ADMM AUTOMOTIVE GMBH | Decision 2717810

WIDERSPRUCH Nr. B 2 717 810

Adam Opel AG, Bahnhofsplatz, 65428 Rüsselsheim, Opel Special Vehicles GmbH, Mainzer Straße (Adam Opel AG – M55), 65428 Rüsselsheim, Deutschland (nachfolgend: die Widersprechende), vertreten durch Gleiss Lutz Lautenschlagerstraße 21, 70173 Stuttgart, Deutschland (zugelassener Vertreter)

g e g e n

ADMM Automotive GmbH, Emanuel-Leutze-Straße 21, 40547 Düsseldorf, Deutschland (Anmelderin), vertreten durch Simon Sonnenberg, Sternstr. 67, 40479 Düsseldorf, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 12/06/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Dem Widerspruch Nr. B 2 717 810 wird für alle angefochtenen Waren und Dienstleistungen stattgegeben.

2.        Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 110 976 wird in ihrer Gesamtheit zurückgewiesen.

3.        Die Anmelderin trägt die Kosten, die auf 620 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren und Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 110 976 ein, und zwar gegen alle Waren und Dienstleistungen der Klassen 11, 12 und 37. Der Widerspruch beruht unter anderem auf der deutschen Markeneintragung Nr. 302 009 063 963. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV sowie Artikel 8 Absatz 5 UMV.

BEKANNTHEIT – ARTIKEL 8 ABSATZ 5 UMV

Aus verfahrensökonomischen Gründen prüft die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zunächst in Bezug auf die ältere deutsche Markeneintragung Nr. 302 009 063 963, für welche die Widersprechende Bekanntheit in Deutschland geltend gemacht hat.

Gemäß Artikel 8 Absatz 5 UMV ist auf Widerspruch der Inhaberin einer eingetragenen älteren Marke im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 UMV die angefochtene Marke auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit einer älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist, ungeachtet dessen, ob die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, mit denen identisch oder denen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die eine ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Falle einer älteren Unionsmarke um eine in der Union bekannte Marke und im Falle einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

Demnach sind die in Artikel 8 Absatz 5 UMV genannten Eintragungshindernisse nur unter folgenden Voraussetzungen zutreffend:

  • Die Zeichen müssen entweder identisch oder ähnlich sein.

  • Die Marke der Widersprechenden muss bekannt sein. Die Bekanntheit muss zudem vor der Anmeldung der angefochtenen Marke bestanden haben; sie muss in dem betreffenden Gebiet und im Zusammenhang mit den Waren und/oder Dienstleistungen bestehen, aufgrund derer der Widerspruch eingelegt wurde.

  • Gefahr einer Rechtsverletzung: Die Benutzung der angefochtenen Marke würde die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen.

Die vorgenannten Anforderungen sind kumulativ; ist daher eine der Anforderungen nicht erfüllt, so führt dies zur Zurückweisung des Widerspruchs nach Artikel 8 Absatz 5 UMV (16/12/2010, T-345/08, & T-357/08, Botolist / Botocyl, EU:T:2010:529, § 41). Allerdings ist zu beachten, dass die Einhaltung aller vorgenannten Voraussetzungen unter Umständen nicht ausreicht. So kann der Widerspruch auch dann zurückgewiesen werden, wenn die Inhaberin einen rechtfertigenden Grund für die Benutzung der angefochtenen Marke vorträgt.

Im vorliegenden Fall wurde von der Anmelderin kein rechtfertigender Grund für die Benutzung der angefochtenen Marke geltend gemacht. In Ermangelung anderweitiger Angaben ist daher davon auszugehen, dass kein rechtfertigender Grund besteht.

  1. Die Zeichen

ADAM

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Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist Deutschland.

Die ältere Marke ist die aus vier Buchstaben bestehende Wortmarke „ADAM“. Im Falle von Wortmarken ist das Wort an sich geschützt und nicht seine jeweilige Schreibweise. Mithin ist die Benutzung von Groß- oder Kleinbuchstaben unerheblich.

Die angefochtene Marke ist eine Bildmarke, bestehend aus den Wortelementen „ADMM AUTOMOTIVE GMBH“. Rechts neben den Wortelementen ist ein schmaler Streifen mit den Farben Schwarz-Rot-Gold abgebildet.

