WIDERSPRUCH Nr. B 2 489 998
Gruner + Jahr GmbH & Co KG, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Harte-Bavendamm Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 77, 20457 Hamburg, Deutschland (zugelassener Vertreter)
g e g e n
Markus Wiethe, Hermann-Müller-Strasse 12, 49124 Georgsmarienhütte, Deutschland (Anmelder), vertreten durch Ruttensperger Lachnit Trossin Gomoll Patent- und Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Arnulfstrasse 58, 80335 München, Deutschalnd (zugelassener Vertreter).
Am 22/06/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende
ENTSCHEIDUNG:
1. Dem Widerspruch Nr. B 2 489 998 wird teilweise stattgegeben, und zwar für die folgenden angefochtenen Waren und Dienstleistungen:
Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse, insbesondere Druckschriften, Zeitungen, Postkarten, Zeitschriften, Ansichtskarten, Kalender, Bücher, Prospekte, Kataloge, Veröffentlichungen, Magazine, Bulletins, Mitteilungsblätter; Drucke, Poster und Plakate.
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Planung, Durchführung und Abwicklungen von Kunstausstellungen; Betrieb von Museen und Ausstellungen; Museumsdienstleistungen, Ausstellungsdienstleistungen; Planung und Durchführung von Veranstaltungen, Festveranstaltungen, Symposien, Konferenzen, Kongressen, Kolloquien, Schulungen, Versammlungen, Workshops, Vorträgen, audiovisuellen Veranstaltungen und Präsentationen; Herstellung von Ton- und Videoaufnahmen; Dienstleistung einer Foto- und Kunstbibliothek, auch über das Internet; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen auch in elektronischer Form, auch im Internet; Fotografieren; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Kunst; Bereitstellung einer Bibliothek mit themenbezogenen Informationen, Indizes, Datenbanken, Literatur, Artikeln, Zeitschriften, Magazinen, Veröffentlichungen, Texten, Dokumenten, elektronischen Dokumenten, Grafiken, audiovisuellen Informationen, Inhalten und Referenzmaterial, alle in Bezug auf Kunst und online bereitgestellt über eine Computerdatenbank, das Internet, das World Wide Web oder andere weltweite Kommunikationssysteme; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Museen, Ausstellungen, kulturelle Veranstaltungen und Unterhaltung, auch über das Internet; einschließlich Schulung und Ausbildung in Bezug auf Kunstgegenstände und Kunstwerke; Vermietung von Kunstwerken und Kunstgegenständen.
2. Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 12 741 732 wird für alle obigen Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen. Sie kann für die restlichen Dienstleistungen weitergeführt werden:
Klasse 41: Sportliche Aktivitäten.
3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
BEGRÜNDUNG:
Die Widersprechende legte Widerspruch gegen einige Waren und Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 12 741 732 (Bildmarke) ein, und zwar gegen einige Waren der Klasse 16 und gegen alle Dienstleistungen der Klasse 41. Der Widerspruch beruht (nach Einschränkung) auf dem Werktitel „art“ in Deutschland. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 4 UMV.
VORBEMERKUNGEN
Der Widerspruch wurde ursprünglich auch auf die in Deutschland eingetragene Marke Nr. 986 217 (Bildmarke) und die in Deutschland eingetragene Marke Nr. 994 008 (Bildmarke) gestützt. Mit Schreiben vom 19/07/2016 beschränkt die Widersprechende den Widerspruch auf das ältere Werktitelrecht der Bezeichnung „art“.
NICHT EINGETRAGENE MARKE ODER IM GESCHÄFTLICHEN VERKEHR BENUTZTES ANDERES KENNZEICHENRECHT – ARTIKEL 8 ABSATZ 4 UMV
Artikel 8 Absatz 4 UMV besagt, dass auf Widerspruch der Inhaberin einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht der Union oder des Mitgliedstaats:
- Rechte an diesem Kennzeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke, gegebenenfalls vor dem Tag der für die Anmeldung der Unionsmarke in Anspruch genommenen Priorität, erworben worden sind
- dieses Kennzeichen seiner Inhaberin das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.
Die Eintragungshindernisse von Artikel 8 Absatz 4 UMV unterliegen somit den folgenden Anforderungen:
- Das ältere Kennzeichen muss vor der Einreichung der angefochtenen Marke im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt worden sein.
- Die Widersprechende muss nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht vor der Einreichung der angefochtenen Marke Rechte an dem Kennzeichen, auf das der Widerspruch gestützt wird, erworben haben, einschließlich des Rechts, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.
- Die Bedingungen, unter denen die Benutzung einer jüngeren Marke untersagt werden kann, müssen in Bezug auf die angefochtene Marke erfüllt sein.
Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Erfüllt ein Zeichen eine dieser Voraussetzungen nicht, bleibt einem Widerspruch, der auf eine ältere nicht eingetragene Marke oder andere im geschäftlichen Verkehr benutzte Kennzeichenrechte im Sinne von Artikel 8 Absatz 4 UMV gestützt wird, somit der Erfolg versagt.
- Vorherige Benutzung im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung
Die Bedingung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr ist eine konstitutive Voraussetzung, ohne die das betreffende Zeichen keinerlei Schutz gegen die Eintragung einer Unionsmarke genießt, und sie besteht unabhängig von den Voraussetzungen, die das nationale Recht für den Erwerb des ausschließlichen Rechts aufstellt. Überdies muss eine solche Benutzung darauf schließen lassen, dass das betreffende Kennzeichenrecht von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung ist.
Hierzu ist festzustellen, dass die Voraussetzung in Bezug auf die Benutzung eines Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung im geschäftlichen Verkehr nach Artikel 8 Absatz 4 UMV den Zweck verfolgt, Konflikte zwischen den Zeichen zu begrenzen, indem sie verhindert, dass ein älteres Recht, das nicht hinreichend ausgeprägt, d. h. im geschäftlichen Verkehr wichtig und bedeutungsvoll ist, der Eintragung einer neuen Unionsmarke entgegenstehen kann. Die Möglichkeit eines Widerspruchs soll auf Zeichen beschränkt sein, die auf ihrem relevanten Markt tatsächlich und wirklich präsent sind. Um die Eintragung eines neuen Zeichens verhindern zu können, muss das für den Widerspruch geltend gemachte Zeichen tatsächlich in hinreichend bedeutsamer Weise im geschäftlichen Verkehr benutzt werden und eine mehr als lediglich örtliche geografische Schutzausdehnung haben, was bedeutet, dass, wenn das Schutzgebiet dieses Zeichens als nicht örtlich angesehen werden kann, die Benutzung in einem bedeutenden Teil dieses Gebiets erfolgen muss. Bei der Feststellung, ob dies der Fall ist, sind die Dauer und die Intensität der Benutzung dieses Zeichens als unterscheidendes Element für seine Adressaten zu berücksichtigen, bei denen es sich sowohl um Käufer und Verbraucher als auch um Lieferanten und Wettbewerber handelt. In dieser Hinsicht sind insbesondere Benutzungen des Zeichens in der Werbung und in der geschäftlichen Korrespondenz erheblich. Ferner ist die Beurteilung der Voraussetzung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr für jedes Gebiet, in dem das für den Widerspruch geltend gemachte Recht geschützt ist, getrennt vorzunehmen. Schließlich muss die Benutzung des in Frage stehenden Zeichens im geschäftlichen Verkehr vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke dargetan werden (29/03/2011, C-96/09 P, Bud, EU:C:2011:189, § 157, 159, 160, 163 und 166).
