The annual report on the world’s most valuable spirits brands” [ Jahresreport der weltweit wertvollsten Alkoholmarken] von Brand Finance (2016). Ausweislich der Veröffentlichung „Brand Finance Spirits 50“, des weltweit führenden Beratungsunternehmens für Markenbewertung und -strategie, welches jährlich die 50 wertvollsten Spirituosenmarken der Welt ermittelt, ist ABSOLUT® VODKA die zweitwertvollste Wodkamarke der Welt hinter „Smirnoff“ und zählt mit einem geschätzten Markenwert von 1,437 Milliarden US$ zu den 10 wertvollsten Spirituosenmarken weltweit.

Anlage 10: Teilweise übersetzter Auszug der Webseite www.ebiquity.com, des unabhängigen Marketing-Analysespezialisten „ebiquity“, dem verschiedene in Deutschland durchgeführte Werbekampagnen zu ABSOLUT® in z.B. Zeitschriften, TV-Sender und Websites zu entnehmen sind.

Anlage 11: Teilweise übersetzter Presseartikel der Webseite  www.fastcompany.com. 2012 arbeitete die Widersprechende mit dem elektronischen Tanzmusiktrio Swedish House Mafia an einem Musikvideo, das unglaublich populär wurde und zwei Jahre später über 41.000.000 (41 Millionen) Aufrufe auf „YouTube“ aufzuweisen hatte.

Anlage 12: Teilweise übersetzter Auszug der Webseite www.absolut.com über die Andy Warhol Limited Edition Flasche.

Anlage 13: Auszug der Webseite www.forbes.com mit einem Artikel vom 09.09.2013 und mit dem Titel dem Titel „Absolut Vodka startet neue Kampagne und bricht mit der Vergangenheit“.

Anlage 14: Auszug der Webseite www.businessinsider.com mit einem Artikel vom 28.12.2013 und mit der Schlagzeile "Die 21 besten Absolut Vodka Druckanzeigen aller Zeiten“. 

Anlage 15: Auszug der Webseite www.nytimes.com mit einem Artikel vom 16./09.2014 und mit dem Titel „Absolut Nods to Warhol’s Nod to Absolut“.

Aufgrund dessen gelangt die Widerspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die ältere Marke in der Europäischen Union im Zusammenhang mit allen Waren für die Bekanntheit geltend gemacht wurde bekannt ist.

Anhand der Beweismittel wird die lange und intensive Benutzung der älteren Marke und deren allgemeine Bekanntheit in dem maßgeblichen Markt deutlich, in dem sie – wie von verschiedenen unabhängigen Quellen bestätigt wird – eine gefestigte Stellung unter den führenden Handelsmarken einnimmt. Die durch die Beweismittel nachgewiesenen Angaben über Verkaufszahlen und Markenwert sowie die verschiedenen Erwähnungen des Erfolgs der Marke in der Presse (ABSOLUT ist einer der weltweit bestverkauften Wodkas) sind untrügliche Anzeichen für den hohen Bekanntheitsgrad der Marke beim maßgeblichen Publikum.

  1. Die gedankliche Verbindung zwischen den Marken

Wie vorstehend gezeigt, genießt die ältere Marke Bekanntheit, und die Zeichen sind hochgradig ähnlich. Um festzustellen, ob die Gefahr einer Rechtsverletzung besteht, muss der Nachweis erbracht werden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise in Anbetracht aller einschlägigen Faktoren eine gedankliche Verbindung (oder Verknüpfung) zwischen den Marken herstellt. Die Notwendigkeit einer solchen „Verbindung“ zwischen den gegenüberstehenden Marken ist in Artikel 8 Absatz 5 UMV nicht ausdrücklich erwähnt, wurde jedoch in den Urteilen vom 23/10/2003, C-408/01, Adidas, EU:C:2003:582, § 29 und 31, und vom 27/11/2008, C-252/07, Intel, EU:C:2008:655, § 66 bestätigt. Es handelt es sich nicht um eine zusätzliche Voraussetzung, sondern ist lediglich Ausdruck der Notwendigkeit, festzustellen, ob die Verbindung, die das Publikum zwischen den Marken herstellen könnte, so beschaffen ist, dass es nach Prüfung aller für den jeweiligen Fall relevanten Faktoren wahrscheinlich zu einer Beeinträchtigung oder unlauteren Ausnutzung kommen wird.