Die ältere Marke weist kein Element auf, das als kennzeichnungskräftiger als andere Elemente gelten könnte. Das Wort „ADAM“ wird vom maßgeblichen Publikum als männlicher Vorname verstanden. Da es für die relevanten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend, anspielend oder anderweitig schwach ist, ist es normal kennzeichnungskräftig.

Das Element „ADMM“ ist aufgrund seiner Position und Größe das dominante Element in der angefochtenen Marke. Zudem ist es normal kennzeichnungskräftig, da es keinerlei Bedeutungsgehalt aufweist. Das weitere Wortelement „AUTOMOTIVE“ ist ein englischer Begriff, der jedoch aufgrund der lexikalischen Nähe zur deutschsprachigen Entsprechung Automobil mit einem „Kraftfahrzeug“ semantisch in Verbindung gebracht wird. Daher ist dieser Bestandteil in Bezug auf die verfahrensrelevanten Waren und Dienstleistungen nicht kennzeichnungskräftig. Der weitere Bestandteil „GMBH“ wird als Abkürzung für eine Gesellschaftsform wahrgenommen, nämlich als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Daher ist auch dieser Bestandteil nicht kennzeichnungskräftig. Das Bildelement in Form eines Streifens, welcher die Farben der deutschen Fahne, schwarz-rot-gold, aufweist, ist gleichermaßen in seiner Kennzeichnungskraft geschwächt, da es als Hinweis auf den Ort der Erbringung der Dienstleistungen bzw. auf den Ort der Herstellung der derart gekennzeichneten Waren wahrgenommen wird, nicht jedoch auf die betriebliche Herkunft der Waren und Dienstleistungen.

In schriftbildlicher Hinsicht sind die Zeichen insoweit ähnlich, als sie in der Buchstabenfolge „AD*M“ übereinstimmen. Andererseits unterscheiden sie sich in den Buchstaben „A“ (ältere Marke) bzw. „M“ (angefochtene Marke) an jeweils dritter Position in den Zeichen, sowie in den zusätzlichen Wortelementen „AUTOMOTIVE GMBH“  in der angefochtenen Marke, die jedoch nicht kennzeichnungskräftig sind, und dem nur schwach kennzeichnungskräftigen Bildelement in Form eines in den Farben Schwarz-Rot-Gold abgebildeten Streifens. Ferner ergeben sich Unterschiede aufgrund der starken graphischen Ausgestaltung des übereinstimmenden Buchstabens „A“ am Zeichenanfang der angefochtenen Marke.

Die Zeichen sind visuell daher durchschnittlich ähnlich.

In klanglicher Hinsicht wird die ältere Marke zweisilbig als /A-DAM/ ausgesprochen, während in der angefochtene Marke die jeweiligen Buchstaben des ersten Wortbestandteils einzeln ausgesprochen werden, nämlich als /A-DE-EM-EM-AU-TO-MO-TI-VE-GE-EM-BE-HA/. Die Zeichen sind klanglich deutlich unterschiedlich lang und ergeben einen deutlich unterschiedlichen Klangrhythmus. 

Angesichts des Fehlens jeglicher klanglichen Übereinstimmung zwischen den Zeichen wird festgestellt, dass die Zeichen aus klanglicher Sicht nicht ähnlich sind.

Begrifflich wird auf die zuvor getroffenen Erwägungen bezüglich des semantischen, von den Marken vermittelten Inhalts verwiesen. Die ältere Marke wird mit einem männlichen Vornamen assoziiert, während die angefochtene Marke, obwohl sie als Ganzes gesehen keinerlei Bedeutung im relevanten Gebiet aufweist, mit einer im Automobilsektor tätigen Gesellschaft in Verbindung gebracht wird. Die Farben der deutschen Fahne können zudem als Hinweis darauf aufgefasst werden, dass diese Gesellschaft in Deutschland tätig ist.

Da beide Zeichen begrifflich als unähnlich wahrgenommen werden, sind die Zeichen begrifflich nicht ähnlich.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Bekanntheit der älteren Marke

Nach Angaben der Widersprechenden ist die ältere Marke in Deutschland bekannt.

Voraussetzung für die Bekanntheit ist ein Schwellenwert für die Kenntnis der Marke, der nur erreicht wird, wenn die ältere Marke einem wesentlichen Teil des Publikums, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, bekannt ist. Das Publikum, bei dem die ältere Marke Bekanntheit erlangt haben muss, ist dasjenige, das von dieser Marke betroffen ist, also je nach der vermarkteten Ware oder Dienstleistung die breite Öffentlichkeit oder ein spezielleres Publikum.