Im verfahrensgegenständlichen Verfahren wurde die angefochtene Marke am 28/03/2014 eingereicht. Daher musste die Widersprechende nachweisen, dass das Kennzeichenrecht, auf das der Widerspruch gestützt wird, vor diesem Zeitpunkt in Deutschland im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt wurde. Ferner muss der Nachweis erbracht werden, dass das Zeichen der Widersprechenden im geschäftlichen Verkehr benutzt wurde, nämlich in Bezug auf monatlich erscheinendes Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin), das täglich aktuelle Nachrichten zu den Themen Kunst, Architektur, Design und Kunstmarkt bietet.
Am 11/03/2015 und 28/09/2015 reichte die Widersprechende folgende Beweismittel ein:
- art Cover der Ausgaben Februar 2012 bis Dezember 2014 (Print) und Angebot dieser Ausgaben im Onlineshophop;
- art Ausgabe Februar 2014 – Cover, Inhaltsverzeichnis, Impressum;
- Screenshots des art Online-Kunstportals unter www.art-magazin.de vom 20/01/2014;
- Produktpräsentation des art Kunstmagazins und des art Online-Kunstportals;
- Reichweite des art Online-Kunstmagazins unter www.art-magazin.de in 2014 (Angaben des Verlags; Quellen: IVW und AGOF internet facts);
- Verbreitete Auflage des Kunstmagazins art (Print) pro Ausgabe im Jahresdurchschnitt von 2003 bis 2014 (Quelle: PZ Online / IVW);
- Monatliche Page Impressions und Visits des art Online-Kunstportals unter www.art-magazin.de seit November 2009 (Quelle: PZ Online / IVW Online);
- Quellenangaben von PZ Online;
- Benutzungsbeispiele von ART als Stammbestandteil einer Zeichenserie wie beispielsweise ‚art kompakt“, „art spezial“, „art city guide“, „ART Ausstellungssuche“, „art Card“, „art Shop“, „art Leserreise“ und DuMont ART“.
- Handelsregisterauszug der Widersprechenden, abgerufen vom 01/06/2015;
- Farbausdrucke (vom art Onlineshop) der Cover des Magazins „art“ von der Ausgabe August 2012 bis einschließlich Juli 2015 sowie die Bestellmöglichkeit und Preise in Deutschland;
- Beispielhafte Farbkopien der Coverr (einschließlich Verkaufspreise), der Inhaltsverzeichnisse und der Impressen der Ausgaben April 2012, April 2013 und Februar 2014 des Magazins art;
- Produktpräsentation des Kunstmagazin art auf der Webseite der Widersprechenden www.guj.de, welche das Gründungsjahr 1979 zeigt;
- Aufstellung der verbreiteten und verkauften Auflage des Magazins art pro Ausgabe im Jahresdurchschnitt von 2003 bis 2015 nebst Quellenangaben, vom 06/07/2015.
- Laut der Widersprechenden handelt es sich bei der obigen Aufstellung um die auf www.pz-online.de, einem Service des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), öffentlich abrufbaren Daten, welche von der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) erhoben und veröffentlicht wurden. Die IVW ist eine neutrale und unabhängige Kontrollinstanz. Es handelt sich um die bedeutendste Kontrollinstanz in diesem Segment. Diesbezüglich reicht die Widersprechende einen Wikipediaauszug zur IVW ein.
- Auszüge aus den Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen (AWA) aus den Jahren 2009-2015. Die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen werden jährlich von anerkannten und unabhängigen Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt und veröffentlicht. Diese Studien bestätigen nicht nur die Reichweite und damit das Erscheinen des Magazins art in Deutschland, sondern sie bescheinigen dem Magazin art auch eine außerordentliche hohe Bekanntheit in der deutschen Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren zwischen 16.4% (2009) und 17.7% (2014).
- Eidesstattliche Versicherung von Frau Dauletiar vom 24/09/2015, welche das monatliche und bundesweite Erscheinen des Magazins art seit 1979 sowie die Marktführerschaft im Segment der Kunstmagazine in Deutschland bestätige;
- Eidesstattliche Versicherung von Herrn Dr. Stahmer vom 04/05/2012, welche das monatliche Erscheinen des Magazins art in Deutschland seit 1979, die hohe Auflage und die Entwicklung zu Europas größtem Kunstmagazin bestätige;
- Produktpräsentation des Online-Kunstportals art auf der Webseite der Widersprechenden www.guj.de,
- Screenshots von der Webseite unter www.art-magazin.de vom 06/07/2015, welche die Verwendung des Titels in der Browserliste, auf der Website sowie die Inhalte der Website zeigen;
- Beispielhafte Screenshots aus der Wayback Machine des Internet Archives unter http://archive.org/web. Sie zeigen das Online-Magazin unter www.art-magazin.de aus den Jahren 2007-2013;
- Eine Aufstellung der monatlichen Visits und Page Impressions (PIs) auf das Angebot unter www.art-magazin.de von November 2009 bis Mai 2015;
- Eidesstattliche Versicherung von Herrn Olzien, welche die Benutzung von art als Titel für das online Magazin seit spätestens 2007 und die Verwendung auf der Website und in der Browserzeile bestätigt;
- Urteil des Landgerichts Hamburg vom 04/05/2012 bezüglich art vs ART INVESTOR.
Die Dokumente beweisen, dass der Benutzungsort Deutschland ist. Dies kann abgeleitet werden aus der Sprache der Dokumente (Deutsch) und von den Webseiten www.art-magazin.de sowie www.guj.de. Die Titelblätter zeigen, dass es sich um eine in deutscher Sprache herausgegebene Zeitschrift handelt.
Die Beweismittel datieren von vor dem relevanten Datum.