Mögliche relevante Faktoren für die Untersuchung einer „Verbindung“ sind unter anderem (27/11/2008, C-252/07, Intel, EU:C:2008:655, § 42):

        der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Zeichen;

        die Art der Waren und Dienstleistungen, einschließlich des Grades der Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit zwischen diesen Waren und Dienstleistungen, sowie die betreffenden Verkehrskreise;

        das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke;

        der Grad der der älteren Marke innewohnenden oder von ihr durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft;

        das Bestehen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum.

Diese Liste ist nicht erschöpfend und je nach den besonderen Umständen können auch andere Kriterien zum Tragen kommen. Auch kann das Bestehen einer „Verbindung“ auf der Grundlage von nur einigen dieser Kriterien festgestellt werden.

Im vorliegenden Fall ist es wahrscheinlich, dass eine solche Verbindung zwischen den beiden konkurrierenden Zeichen bestehen wird. Erstens ist die Marke "ABSOLUT" so bekannt, dass auch bei den Verbrauchern von Waren der jüngeren Marke bekannt sein muss. Zweitens sind die Zeichen visuell hochgradig ähnlich,  klanglich für ein Teil der Verkehrskreise in der Europäischen Union identisch und begrifflich identisch. Darüber hinaus besitzt das Wort "ABSOLUT" für Wodka eine ursprüngliche Unterscheidungskraft. Drittens werden die angefochtenen Tabakwaren einerseits und der Wodka der Widersprechenden häufig über die gleichen Handelswege vertrieben und werden oft zusammen als „Genussmittel“ konsumiert, beispielsweise in einer Cocktailbar. Darüber hinaus stellt fast jeder wichtiger Hersteller von alkoholhaltigen Spirituosen seinen kommerziellen Kunden (insbesondere Bars, Nachtclubs und Restaurants) mit dem Rauchen in Zusammenhang stehende Merchandisingartikel wie Aschenbecher, Streichhölzer oder Ähnliches zur Verfügung, wie die nachfolgenden von der Widersprechenden eingereichten Screenshots beispielhaft aufzeigen:

  

  

Unter Berücksichtigung und Abwägung aller einschlägigen Faktoren des vorliegenden Falles kommt die Widerspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die jeweiligen Verbraucher bei Begegnung mit der angefochtenen Marke wahrscheinlich eine Verknüpfung mit dem älteren Zeichen, d. h. eine gedankliche „Verbindung“ zwischen den Zeichen herstellen werden. Obschon eine Verbindung zwischen den Zeichen eine notwendige Voraussetzung für die weitere Prüfung darstellt, ob eine Beeinträchtigung oder unlautere Ausnutzung wahrscheinlich ist, berechtigt das Vorhandensein einer solchen Verbindung noch nicht zu der Feststellung, dass möglicherweise eine Form der Schädigung im Sinne von Artikel 8 Absatz 5 UMV vorliegt (26/09/2012, T-301/09, Citigate, EU:T:2012:473, § 96).

  1. Gefahr einer Rechtsverletzung

Die Benutzung der angefochtenen Marke fällt unter die Bestimmungen von Artikel 8 Absatz 5 UMV, wenn zumindest einer der folgenden Sachverhalte zutrifft:

  • durch die Benutzung wird die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausgenutzt;

  • durch die Benutzung wird die Wertschätzung der älteren Marke beeinträchtigt;

  • durch die Benutzung wird die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtigt.

Zwar wird in Widerspruchsverfahren die Frage der Möglichkeit einer Beeinträchtigung und unlauteren Ausnutzung unter Umständen behandelt, doch reicht diese reine Möglichkeit für die Anwendbarkeit von Artikel 8 Absatz 5 UMV nicht aus. Die Inhaberin der älteren Marke ist nicht verpflichtet, eine tatsächliche und gegenwärtige Beeinträchtigung ihrer Marke nachzuweisen; sie muss „Gesichtspunkte anführen, aus denen dem ersten Anschein nach auf die nicht nur hypothetische Gefahr einer künftigen unlauteren Ausnutzung oder Beeinträchtigung geschlossen werden kann“ (06/07/2012, T-60/10, Royal Shakespeare, EU:T:2012:348, § 53).