Im verfahrensgegenständlichen Verfahren wurde die angefochtene Marke am 15/02/2016 eingereicht. Daher musste von der Widersprechenden nachgewiesen werden, dass die Marke, auf die sich der Widerspruch stützt, vor diesem Zeitpunkt in Deutschland Bekanntheit erworben hat. Ferner muss der Nachweis erbracht werden, dass die Bekanntheit für die Waren erworben wurde, in deren Zusammenhang die Bekanntheit von der Widersprechenden geltend gemacht wird, nämlich für

Klasse 12: Kraftfahrzeuge.        

Klasse 37: Reparaturwesen, nämlich Reparaturdienstleistungen für Kraftfahrzeuge; Wartung von Kraftfahrzeugen.        

Um den Bekanntheitsgrad der Marke zu bestimmen, müssen alle relevanten Umstände des Falls berücksichtigt werden, einschließlich insbesondere des Marktanteils der Marke, der Intensität, der geografischen Ausdehnung und der Dauer ihrer Benutzung sowie des Umfangs der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat.

Am 16/12/2016 reichte die Widersprechende folgende Beweismittel ein:

  • Eidesstattliche Versicherung von Herrn Christopher Hanf, Syndikusanwalt, ausgestellt am 9. Dezember 2016. Darin erklärt dieser an Eides Statt, dass das Fahrzeugmodell „ADAM“ seit März 2013 in Deutschland und seit August 2013 europaweit vertrieben wird. Er gibt ferner den Umfang der unter der Marke „ADAM“ verkauften Fahrzeuge in verkauften Stückzahlen an, die nach den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2016 aufgeschlüsselt sind, wobei jeweils die Gesamtstückzahl für Deutschland und die EU angeben werden. Demnach wurden zwischen 19.515 (im Jahr 2013) und 22.631 (im Jahr 2014) Fahrzeuge in Deutschland verkauft und damit Umsätze zwischen 238.101.213,00 EUR (2013) und 297.688.567,00 EUR (2016) in Deutschland erzielt. Zudem wendete das Unternehmen für die Bewerbung der Marke „ADAM“ für die Jahre 2013 bis 2016 zwischen 5.327.114,00 EUR (2016) und 20.716.911,00 EUR (2013) EUR auf.

  • Screenshots der aktuellen Website der Widersprechenden www.opel.de, ausgedruckt am 19. Oktober 2016 und 16. Juni 2013, mit Abbildungen unterschiedlicher Typen des Fahrzeugmodells „ADAM“.

  • Undatierte deutschsprachige Werbeanzeigen für das Fahrzeugmodell „ADAM“.

  • Undatierte Kopien mit Abbildungen des Fahrzeugmodells „ADAM“ und für dieses Modell erzielte Auszeichnungen. Daraus geht hervor, dass der „ADAM“ Testsieger 2014, 2015 und 2016 in der Kategorie „Minicars“ war. Gedankt wird darin allen Lesern von „auto motor und sport“, die den ADAM gewählt haben. Demnach erhielt das Fahrzeug auch von der AUTO BILD zum dritten Mal den Titel „Wertmeister“ in der Kategorie Kleinstwagen. Auszüge aus www.auto-motor-und-sport.de mit Pressemitteilungen über den Testsieger Opel Adam als „Best Cars 2014“ Minicars, 2015, 2016 sowie aus www.autobild.de: Abbildungen des erstplatzierten Opel Adam Fahrzeugs.

  • Pressemeldungen aus folgenden verschiedenen Zeitungen und Magazinen über das Fahrzeugmodell ADAM:

– Fahrbericht des Opel ADAM in der Zeitschrift ADAC Motorwelt, aus dem Jahr 2012. Die Widersprechende gibt an, dass das Magazin „ADAC Motorwelt“ mit einer verkauften Auflage von über 13 Millionen Exemplaren die auflagenstärkste Zeitschrift in Deutschland ist; Testbericht des ADAC zum Fahrzeugmodell „ADAM“, ausgedruckt am 14/12/2016 von der Website www.adac.de;

– Artikel von der Website der Zeitschrift „AUTO BILD“ vom 14/01/2015 mit der Angabe, dass die Zeitschrift AUTO BILD im 3. Quartal 2016 über eine verkaufte Auflage von 394.848 Exemplaren verfügte;

– Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 11/03/2014 mit dem Titel „Sparbüchse mit Autogas“. Kopie über die Statistiken zur Auflagenstärke der FAZ, die über eine verkaufte Auflage von über 250.000 Exemplaren pro Quartal verfügt;

– Fahrbericht in der Zeitschrift „Top Speed“, datiert 04/2015. Kopie der Auflagenstärke, die bei 26.200 Stück monatlich liegt.