Die Beweismittel belegen, dass das Zeichen der Widersprechenden im geschäftlichen Verkehr benutzt wurde, nämlich in Bezug auf Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin)
Die eingereichten Unterlagen, namentlich Aufstellung der verbreiteten und verkauften Auflage des Magazins art pro Ausgabe im Jahresdurchschnitt von 2003 bis 2015 auf www.pz-online.de oder Auszüge aus den Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen (AWA) aus den Jahren 2009-2015 liefern der Widerspruchsabteilung ausreichende Angaben über das Handelsvolumen sowie die Dauer und Häufigkeit der Benutzung. Aus den Beweismitteln geht eindeutig hervor, dass der geschäftliche Verkehr der Widersprechenden unter dem betreffenden Zeichen mehr als lediglich örtliche Bedeutung hat, was an den Titelblättern, Screenshots zu erkennen ist.
Der Anmelder wendet ein, dass das Zeichen nicht als „art“, sondern mit weiteren Elementen als „art Das Kunstmagazin“, „art kompakt“ oder „art shop“ benutzt werde.
In den eingereichten Dokumenten erscheint der Werktitel wie folgt:
Es ist festzustellen, dass das Zeichen „art“ wirklich auch mit dem Ausdruck „das Kunstmagazin“ erscheint. Erstens, das Wort „das Kunstmagazin“ hat keine Unterscheidungskraft bezüglich der relevanten Produkte, d. h. Kunstmagazine. Zweitens, der Ausdruck erscheint in wesentlich kleinerer Schrift. Drittens, das Wort „Kunstmagazin“ erscheint oft unter dem Wort „art“, in untergeordneter Position. Viertens, das Wort ist oft nicht in seiner Gesamtheit zu sehen, da die Darstellung auf dem Titelblatt es verdeckt. Somit springt das Wort „art“ wegen ihrer Position, Größe und Darstellung sofort ins Auge und ist dominant. Es sei auch bemerkt, dass es üblich ist, dass Zeitschriften nach Schlagwort bzw. verkürzt benannt werden, beispielsweise die Frankfurter Allgemeine Zeitung wird als FAZ oder Frankfurter Allgemeine benannt. In den Beweismitteln Aufstellung der verbreiteten und verkauften Auflage des Magazins art pro Ausgabe im Jahresdurchschnitt von 2003 bis 2015 auf www.pz-online.de oder Auszüge aus den Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen (AWA) aus den Jahren 2009-2015 erscheint das Werktitel lediglich als „art“, das Magazin wird so identifiziert.
Hinsichtlich der Zeichen „art kompakt“ und „art shop“ sei bemerkt, dass die Unterlagen diesbezüglich selbst von der Widersprechenden eingereicht wurden, um nachzuweisen, dass es sich um eine Zeichenserie handele. Da der Stammbestandteil „Art“ in verschiedenen Magazinernennungen unterschiedlichen thematischen Inhalts erscheine, sei es ein Beweis für eine Zeichenserie.
Des Weiteren weist die Widerspruchsabteilung auf das Urteil des Landgerichts Hamburg 312 O 535/11 vom 08/05/2012 hin. Das EUIPO entscheidet allein auf Grundlage der Verordnung Nr. 207/2009 sowie der einschlägigen Rechtsprechung und ist nicht an Entscheidungen von nationalen Behörden und Gerichten – sogar im gleichartigen Fall – gebunden. Die Entscheidungen sowie das Ergebnis anderer Rechtsprechung sind für den vorliegenden Fall keineswegs bindend. Die Feststellungen der Entscheidungen müssen aber nur deswegen nicht unbedingt außer Acht gelassen werden. Das anwendbare Recht ist im vorliegenden Fall das deutsche Recht, wonach das Landgericht sein Urteil getroffen hat. Im Verfahren handelt es sich um dasselbe Kunstmagazin und zumindest teilweise um dieselben Beweismittel. Das Landesgericht stellte bezüglich desselben Werktitels „art“ folgendes fest:
Die Widerspruchsabteilung ist der Meinung, dass der Werktitel auch als „art“ in Alleinstellung benutzt wurde. Ferner ist das Wort „art“, wegen der oben angeführten Gründe als dominant anzusehen, wenn nicht in Alleinstellung benutzt wird, sondern mit weiteren Wortelementen erscheint.
- Das Kennzeichenrecht nach anwendbarem Recht
Titel von Zeitschriften und anderen Veröffentlichungen sowie ähnliche Kategorien von Werken wie Filme und Fernsehserien fallen nur unter die Bestimmungen von Artikel 8 Absatz 4 UMV, wenn sie nach dem maßgeblichen nationalen Recht als Unternehmenskennzeichen geschützt sind (unabhängig davon, ob sie auch urheberrechtlich geschützt sind, was keine gültige Grundlage für einen Widerspruch gemäß der UMV darstellt).
Im vorliegenden Fall gelten, gemäß dem für das betreffende Zeichen maßgeblichen Recht, § 5 Absätze 3 sowie § 15 Absätze 2 und 3 MarkenG, Untersagungsrecht aus dem nach deutschem Recht geschützten Werktitel „art“.
§ 5 MarkenG („Geschäftliche Bezeichnungen“) bestimmt:
(1) Als geschäftliche Bezeichnungen werden Unternehmenskennzeichen und Werktitel geschützt.
(2) Unternehmenskennzeichen sind Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden. Der besonderen Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs stehen solche Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebs von anderen Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen gleich, die innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs gelten.
(3) Werktitel sind die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken.
Vorliegend hat die Widersprechende nachgewiesen, das Zeichen „art“ als Titel – und somit als Namen – für eine Zeitschrift (einschließlich ihres Onlineauftritts) sowie für Kunstmagazine benutzt zu haben. Bei diesen Waren handelt es sich um Druckschriften im Sinne des § 5 Absatz 3 MarkenG.
Nach ständiger deutscher Rechtsprechung entsteht der Titelschutz für ein Werk im Sinne des § 5 Absatz 3 MarkenG im Prinzip mit der Ingebrauchnahme des Titels (siehe Ströbele/Hacker, MarkenG, Kommentar, § 5 Randnr. 87 mit Nachweisen).
§ 6 Absatz 3 MarkenG („Vorrang und Zeitrang“) lautet:
(1) Ist im Falle des Zusammentreffens von Rechten im Sinne der §§ 4, 5 und 13 nach diesem Gesetz für die Bestimmung des Vorrangs der Rechte ihr Zeitrang maßgeblich, wird der Zeitrang nach den Absätzen 2 und 3 bestimmt.
(2) Für die Bestimmung des Zeitrangs von angemeldeten oder eingetragenen Marken ist der Anmeldetag … oder, falls eine Priorität nach § 34 oder nach § 35 in Anspruch genommen wird, der Prioritätstag maßgeblich.
(3) Für die Bestimmung des Zeitrangs von Rechten im Sinne des § 4 Nr. 2 und 3 und der §§ 5 und 13 ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem das Recht erworben wurde.