Die Widersprechende muss daher nachweisen, dass die Beeinträchtigung oder unlautere Ausnutzung in dem Sinne wahrscheinlich ist, dass sie bei gewöhnlichem Lauf der Dinge vorhersehbar ist. Hierzu ist von der Widersprechenden der Nachweis zu erbringen oder zumindest eine schlüssige Argumentation vorzubringen, wobei sie zeigt, worin die Beeinträchtigung oder unlautere Ausnutzung bestehen würde und wie es dazu kommen würde, was zu der Prima-facie-Schlussfolgerung führen könnte, dass ein solches Ereignis bei gewöhnlichem Lauf der Dinge tatsächlich wahrscheinlich ist.

Die Widersprechende macht unter anderen geltend, dass die Benutzung der angefochtenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzen würde.

Der Widerspruch richtet sich gegen folgende Waren der angefochtenen Marke:

Klasse 34:        Tabak, roh oder verarbeitet; Tabakwaren; Tabakersatzstoffe, nicht für medizinische oder Heilzwecke; Zigaretten; elektronische Zigaretten; Flüssigkeiten für elektronische Zigaretten; Raucherartikel, Zigarettenanzünder; Aschenbecher; Streichhölzer.

Wie oben gesehen, wurde festgestellt, dass die ältere Marke Bekanntheit im Zusammenhang mit Wodka (Klasse 33) hat.

Unlautere Ausnutzung (Rufausbeutung)

Unter den Begriff der unlauteren Ausnutzung im Sinne von Artikel 8 Absatz 5 UMV sind alle Fälle zu fassen, in denen eine berühmte Marke eindeutig parasitär ausgebeutet wird oder versucht wird, Vorteil aus ihrem guten Ruf zu ziehen. Es handelt sich somit – anders gesagt – um die Gefahr, dass das Bild der bekannten Marke oder die durch sie vermittelten Merkmale auf die mit der angefochtenen Marke gekennzeichneten Waren übertragen werden, sodass deren Vermarktung durch diese gedankliche Verbindung mit der bekannten älteren Marke erleichtert wird (siehe hierzu (06/07/2012, T-60/10, Royal Shakespeare, EU:T:2012:348, § 48, und 22/03/2007, T-215/03, Vips, EU:T:2007:93, § 40).

Die Widersprechende stützt ihr Vorbringen auf Folgendes:

  • Es besteht ein hohes Risiko,  dass die jüngere IR-Marke „ABSOLUTE“, für die kein entsprechender Werbeaufwand betrieben wurde, von der Bekanntheit und dem besonderen Trend- und Kultimage der „ABSOLUT“ Marke der Widersprechenden parasitär profitiert und in unzulässiger Weise aus ihrer Anziehungskraft und ihrem außerordentlichen Werbewert Nutzen zieht. Infolgedessen erlangt die Inhaberin der jüngeren IR-Marke einen unlauten Vorteil gegenüber der Widersprechenden. Daher wird die Benutzung der angefochtenen IR-Marke „ABSOLUTE“ unweigerlich die Unterscheidungskraft und die besonders hohe Wertschätzung, die der älteren Unionswiderspruchsmarke „ABSOLUT“ zu Teil wird, in unlauterer Weise und ohne rechtfertigenden Grund ausnutzen.

Wie zuvor ausgeführt, stützt die Widersprechende ihren Antrag darauf, dass die angefochtene Marke versucht, Vorteil aus dem guten Ruf der älteren Marke zu ziehen, indem sie in unfairer Weise versucht, von der Anerkennung der älteren Marke zu profitieren, die diese sich durch jahrelange Anstrengungen und jahrelange Investitionen aufgebaut hat.