– Mehrere Artikel aus der Zeitschrift „Auto Motor Sport“, datiert 13/11/2014, 19/03/2015 und 15/05/2014. Die Zeitschrift erscheint alle zwei Wochen mit einer Auflagenstärke von 348.016 Stück im dritten Quartal 2016.

– Artikel aus der „Auto Zeitung“ vom 21/10/2015 mit Kopie über die Auflagenstärke. Die Zeitung erscheint alle zwei Wochen und hatte im 3. Quartal 2016 eine Auflagenstärke von 160.850 Exemplaren.

Aufgrund dessen gelangt die Widerspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die ältere Marke in Deutschland im Zusammenhang mit Fahrzeugen bekannt ist.

Wie die Widersprechende vorträgt, wird das Fahrzeugmodell “ADAM“ seit März 2013 in Deutschland und seit August 2013 europaweit vertrieben. Auch wenn dies eine relativ kurze Zeit darstellt, gilt zu berücksichtigen, dass dem Verkehr im Automobilsektor Modellbezeichnungen von Autoherstellern nach bereits sehr kurzer Zeit bekannt sind.

Im vorliegenden Fall konnte insbesondere anhand der eingereichten Artikel aus einschlägigen Zeitschriften, Magazinen und Zeitungen dargelegt werden, dass das Fahrzeugmodell „ADAM“ seit 2014 Testsieger bei folgenden Magazinen der Auto-Fachpresse in der Kategorie „MiniCars“ (Ausgaben 2014, 2015 und 2016) der „auto motor und sport“, in den Jahren 2014, 2015 und 2016 „Wertmeister“ in der Kategorie „Kleinstwagen“ wurde, ferner Sieger in der Kategorie für die beste Design-Neuheit 2015 erhielt. Diese Auszeichnungen werden anhand der von den Lesern abgebebenen Stimmen ermittelt, wobei den Unterlagen zu entnehmen ist, dass beispielsweise an der Leserwahl „Best Cars“ 2016 115.239 Teilnehmer ihre Stimmen abgeben haben. Den angezeigten Dokumenten lässt sich zudem die Auflagenstärke der genannten einschlägigen Zeitschriften und Magazinen entnehmen, woraus der Schluss zu ziehen ist, dass die Widerspruchsmarke „ADAM“ einem großen Publikum bekannt ist.

Insgesamt werden daher anhand der Beweismittel die intensive Benutzung der älteren Marke und deren allgemeine Bekanntheit in dem maßgeblichen Markt deutlich, in dem sie – wie von verschiedenen unabhängigen Quellen bestätigt wird – eine gefestigte Stellung unter den führenden Handelsmarken einnimmt. Die zudem durch die Beweismittel nachgewiesenen Angaben über Verkaufszahlen, und Marketingausgaben sowie insbesondere die verschiedenen Erwähnungen über die zahlreichen Auszeichnungen und des Erfolgs der Marke in der Presse sind untrügliche Anzeigen für den hohen Bekanntheitsgrad der Marke beim maßgeblichen Publikum.

  1. Die gedankliche Verbindung zwischen den Marken

Wie vorstehend gezeigt, genießt die ältere Marke Bekanntheit, und die Zeichen sind zu einem gewissen Grad ähnlich. Um festzustellen, ob die Gefahr einer Rechtsverletzung besteht, muss der Nachweis erbracht werden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise in Anbetracht aller einschlägigen Faktoren eine gedankliche Verbindung (oder Verknüpfung) zwischen den Marken herstellt. Die Notwendigkeit einer solchen „Verbindung“ zwischen den gegenüberstehenden Marken ist in Artikel 8 Absatz 5 UMV nicht ausdrücklich erwähnt, wurde jedoch in den Urteilen vom 23/10/2003, C-408/01, Adidas, EU:C:2003:582, § 29 und 31, und vom 27/11/2008, C-252/07, Intel, EU:C:2008:655, § 66 bestätigt. Es handelt es sich nicht um eine zusätzliche Voraussetzung, sondern ist lediglich Ausdruck der Notwendigkeit, festzustellen, ob die Verbindung, die das Publikum zwischen den Marken herstellen könnte, so beschaffen ist, dass es nach Prüfung aller für den jeweiligen Fall relevanten Faktoren wahrscheinlich zu einer Beeinträchtigung oder unlauteren Ausnutzung kommen wird.