(4) Kommt Rechten nach den Absätzen 2 und 3 derselbe Tag als ihr Zeitrang zu, so sind die Rechte gleichrangig und begründen gegeneinander keine Ansprüche.”
Für die Bestimmung des Zeitrangs von Rechten im Sinne des § 4 Nr. 2 und 3 und der §§ 5 und 13 ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem das Recht erworben wurde.
Vorliegend hat die Widersprechende vorgetragen, dass der Titel 1979 in Gebrauch genommen wurde. Sie hat Nachweise für diesen Gebrauch seit 2003 erbracht. Letztgenannter Zeitpunkt ist gemäß § 6 Absatz 3 MarkenG für den Zeitrang entscheidend.
Anderes gilt nur, wenn dem Werktitel die ursprüngliche Unterscheidungskraft fehlt, da in solchen Fällen der Titelschutz erst mit Erlangung der Verkehrsgeltung entsteht (siehe Urteil des BGH vom 01/03/2001, I ZR 211/98, „Tagesschau“). Allerdings sind nach ständiger deutscher Rechtsprechung keine hohen Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Zeitungs- und Zeitschriftentiteln zu stellen (siehe Urteil des BGH vom 16/0761998, I ZR 6/96, „Wheels Magazine“). Dies wird damit begründet, dass auf dem betreffenden Markt „seit jeher Zeitungen und Zeitschriften unter mehr oder weniger farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden“ (siehe Urteil des BGH vom 21/06/2001, I ZR 27/99, „Auto Magazin“).
Nach diesen Kriterien weist der Titel trotz des beschreibenden Charakters des Worts „art“ (siehe dazu bereits Entscheidung vom 17/10/2013, R0877/2012-1, „ART OF FAME / art das Kunstmagazin aus dem Hause Gruner + Jahr“, Randnr. 33 mit Nachweisen sowie unten Randnr. 85-91) das erforderliche Mindestmaß an Individualität auf, welche dem Verkehr eine Unterscheidung von anderen Zeitschriften ermöglicht.
Bei dem geltend gemachten Werktitel „art“ handelt es sich somit gemäß §§ 5 Absatz 3 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 MarkenG um ein älteres nationales Kennzeichenrecht im Sinne des Artikels 8 Absatz 4 UMV.
Untersagungsrecht
§ 15 MarkenG („Ausschließliches Recht des Inhabers einer geschäftlichen Bezeichnung, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzanspruch“) bestimmt unter anderem:
(1) Der Erwerb des Schutzes einer geschäftlichen Bezeichnung gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht.
(2) Dritten ist es untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen.
(3) Handelt es sich bei der geschäftlichen Bezeichnung um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung, so ist es Dritten ferner untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, wenn keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des Absatzes 2 besteht, soweit die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
Die Widersprechende macht geltend, dass sowohl die Voraussetzungen des § 15 Absatz 2 MarkenG (Untersagungsrecht aufgrund von Verwechslungsgefahr) als auch diejenigen des § 15 Absatz 3 MarkenG (Untersagungsrecht aufgrund drohender unlauterer Ausnutzung bzw. Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft bzw. Wertschätzung des bekannten Titels) vorliegend erfüllt sind.
- Das Recht der Widersprechenden gegenüber der angemeldeten UM
- § 15 Absatz 2 MarkenG bestimmt:
“Dritten ist es untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen.” (Hervorhebung hinzugefügt)
Verwechslungsgefahr
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.
Es muss die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die angemeldete Unionsmarke dazu führt, dass das Publikum glaubt, von der Anmelderin anzubietende Waren oder Dienstleistungen seien Waren oder Dienstleistungen der Widersprechenden. Folglich ist zu prüfen, ob nach Abwägung der Wahrscheinlichkeiten die Gefahr besteht, dass eine wesentliche Anzahl von Mitgliedern des relevanten Publikums glaubt, es handele sich um Waren oder Dienstleistungen der Widersprechenden, zum Kauf von Waren der Anmelderin gebracht wird.
Nach ständiger deutscher Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr einer Marke mit einem Werktitel auf die Wechselwirkung von Branchennähe, der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Bezeichnungen sowie auf die Kennzeichnungskraft der älteren Bezeichnung abzustellen.
- Maßgebliche Verkehrskreise
Das ältere Titelrecht besteht in Deutschland. Die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen richten sich sowohl an ein Fachpublikum als auch an die Endverbraucher.
Somit sind vorliegend für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Absatz 2 MarkenG die Wahrnehmung der verständigen und angemessen aufmerksamen allgemeinen Verkehrskreise sowie der erhöhte Aufmerksamkeitsgrad des Fachpublikums in Deutschland maßgeblich.
- Branchennähe
Das ältere Werktitelrecht schützt monatlich erscheinendes Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin), das täglich aktuelle Nachrichten zu den Themen Kunst, Architektur, Design und Kunstmarkt bietet.
Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren und Dienstleistungen:
Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse, insbesondere Druckschriften, Zeitungen, Postkarten, Zeitschriften, Ansichtskarten, Kalender, Bücher, Prospekte, Kataloge, Veröffentlichungen, Magazine, Bulletins, Mitteilungsblätter; Drucke, Poster und Plakate.
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Planung, Durchführung und Abwicklungen von Kunstausstellungen; Betrieb von Museen und Ausstellungen; Museumsdienstleistungen, Ausstellungsdienstleistungen; Planung und Durchführung von Veranstaltungen, Festveranstaltungen, Symposien, Konferenzen, Kongressen, Kolloquien, Schulungen, Versammlungen, Workshops, Vorträgen, audiovisuellen Veranstaltungen und Präsentationen; Herstellung von Ton- und Videoaufnahmen; Dienstleistung einer Foto- und Kunstbibliothek, auch über das Internet; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen auch in elektronischer Form, auch im Internet; Fotografieren; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Kunst; Bereitstellung einer Bibliothek mit themenbezogenen Informationen, Indizes, Datenbanken, Literatur, Artikeln, Zeitschriften, Magazinen, Veröffentlichungen, Texten, Dokumenten, elektronischen Dokumenten, Grafiken, audiovisuellen Informationen, Inhalten und Referenzmaterial, alle in Bezug auf Kunst und online bereitgestellt über eine Computerdatenbank, das Internet, das World Wide Web oder andere weltweite Kommunikationssysteme; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Museen, Ausstellungen, kulturelle Veranstaltungen und Unterhaltung, auch über das Internet; einschließlich Schulung und Ausbildung in Bezug auf Kunstgegenstände und Kunstwerke; Vermietung von Kunstwerken und Kunstgegenständen.
Eine Auslegung des Wortlautes des Warenverzeichnisses ist erforderlich, um den genauen Umfang der Schutzbereiche dieser Waren zu bestimmen.
Aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ im Warenverzeichnis des Anmelders ist ersichtlich, dass die genannten Waren und Dienstleistungen lediglich beispielhaft für die in der Kategorie erfassten genannt werden und sich der Schutz nicht auf sie beschränkt. Anders ausgedrückt, dieses Wort leitet eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen ein (09/04/2003, T-224/01, Nu-Tride, EU:T:2003:107).
Angefochtene Waren in Klasse 16:
Die angefochtenen Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse umfassen die Ware Kunstmagazin (Print) bzw. überschneiden sich, somit besteht eine Identität.
Angefochtene Dienstleistungen in Klasse 41:
Kunstmagazine bzw. Online Kunstmagazine sind für Bildungsdienstleistungen (wie die Durchführung von Kursen, Erbringung von Bildungsmaßnahmen) von wesentlicher Bedeutung. Folglich ergänzen sich diese Waren und Dienstleistungen, da es zur Erbringung von Bildungsdiensten sowohl hilfreich als auch üblich ist solche Druckereierzeugnisse zu verwenden. Die Erbringer der Dienstleistungen, ganz gleich welcher Art von Kurs, geben diese Waren oft an die Teilnehmer als lernbegleitendes Material aus.
Die angefochtenen Dienstleistungen Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen auch in elektronischer Form, auch im Internet fallen unter die Oberkategorie Verlags- und Berichtswesen. Somit besteht eine Branchenidentität zwischen Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin) der Widersprechenden und den angefochtenen Dienstleistungen.
Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen Kunstmagazine bzw. Online Kunstmagazine und kulturellen Aktivitäten bzw. den übrigen kulturellen Dienstleistungen des Anmelders ist eine Branchenidentität oder zumindest eine Branchennähe nicht auszuschließen.
Kunstmagazin (Print); online Kunstportal (online Kunstmagazin) richten sich sowohl an Durchschnittsverbraucher als auch ans Fachpublikum wie Künstler beispielsweise Musikanten, Maler, Kritiker oder Filmmacher. Kunstmagazine dienen nicht nur Bildungs- bzw. erzieherischen Zwecken, sondern auch der Unterhaltung im Bereich Kunst. Die Produkte der Widersprechenden überschneiden sich mit Unterhaltung der Anmeldemarke.
Somit ist eine Branchenidentität oder –ähnlichkeit bezüglich der Dienstleistungen Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Planung, Durchführung und Abwicklungen von Kunstausstellungen; Betrieb von Museen und Ausstellungen; Museumsdienstleistungen, Ausstellungsdienstleistungen; Planung und Durchführung von Veranstaltungen, Festveranstaltungen, Symposien, Konferenzen, Kongressen, Kolloquien, Schulungen, Versammlungen, Workshops, Vorträgen, audiovisuellen Veranstaltungen und Präsentationen; Herstellung von Ton- und Videoaufnahmen; Dienstleistung einer Foto- und Kunstbibliothek, auch über das Internet; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen auch in elektronischer Form, auch im Internet; Fotografieren; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Kunst; Bereitstellung einer Bibliothek mit themenbezogenen Informationen, Indizes, Datenbanken, Literatur, Artikeln, Zeitschriften, Magazinen, Veröffentlichungen, Texten, Dokumenten, elektronischen Dokumenten, Grafiken, audiovisuellen Informationen, Inhalten und Referenzmaterial, alle in Bezug auf Kunst und online bereitgestellt über eine Computerdatenbank, das Internet, das World Wide Web oder andere weltweite Kommunikationssysteme; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Museen, Ausstellungen, kulturelle Veranstaltungen und Unterhaltung, auch über das Internet; einschließlich Schulung und Ausbildung in Bezug auf Kunstgegenstände und Kunstwerke; Vermietung von Kunstwerken und Kunstgegenständen der Anmeldemarke festzustellen.
Dies gilt aber nicht für sportliche Aktivitäten. Im Hinblick auf die relevante Zielgruppe, den gemeinsamen Ursprung, die Vertriebskanäle oder das Ergänzungs- bzw. Wettbewerbsverhältnis ist kein Zusammenhang festzustellen. Somit ist nicht von einer Branchennähe auszugehen.
Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist daher vorliegend von einer Branchenidentität bzw. –nähe bezüglich eines Teils der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen auszugehen.
- Kennzeichnungskräftige und dominante Elemente der Zeichen
Es handelt sich um die folgenden Zeichen:
|
|
Ältere Zeichen |
Angefochtene Marke |
Das relevante Gebiet ist Deutschland.
Der ältere Werktitel erscheint wie oben dargestellt, teilweise das Wort „art“ in Alleinstellung, teilweise mit dem Ausdruck „Das Kunstmagazin“. Wie oben ausgeführt, das Wort „Das Kunstmagazin“ hat einen rein beschreibenden Charakter, somit fehlt ihm die Unterscheidungskraft. Des Weiteren erscheint das Wort „art“ wegen seiner Größe, Position, Farbe im Zeichen dominant. „Das Kunstmagazin“ erscheint in wesentlich kleinerer Schriftart und in untergeordneter Position.
Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass es sich um einen Werktitel und nicht um eine eingetragene Bildmarke handelt. Den Unterlagen ist zu entnehmen, dass das Zeichen seit 1979 für Kunstmagazine als Druckereierzeugnisse und seit spätestens 2009 als Onlinemagazin benutzt wird. Eine unerhebliche Veränderung der Schriftart oder der Farbe, eine leicht veränderte Zeichenordnung sowie das Hinzufügen von branchenüblichen, untergeordneten und rein beschreibenden Zusätzen gehören zu einer Zeichenmodernisierung. Die Widerspruchsabteilung ist der Meinung, dass die vorgenommenen Abwandlungen des Layouts des Magazins im vorliegenden Fall als unerheblich und unschädlich anzusehen sind.
Bei der angefochtenen Marke handelt es sich um eine Bildmarke, die aus der Großbuchstabenfolge „ART“ und Kleinbuchstabenfolge „vergnuegen“ besteht. Die einzelnen Wortelemente sind wegen ihrer Darstellung eindeutig zu erkennen und als solche wahrzunehmen. Wegen der Darstellung (Fettdruck und Großbuchstaben) des Bestandteiles „ART“, ist er auffälliger als das zweite Wortelement „vergnuegen“.
Wie oben erörtert, wird das Wort „ART‘ als Kunst verstanden und das Wort hat einen beschreibenden Charakter. Auch wenn das Wort „vergnuegen“ mit Kleinbuchstaben und statt des Buchstaben „ü“ mit „ue“ geschrieben wird, wird es vom deutschen Publikum ohne Weiteres erkannt und verstanden. Unter dem Wort werden „Spaß, Freude, Lust, Amüsement, angenehmer Zeitvertrieb“ verstanden.