Unter den Begriff der unlauteren Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke durch die nicht gerechtfertigte Benutzung der angemeldeten Marke schließlich sind alle Fälle zu fassen, in denen eine berühmte Marke eindeutig parasitär ausgebeutet wird oder versucht wird, Vorteil aus ihrem guten Ruf zu ziehen. Es handelt sich somit, anders gesagt, um die Gefahr, dass das Bild der bekannten Marke oder die durch sie vermittelten Merkmale auf die mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren übertragen werden, so dass deren Vermarktung durch diese gedankliche Verbindung mit der bekannten älteren Marke erleichtert wird. (19/06/2008, T-93/06, ‘Mineral Spa’, EU:T:2008:215, § 40; of 22/03/2007, T-215/03, Vips, EU:T:2007:93, § 40; and of 30/01/2008, T-128/06, ‘Camelo’, EU:T:2008:22, § 46).

Im vorliegenden Fall ist es wahrscheinlich, dass die Verwendung des Begriffs „ABSOLUT“ für die angefochtenen Waren die ältere Marke in unlauterer Weise ausnutzen würde im dem Sinne, wie er vom Gericht im vorstehenden Absatz angegeben wurde.  In Anbetracht des unbestrittenen Rufs (Reputation) der Marke “ABSOLUT“, ist es unvermeidlich, dass das Image der bekannten Marke oder des durch sie vermittelten Charakters auf die für unter der angefochtenen Marken angemeldeten Waren übertragen werden, wenn diese unter der angefochtenen Marke vermarktet würden.

In Anbetracht der Übernahme des unterscheidungskräftigen Begriffs „ABSOLUT“ würde das angefochtene Zeichen durch die gedankliche Verknüpfung einen unfairen „Schub“ erfahren, da das Marketing der Waren der Inhaberin durch die Übernahme des Schlüsselbegriffs wesentlich vereinfacht würde. Durch die Anstrengungen der Widersprechenden und nicht aufgrund der Anstrengungen der Inhaberin würde die angefochtene Marke sofort einen hohen Wiedererkennungswert haben.

Daher ergibt sich, dass durch die Assoziationen der bekannten Marke der Widersprechenden in der Europäischen Union mit der angefochtenen Marke, diese für die relevanten Verkehrskreise einfacher zu erinnern ist und das angefochtene Zeichen daher die Unterscheidungskraft der älteren Marke ausnutzen würde. Daher profitiert die angefochtene Marke von der Reputation der älteren Marke.

Aufgrund dessen gelangt die Widerspruchsabteilung zu der Schlussfolgerung, dass die angefochtene Marke wahrscheinlich die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzt.

Sonstige Arten der Rechtsverletzung

Außerdem bringt die Widersprechende vor, dass die Benutzung der angefochtenen Marke die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der älteren Marke beeinträchtigen würde.

Wie weiter oben festgestellt, ist die Existenz der Gefahr einer Rechtsverletzung eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Artikel 8 Absatz 5 UMV und kann drei verschiedene Arten annehmen. Damit ein Widerspruch in dieser Hinsicht begründet ist, reicht es aus, dass lediglich eine dieser Arten der Rechtsverletzung festgestellt wird. Wie oben festgestellt, ist die Widerspruchsabteilung im vorliegenden Fall bereits zu dem Schluss gelangt, dass die Benutzung der angefochtenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzen würde. Hieraus folgt, dass nicht geprüft werden muss, ob weitere Arten der Rechtsverletzung zutreffen.

  1. Schlussfolgerung

In Anbetracht aller oben getroffenen Feststellungen ist der Widerspruch nach Artikel 8 Absatz 5 UMV begründet. Aufgrund dessen ist angefochtene Marke für alle angefochtenen Waren zurückzuweisen.

Da dem Widerspruch nach Artikel 8 Absatz 5 UMV uneingeschränkt stattgegeben wird, ist eine Prüfung der übrigen Gründe und der älteren Rechte, auf die der Widerspruch gestützt wird, nicht erforderlich.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Inhaberin die unterliegende Partei ist, trägt sie die Widerspruchsgebühr sowie alle der Widersprechenden in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3, 6 und 7 Buchstabe d Ziffer i UMDV bestehen die der Widersprechenden zu erstattenden Kosten aus der Widerspruchsgebühr und aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Claudia MARTINI

Adriana VAN ROODEN

Martin EBERL

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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