Mögliche relevante Faktoren für die Untersuchung einer „Verbindung“ sind unter anderem (27/11/2008, C-252/07, Intel, EU:C:2008:655, § 42):

        der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Zeichen;

        die Art der Waren und Dienstleistungen, einschließlich des Grades der Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit zwischen diesen Waren und Dienstleistungen, sowie die betreffenden Verkehrskreise;

        das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke;

        der Grad der der älteren Marke innewohnenden oder von ihr durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft;

        das Bestehen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum.

Diese Liste ist nicht erschöpfend und je nach den besonderen Umständen können auch andere Kriterien zum Tragen kommen. Auch kann das Bestehen einer „Verbindung“ auf der Grundlage von nur einigen dieser Kriterien festgestellt werden.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren und Dienstleistungen:

Klasse  11: Blendschutz Verrichtungen für Kraftfahrzeuge; Scheinwerfer für Kraftfahrzeuge; Fahrradleuchten; Lampen für Fahrtrichtungsanzeiger von Kraftfahrzeugen; Leuchten für Kraftfahrzeugen.

Klasse  12: Auto und deren Zubehören, insbesondere Kupplungen, Schnee-, Gleisschutzketten, Anhängerkupplungen, Motorhauben, Chassis, Rückfahrwarngeräte, Achsschenkel, Motoren, Rückspiegel, Karosserien, Stoßstangen, Stoßdämpfer, Bremsbeläge, Autoreifen.

Klasse 37: Wartung und Reparatur von Kraftfahrzeugen.

Im vorliegenden Fall unterscheiden sich die Zeichen in ihren jeweils dritten Buchstaben des dominanten und kennzeichnungskräftigen Wortelements „ADMM“ in der Anmeldemarke sowie in der graphischen Ausgestaltung dieses Elementes. Zudem ergeben sich die Unterschiede aufgrund des zusätzlichen Wortbestandteils „AUTOMOTIVES“, der zwar nicht kennzeichnungskräftig ist, aber dennoch offensichtlich auf den Automobilsektor hinweist. Auch alle weiteren Wort- und Bildbestandteile sind nicht kennzeichnungskräftig und treten daher hinter das dominante und kennzeichnungskräftige Element zurück.

Die ältere Marke genießt für Fahrzeuge eine große Bekanntheit. Diese Waren sind identisch und ähnlich mit den angefochtenen Waren, die neben den Kraftfahrzeugen auch Schutz für deren Zubehörteile begehrt sowie für Leuchten und Scheinwerfer für Fahrräder und Kraftfahrzeuge. Ähnlichkeit besteht gleichfalls zwischen den älteren bekannten Fahrzeugen und den Wartungs- und Reparaturdienstleistungen von Kraftfahrzeugen, da die Autohersteller auch damit einhergehende Reparaturdienstleistungen anbieten.

Im vorliegenden Fall überschneiden sich die Verkehrskreise für diese Waren und Dienstleistungen, da die Waren und Dienstleistungen aus dem gleichen Marktsegment kommen und ein gemeinsames Zielpublikum haben.

Unter Berücksichtigung und Abwägung aller einschlägigen Faktoren des vorliegenden Falles kommt die Widerspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die jeweiligen Verbraucher bei Begegnung mit der angefochtenen Marke wahrscheinlich eine Verknüpfung mit dem älteren Zeichen, d. h. eine gedankliche „Verbindung“ zwischen den Zeichen herstellen werden. Obschon eine Verbindung zwischen den Zeichen eine notwendige Voraussetzung für die weitere Prüfung darstellt, ob eine Beeinträchtigung oder unlautere Ausnutzung wahrscheinlich ist, berechtigt das Vorhandensein einer solchen Verbindung noch nicht zu der Feststellung, dass möglicherweise eine Form der Schädigung im Sinne von Artikel 8 Absatz 5 UMV vorliegt (26/09/2012, T-301/09, Citigate, EU:T:2012:473, § 96).