Die Widersprechende macht geltend, dass das Wortelement „Vergnügen“ rein beschreibend sei und ihm jegliche Unterscheidungskraft fehle. Diesbezüglich legt sie eine Liste von deutschen Markenanmeldungen mit dem Bestandteil „Vergnügen“ ein, die wegen beschreibenden Charakters bzw. fehlenden Unterscheidungskraft vom DPMA zurückgewiesen wurden. Es handelt sich in diesen Fällen um die folgenden:
- Wortmarke „Fruchtvergnügen“ für Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere) in Klasse 33;
- Wortmarke „Gartenvergnügen“ für
In Klassen 31, 35 und 44;
- Wortmarke „Super Knallvergnügen“ für Feuerwerkskörper in Klasse 13 und
- Wortmarke „Frühstückvergnügen“ für
in Klassen 29, 30 und 32.
Dagegen argumentiert der Anmelder, dass der Bestandteil „vergnuegen‘ der unterscheidungskräftige Bestand sei. Die Marke „Plaisir“ wurde vom DPMA für nicht unmittelbar beschreibend und für unterscheidungskräftig befunden. Der Anmelder hat die Marke „ARTvergnuegen“ in derselben Form und für dieselben Klassen angemeldet. Diesbezüglich legt er die Informationen des DPMA zur Marke vor.
Des Weiteren wendet der Anmelder ein, dass das Wort „art“ lediglich Merkmale der Produkte bezeichne. Er zitiert der Beschluss des Bundespatentgerichtes 29 W (pat) 171/01 vom 08/01/2003. Die Markenanmeldung 397 52 537 wurde wegen fehlender Unterscheidungskraft bezüglich „Schallplatten, Druckereierzeugnisse, Fotografien, Unterhaltung“ zurückgewiesen.
Wie im Urteil des Landgerichts Hamburg 312 O 535/11 vom 08/05/2012 festgestellt wurde, verfügt der Werktitel über einen Bekanntheitsgrad.
Die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 17/10/2013 R0877/2012-1, „ART OF FAME / art das Kunstmagazin aus dem Hause Gruner + Jahr“ stellt fest, dass der Titel trotz des beschreibenden Charakters des Worts „art“ doch das erforderliche Mindestmaß an Individualität aufweist, welche dem Verkehr eine Unterscheidung von anderen Zeitschriften ermöglicht.
Wie schon betont, ist das EUIPO nicht an Entscheidungen von nationalen Behörden und Gerichten – sogar in gleichartigen Fällen – gebunden. Die Feststellungen der Entscheidungen müssen aber deswegen nicht unbedingt außer Acht gelassen werden.
Die Widerspruchsabteilung ist der Ansicht, dass die Eintragungsfähigkeit einer deutschen Markenanmeldung nicht mit der Benutzung eines Werttitels in Deutschland gleichzusetzen ist. Auch wenn das Zeichen als Marke nicht für schutzfähig befunden wurde, schließt dies nicht aus, dass das Zeichen als Werktiteln die Kriterien nach Artikel 8 Absatz 4 UMV in einem Widerspruchsverfahren erfüllt.
Das Wort „art“ wird von den maßgeblichen Verkehrskreisen in Bezug auf die vom älteren Zeichen geschützten Kunstmagazine (Print und Online) unmittelbar als Hinweis auf den Inhalt der Waren bzw. ihre Eigenschaft (etwa Kunstdrucke) wahrgenommen werden.
Es ist somit festzuhalten, dass das Wort „art“ im älteren Zeichen zwar deutlich wahrnehmbar, aber auch kennzeichnungsschwach ist. Das Zeichen bezieht seine Kennzeichnungskraft in erster Linie aus der grafischen und farblichen Ausgestaltung des Elements „art”.
Die Widersprechende beruft sich vorliegend auf eine durch intensive Benutzung des Zeitschriftentitels erhöhte Kennzeichnungskraft des Worts „art“ in ihrem älteren Werktitel.
Auch wurde bereits festgestellt, dass der ältere Werktitel seine Kennzeichnungskraft in erster Linie aus der grafischen und farblichen Ausgestaltung bezieht.
Nachweise zur Bekanntheit dieses Werktitels wurden erst im vorliegenden Beschwerdeverfahren in Form der Tabelle der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse („AWA“) für die Jahre 2009 und 2015 zur Bekanntheit von etwa 75 verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen sowie von Zeitschriften in der Bevölkerung ab 14 Jahren vorgelegt:
Dies hat auch das Landgericht Hamburg im Urteil 312 O 535/11 vom 04/05/2012 ausgeführt:
Die Widerspruchsabteilung ist der Ansicht, dass der Werktitel das erforderliche Mindestmaß an Individualität aufweist. Somit ist von einer zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen.
Bezüglich der angefochtenen Marke sei festgestellt, dass sie aus den kennzeichnungsschwachen Bestandteilen „ART“ und „vergnuegen“ besteht. Der Bestandteil „ART“ ist rein beschreibend für die relevanten Waren und Dienstleistungen, er weist lediglich auf deren Art bzw. den Inhalt hin. Der Bestandteil „vergnuegen“ bringt zum Ausdruck, dass die angefochtenen Waren und Dienstleistungen Freude vorbereiten und einem amüsanten, angenehmen Zeitvertrieb dienen. Die Wortkombination verweist darauf, dass es sich um Kunst handelt, die auch Unterhaltungszwecken dient. Die Widerspruchsabteilung teilt die Ansicht, dass die Anmeldung wegen der Kombination und Darstellung der Wortelemente ein Mindestgrad an Kennzeichnungskraft erreicht.
Das Argument, dass die Marke „Plaisir“ für Klasse 30 eingetragen wurde, ist im vorliegenden Fall irrelevant, da es sich um einen französischen Begriff handelt und das Schutzgebiet Deutschland ist.
Das weitere Argument, dass der Anmelder die Marke beim DPMA angemeldet hat, ist auch irrelevant. Von der Prüfungsstelle wurde das Zeichen in seiner Gesamtheit für eintragungsfähig befunden, wie von EUIPO. Dies kann aber nicht zur Schlussfolgerung, dass das Wortelement „vergnuegen“ im Zeichen kennzeichnungskräftiger als „ART“ zu beurteilen ist.
- Vergleich der Zeichen
Aus verfahrensökonomischen Gründen prüft die Widerspruchsabteilung die Zeichen „art“ in Alleinstellung der angefochtenen Marke entgegen.
Bildlich stimmen die Zeichen insoweit überein, dass beide über die Buchstabenfolge „a-r-t“ bzw. „A-R-T“ verfügen. Das Wort erscheint im Werktitel in dicken Kleinbuchstaben in Rot oder Weiß. Dagegen sind die Buchstaben in der Anmeldemarke in dicken Großbuchstaben geschrieben und das weitere Wortelement, das weniger auffällig ist, in Kleinbuchstaben. Die Zeichen sind daher kaum ähnlich.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Zeichen im Klang der Buchstaben „ART“ überein und unterscheiden sich in ‚vergnuegen“ der angefochtenen Marke. Die Zeichen sind daher kaum ähnlich.
Beim begrifflichen Vergleich wird auf die Entscheidungen der Beschwerdekammer R0877/2012-1 vom 17/10/2013, R-0261/2013-1 vom 23/10/2013 sowie R0181/2011-1 vom 12/01/2011 verwiesen. In den zitierten Entscheidungen wurde festgestellt, dass das Wort „art“ von dem hier angesprochenen, verständigen und angemessenen aufmerksamen allgemeinen Verkehrskreisen in Deutschland unmittelbar als „Kunst“ verstanden wird. Es handelt sich nämlich um eine allgemein bekannte Tatsache, dass der englische Begriff „art“ („Kunst“) zu englischen Grundwortschatz gehört, welcher dem deutschen Verbraucher auch geläufig ist. Auch ist dieser Begriff nicht nur dem speziell an der Kunst interessierten Publikum bekannt. Dies belegen die folgenden Wörterbucheinträge aus dem DUDEN Online:
Somit sind die Vergleichszeichen mit dem Konzept von „Kunst“ verbunden. Das Wortelement „vergnuegen“ wird vom deutschen Publikum trotz der Schreibweise ohne Weiteres verstanden und mit „Spaß, Freude, Lust“ in Verbindung gebracht.
- Schlussfolgerung
Zwischen den Waren und einem Teil der Dienstleistungen der angefochtenen Marke sowie den Produkten der Widersprechenden wurden Branchenidentität bzw. zumindest Branchennähe festgestellt. Im vorliegenden Fall richten sich die Vergleichswaren und –dienstleistungen sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch ans Fachpublikum im Bereich Kunst.
Die Vergleichszeichen sind in klanglicher und begrifflicher Hinsicht insoweit ähnlich, dass sie das gemeinsame Wortelement „art“ enthalten. Das Wort „art“ ist kennzeichnungsschwach bezüglich der Kunstmagazine (Print und Online) der Widersprechenden. Der Werktitel weist lediglich auf den thematischen Inhalt der Produkte hin, jedoch ist wegen der Benutzung und die Ausgestaltung des Zeichens von einer zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. Dies gilt auch für die angefochtene Marke. „ARTvergnuegen“, wobei sowohl „ART“ als auch „vergnuegen“ hinsichtlich der angefochtenen Waren und Dienstleistungen kennzeichnungsschwach sind. Wegen der grafischen Ausgestaltung der Marke, erreicht das Zeichen jedoch das erforderliche Mindestmaß an Kennzeichnungskraft. Auch wenn die Vergleichszeichen in Bezug auf das schwache Wortelement „vergnuegen“ voneinander zu trennen sind, überwiegen Überschneidungen die Unterschiede. Die Verbraucher können davon ausgehen, dass es sich lediglich um eine andere, neue Produktlinie der Zeitschrift „art“ handelt und die Waren und Dienstleistungen von demselben Unternehmen stammen. „Vergnuegen“ kann auf Unterhaltungsprogramme, Freizeitaktivitäten oder eine Art Wochenendmagazin der Zeitschrift „art“ hinweisen. Damit ist eine Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen.
Zwischenergebnis
Unter Abwägung aller obigen Ausführungen gelangt die Widerspruchsabteilung zu der Feststellung, dass der Widerspruch aufgrund des älteren Zeichens „art“ der Widersprechenden begründet ist. Daraus folgt, dass die angefochtene Marke für einen Teil der angefochtenen Waren und Dienstleistungen zurückzuweisen ist, nämlich für:
Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse, insbesondere Druckschriften, Zeitungen, Postkarten, Zeitschriften, Ansichtskarten, Kalender, Bücher, Prospekte, Kataloge, Veröffentlichungen, Magazine, Bulletins, Mitteilungsblätter; Drucke, Poster und Plakate.
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Planung, Durchführung und Abwicklungen von Kunstausstellungen; Betrieb von Museen und Ausstellungen; Museumsdienstleistungen, Ausstellungsdienstleistungen; Planung und Durchführung von Veranstaltungen, Festveranstaltungen, Symposien, Konferenzen, Kongressen, Kolloquien, Schulungen, Versammlungen, Workshops, Vorträgen, audiovisuellen Veranstaltungen und Präsentationen; Herstellung von Ton- und Videoaufnahmen; Dienstleistung einer Foto- und Kunstbibliothek, auch über das Internet; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen auch in elektronischer Form, auch im Internet; Fotografieren; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Kunst; Bereitstellung einer Bibliothek mit themenbezogenen Informationen, Indizes, Datenbanken, Literatur, Artikeln, Zeitschriften, Magazinen, Veröffentlichungen, Texten, Dokumenten, elektronischen Dokumenten, Grafiken, audiovisuellen Informationen, Inhalten und Referenzmaterial, alle in Bezug auf Kunst und online bereitgestellt über eine Computerdatenbank, das Internet, das World Wide Web oder andere weltweite Kommunikationssysteme; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Museen, Ausstellungen, kulturelle Veranstaltungen und Unterhaltung, auch über das Internet; einschließlich Schulung und Ausbildung in Bezug auf Kunstgegenstände und Kunstwerke; Vermietung von Kunstwerken und Kunstgegenständen.
In Anbetracht der Tatsache, dass der Widerspruch gemäß Artikel 8 Absatz 4 UMV in Verbindung mit § 15 Absatz 2 MarkenG nicht vollständig erfolgreich ist, wird die Prüfung bezüglich § 15 Absatz 3 MarkenG fortgesetzt.
Die Widerspruchsabteilung setzt die Prüfung bezüglich „sportliche Aktivitäten“ in Klasse 41 fort.
- Gemäß § 15 Absatz 3 des Deutschen Markengesetzes:
„Handelt es sich bei der geschäftlichen Bezeichnung um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung, so ist es Dritten ferner untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, wenn keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des Absatzes 2 besteht, soweit die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt” (Hervorhebung hinzugefügt).
Die folgenden Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt werden:
- Die nicht eingetragenen Marke muss im Inland (d.h. in Deutschland) bekannt sein;
- die Unionsmarke muss mit der nicht eingetragenen Marke identisch oder ihr ähnlich sein;
- die Benutzung der angemeldeten Marke muss die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der nicht eingetragenen Marke in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen;
- diese Benutzung muss ohne rechtfertigenden Grund erfolgen.
Erfüllt ein Zeichen eine dieser Voraussetzungen nicht, bleibt einem Widerspruch der Erfolg versagt.