  1. Gefahr einer Rechtsverletzung

Die Benutzung der angefochtenen Marke fällt unter die Bestimmungen von Artikel 8 Absatz 5 UMV, wenn zumindest einer der folgenden Sachverhalte zutrifft:

  • durch die Benutzung wird die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausgenutzt;

  • durch die Benutzung wird die Wertschätzung der älteren Marke beeinträchtigt;

  • durch die Benutzung wird die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtigt.

Zwar wird in Widerspruchsverfahren die Frage der Möglichkeit einer Beeinträchtigung und unlauteren Ausnutzung unter Umständen behandelt, doch reicht diese reine Möglichkeit für die Anwendbarkeit von Artikel 8 Absatz 5 UMV nicht aus. Die Inhaberin der älteren Marke ist nicht verpflichtet, eine tatsächliche und gegenwärtige Beeinträchtigung ihrer Marke nachzuweisen; sie muss „Gesichtspunkte anführen, aus denen dem ersten Anschein nach auf die nicht nur hypothetische Gefahr einer künftigen unlauteren Ausnutzung oder Beeinträchtigung geschlossen werden kann“ (06/07/2012, T-60/10, Royal Shakespeare, EU:T:2012:348, § 53).

Die Widersprechende muss daher nachweisen, dass die Beeinträchtigung oder unlautere Ausnutzung in dem Sinne wahrscheinlich ist, dass sie bei gewöhnlichem Lauf der Dinge vorhersehbar ist. Hierzu ist von der Widersprechenden der Nachweis zu erbringen oder zumindest eine schlüssige Argumentation vorzubringen, wobei sie zeigt, worin die Beeinträchtigung oder unlautere Ausnutzung bestehen würde und wie es dazu kommen würde, was zu der Prima-facie-Schlussfolgerung führen könnte, dass ein solches Ereignis bei gewöhnlichem Lauf der Dinge tatsächlich wahrscheinlich ist.

Im vorliegenden Fall trägt die Widersprechende Folgendes vor:

  • die angegriffene Markenanmeldung nutzt die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Widerspruchsmarke aus;

  • aufgrund der hohen Bekanntheit der älteren Marke in Deutschland und der EU und der weitgehenden Identität der Waren und Dienstleistungen nutzt die Anmelderin die Anziehungskraft, ihren Ruf und ihr Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung aus.

Mit anderen Worten: Die Widersprechende macht geltend, dass die Benutzung der angefochtenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzen und die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der älteren Marke beeinträchtigen würde.

Bevor das Vorbringen der Widersprechenden geprüft wird, ist daran zu erinnern, dass der Widerspruch gegen die folgenden Waren gerichtet ist:

Klasse  11: Blendschutz Verrichtungen für Kraftfahrzeuge; Scheinwerfer für Kraftfahrzeuge; Fahrradleuchten; Lampen für Fahrtrichtungsanzeiger von Kraftfahrzeugen; Leuchten für Kraftfahrzeugen.

Klasse  12: Auto und deren Zubehören, insbesondere Kupplungen, Schnee-, Gleisschutzketten, Anhängerkupplungen, Motorhauben, Chassis, Rückfahrwarngeräte, Achsschenkel, Motoren, Rückspiegel, Karosserien, Stoßstangen, Stoßdämpfer, Bremsbeläge, Autoreifen.

Klasse 37: Wartung und Reparatur von Kraftfahrzeugen.

Wie oben gesehen, wurde festgestellt, dass die ältere Marke Bekanntheit hat im Zusammenhang mit Fahrzeugen in der Klasse 12.

Unlautere Ausnutzung (Rufausbeutung)

Unter den Begriff der unlauteren Ausnutzung im Sinne von Artikel 8 Absatz 5 GMV sind alle Fälle zu fassen, in denen eine berühmte Marke eindeutig parasitär ausgebeutet wird oder versucht wird, Vorteil aus ihrem guten Ruf zu ziehen. Es handelt sich somit – anders gesagt – um die Gefahr, dass das Bild der bekannten Marke oder die durch sie vermittelten Merkmale auf die mit der angefochtenen Marke gekennzeichneten Waren übertragen werden, sodass deren Vermarktung durch diese gedankliche Verbindung mit der bekannten älteren Marke erleichtert wird (siehe hierzu (06/06/2012, T-60/10, Royal Shakespeare, EU:T:2012:348, § 48, und 22/03/2007, T-215/03, Vips, EU:T:2007:93, § 40).

Die Widersprechende stützt ihr Vorbringen auf Folgendes:

  • Die angefochtene Marke bestehe in ihrem kennzeichnungskräftigen und dominanten Element in drei von vier Buchstaben mit der älteren Marke überein. Vor dem Hintergrund identischer bzw. hochgradig ähnlicher Waren und Dienstleistungen wolle sie so durch die Bezugnahme auf die hochgradig bekannte ältere Marke eine größere Aufmerksamkeit erzielen und den guten Ruf der Widerspruchsmarke ausbeuten.

Nach dem Gerichtshof der Europäischen Union

…(ist) das Vorliegen von Beeinträchtigungen, bei denen es sich um eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke handelt, ist angesichts des Umstands, dass hier das Verbotene im von der Inhaberin der jüngeren Marke aus der älteren Marke gezogenen Vorteil liegt, im Hinblick auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren und Dienstleistungen zu beurteilen, für die die jüngere Marke eingetragen ist.

(27/11/2008, C-252/07, Intel, EU:C:2008:655, § 36.)

Aus den eingereichten Nachweisen geht hervor, dass die ältere Marke „ADAM“ im Zusammenhang mit Fahrzeugen in Deutschland einen hohen Bekanntheitsgrad genießt.

Wie bereits dargelegt, besteht zwischen den angegriffenen Waren und Dienstleistungen und den Waren, für die die ältere Marke Bekanntheit genießt, Identität bzw. Ähnlichkeit. Die Vergleichswaren zielen auf identische Verkehrskreise ab und stammen aus demselben Waren- und Dienstleistungssegment. Aufgrund der Bekanntheit der älteren Marke besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass den Kunden der Waren und Dienstleistungen für die eine gedankliche Verknüpfung vorliegt, die Marke der Widersprechenden bekannt ist.

Aufgrund dessen gelangt die Widerspruchsabteilung zu der Schlussfolgerung, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Benutzung der Anmeldemarke http://prodfnaefi:8071/FileNetImageFacade/viewimage?imageId=125409980&key=343fe1c90a8408037a7746528198250f für diese Waren und Dienstleistungen zu einer unlauteren Ausnutzung der gefestigten Wertschätzung der Marke „ADAM“ führt. Eine solche Benutzung der Anmeldemarke könnte auch den Eindruck erwecken, dass die Anmelderin mit der Widersprechenden verbunden ist oder zu ihr gehört, und so die Vermarktung der von der angefochtenen Marke erfassten Waren erleichtern.

Aufgrund dessen gelangt die Widerspruchsabteilung zu der Schlussfolgerung, dass durch die Benutzung der angefochtenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wird.

Sonstige Arten der Rechtsverletzung

Außerdem bringt die Widersprechende vor, dass die Benutzung der angefochtenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzen würde.

Wie weiter oben festgestellt, ist die Existenz der Gefahr einer Rechtsverletzung eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Artikel 8 Absatz 5 GMV und kann drei verschiedene Arten annehmen. Damit ein Widerspruch in dieser Hinsicht begründet ist, reicht es aus, dass lediglich eine dieser Arten der Rechtsverletzung festgestellt wird. Wie oben festgestellt, ist die Widerspruchsabteilung im vorliegenden Fall bereits zu dem Schluss gelangt, dass die Benutzung der angefochtenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzen würde. Hieraus folgt, dass nicht geprüft werden muss, ob weitere Arten der Rechtsverletzung zutreffen.

  1. Schlussfolgerung

In Anbetracht aller oben getroffenen Feststellungen ist der Widerspruch nach Artikel 8 Absatz 5 UMV begründet. Aufgrund dessen ist angefochtene Marke für alle angefochtenen Waren und Dienstleistungen zurückzuweisen.

Da dem Widerspruch nach Artikel 8 Absatz 5 UMV uneingeschränkt stattgegeben wird, ist eine Prüfung der übrigen Gründe und der älteren Rechte, auf die der Widerspruch gestützt wird, nicht erforderlich.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Anmelderin die unterliegende Partei ist, trägt sie die Widerspruchsgebühr sowie alle der Widersprechenden in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3, 6 und 7 Buchstabe d Ziffer i UMDV bestehen die der Widersprechenden zu erstattenden Kosten aus der Widerspruchsgebühr und aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Konstantinos MITROU

Sigrid DICKMANNS

Claudia MARTINI

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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