Zum einen sind der Begriff „mehr als lediglich örtliche Bedeutung” und der Begriff „im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung” nicht deckungsgleich. Auch wenn die Kriterien für die Benutzung des Werktitels erfüllt wurden, kann nicht geschlussfolgert werden, dass auch die Bekanntheit des Zeichens nachgewiesen wurde. Den Unterlagen ist nicht zu entnehmen, dass es sich um ein „im Inland bekanntes Zeichen” handelt.
Zum anderen ergibt sich nicht klar aus dem Vortrag der Widersprechenden, wie die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung des Werktitels „art” beeinträchtigt oder in unlauterer Weise ausgenutzt wird. Die Widersprechende brachte auch keine Tatsachen, Beweismittel oder Bemerkungen vor, die diese Schlussfolgerung stützen könnten.
Da die notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt werden, muss der Widerspruch diesbezüglich zurückgewiesen werden.
Sowohl der Anmelder als auch die Widersprechende berufen sich zur Unterstützung ihrer Bemerkungen auf frühere Entscheidungen des Amtes. Das Amt ist jedoch nicht durch seine früheren Entscheidungen gebunden, da jeder einzelne Fall separat und unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten behandelt werden muss.
Das Gericht unterstützt diese Vorgehensweise uneingeschränkt. Es hat festgestellt, dass nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ausschließlich auf der Grundlage der UMV und nicht nach der vorherigen Entscheidungspraxis des EUIPO zu beurteilen ist (30/06/2004, T-281/02, Mehr für Ihr Geld, EU:T:2004:198).
Obgleich die früheren Entscheidungen des Amtes nicht verbindlich sind, sind deren Begründung und Ergebnisse dennoch bei einer Entscheidung in einer anderen Sache gebührend zu berücksichtigen.
Das Amt ist zwar verpflichtet, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts auszuüben, z. B. dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, jedoch muss die Art und Weise der Anwendung dieser Grundsätze mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Außerdem ist zu betonen, dass jeder Fall individuell geprüft werden muss. Das Ergebnis hängt in jedem Einzelfall von besonderen Kriterien ab, die auf die Gegebenheiten dieses Falles anzuwenden sind, beispielsweise den Aussagen, Argumenten und Vorbringen der Beteiligten. Abschließend darf sich eine Partei in Verfahren vor dem Amt nicht auf eine möglicherweise unerlaubte Handlung, die zum Nutzen Dritter begangen wurde, stützen oder diese zu ihrem Vorteil nutzen, um eine identische Entscheidung zu erwirken.
Daraus folgt, dass, selbst wenn der Widerspruchsabteilung vorgelegte frühere Entscheidungen dem vorliegenden Fall in gewissem Umfang sachlich ähnlich sind, das Ergebnis anders ausfallen kann.
Ein Teil der zitierten Entscheidungen wurden schon oben geprüft.
Der Anmelder weist auf weitere Entscheidungen der BPatG und BGH.
Es muss jedoch festgestellt werden, dass die Entscheidungen der nationalen Gerichte und Behörden bezüglich Konflikten zwischen identischen oder ähnlichen Marken auf nationaler Ebene für das Amt nicht verbindlich sind, da die Regelung der Unionsmarke ein autonomes System darstellt, das ungeachtet der nationalen Systeme Anwendung findet (13/09/2010, T-292/08, Often, EU:T:2010:399).
Die Entscheidungen hinsichtlich der Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen „Berliner Morgenpost“ und „Hamburger Morgenpost“ sowie „Off road“ und „automobil OFFROAD“ sind im vorliegenden Fall irrelevant, da es sich um völlig andere bzw. anders aufgebaute Zeichen handelt. Auch wenn diese Entscheidungen in gewissem Umfang Ähnlichkeiten aufweisen könnten, führen aber die Einzelheiten des vorliegenden Falls zu einem anderen Ergebnis.
Die Begründung und Ergebnis der zitierten Entscheidungen sind für das vorliegende Verfahren nicht relevant.
Endergebnis
Unter Abwägung aller obigen Ausführungen gelangt die Widerspruchsabteilung zu der Feststellung, dass der Widerspruch aufgrund des älteren Zeichens der Widersprechenden insoweit begründet ist, als er sich gegen die folgenden Waren und Dienstleistungen richtet:
Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse, insbesondere Druckschriften, Zeitungen, Postkarten, Zeitschriften, Ansichtskarten, Kalender, Bücher, Prospekte, Kataloge, Veröffentlichungen, Magazine, Bulletins, Mitteilungsblätter; Drucke, Poster und Plakate.
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Planung, Durchführung und Abwicklungen von Kunstausstellungen; Betrieb von Museen und Ausstellungen; Museumsdienstleistungen, Ausstellungsdienstleistungen; Planung und Durchführung von Veranstaltungen, Festveranstaltungen, Symposien, Konferenzen, Kongressen, Kolloquien, Schulungen, Versammlungen, Workshops, Vorträgen, audiovisuellen Veranstaltungen und Präsentationen; Herstellung von Ton- und Videoaufnahmen; Dienstleistung einer Foto- und Kunstbibliothek, auch über das Internet; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen auch in elektronischer Form, auch im Internet; Fotografieren; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Kunst; Bereitstellung einer Bibliothek mit themenbezogenen Informationen, Indizes, Datenbanken, Literatur, Artikeln, Zeitschriften, Magazinen, Veröffentlichungen, Texten, Dokumenten, elektronischen Dokumenten, Grafiken, audiovisuellen Informationen, Inhalten und Referenzmaterial, alle in Bezug auf Kunst und online bereitgestellt über eine Computerdatenbank, das Internet, das World Wide Web oder andere weltweite Kommunikationssysteme; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf Museen, Ausstellungen, kulturelle Veranstaltungen und Unterhaltung, auch über das Internet; einschließlich Schulung und Ausbildung in Bezug auf Kunstgegenstände und Kunstwerke; Vermietung von Kunstwerken und Kunstgegenständen.
In Bezug auf die verbleibenden Dienstleistungen „sportliche Aktivitäten“ in Klasse 41 ist der Widerspruch nicht erfolgreich.
Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass hinsichtlich der übrigen angefochtenen Dienstleistungen „sportliche Aktivitäten“ ebenso keine Branchennähe bezüglich der weiteren Zeichen der Widersprechenden festzustellen ist.
KOSTEN
Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten. Gemäß Artikel 85 Absatz 2 UMV beschließt die Widerspruchsabteilung eine andere Kostenteilung, soweit die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen oder soweit es die Billigkeit erfordert.
Da der Widerspruch nur für Teile der angefochtenen Waren und Dienstleistungen Erfolg hat, sind beide Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterlegen. Daher trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.
Die Widerspruchsabteilung
André BOSSE |
Judit NÉMETH |
Plamen IVANOV
|
Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.