Sidora Marketing | Decision 2661208 – cidora IT-Berater Iversen, Exner & Partner v. Sidora Marketing Ltd. Oy

WIDERSPRUCH Nr. B 2 661 208

Cidora IT-Berater Iversen, Exner & Partner, Uhlandstr. 11, 70182 Stuttgart, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Hoeger, Stellrecht & Partner Patentanwälte mbB, Uhlandstr. 14c, 70182 Stuttgart, Deutschland (zugelassener Vertreter)

g e g e n

Sidora Marketing Ltd. Oy, Roninmäentie 6 K A 4, 40500 Jyväskylä, Finnland (Anmelderin).

 

Am 12/05/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

  1. Dem Widerspruch Nr. B 2 661 208 wird für einen Teil der angefochtenen Dienstleistungen stattgegeben, und zwar :

Klasse 35: Betriebswirtschaftliche Analyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen; Hilfe in Geschäftsangelegenheiten, Geschäftsführung und administrative Dienstleistungen; Kaufmännische Dienstleistungen und Verbraucherinformationsdienste.

Klasse 41: Verlags- und Berichtswesen; Bildung, Erziehung, Unterhaltung.

Klasse 42: Prüfung, Authentifizierung und Qualitätskontrolle; IT-Dienstleistungen; Designdienstleistungen; Analyse von Telekommunikationssignalen.

2.        Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 14 862 072 wird für die vorgenannten Dienstleistungen zurückgewiesen.

3.        Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

BEGRÜNDUNG:

WIDERRUF DER ENTSCHEIDUNG B 2 661 208 VOM 24/11/2016

Am 24/11/2016 entschied die Widerspruchsabteilung in vorliegender Sache und gab dem Widerspruch zwar nur teilweise statt, wies jedoch die Marke vollständig zurück (Ziffer 2).

Die angefochtenen Dienstleistungen Werbung, Marketing und Verkaufsförderung und

Sport(dienstleistungen) waren als unähnlich erachtet worden. Dies wurde zwar in Bezug auf die Kostenfolge berücksichtigt, da hier festgestellt wurde, dass der Widerspruch nur in Bezug auf einen Teil der angefochtenen Dienstleistungen Erfolg habe und jeder seine eigenen Kosten trage, dies wurde jedoch nicht entsprechend im Tenor berücksichtigt, da die Marke vollständig zurückgewiesen wurde.

Es handelt sich somit um einen offensichtlichen Fehler durch das Amt. Bezugnehmend auf Artikel 80 UMV und in Verbindung mit Regel 53 UMDV widerruft die Widerspruchsabteilung ihre Entscheidung vom 24/11/2016 in dieser Sache.

Nachdem die Widerspruchsabteilung am 22/12/2016 beide Parteien vom Widerruf der in Rede stehenden Entscheidung informiert hat und die gemäß Regel 53a Absatz 2 UMDV gesetzte Frist abgelaufen ist, ergeht nun eine Entscheidung, die die Marke nur in Bezug auf die unter Ziffer 1 genannten Dienstleistungen zurückweist.

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 14 862 072 ein. Der Widerspruch beruht auf der deutschen Markeneintragung Nr. 302 013 042 312 sowie den deutschen Unternehmenskennzeichen „cidora“ sowie „cidora IT-Berater Iversen, Exner & Partner“. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe  b UMV und Artikel 8 Absatz 4 UMV.

Der Widerspruch beruht auf mehr als einem älteren Recht. Aus Gründen der Verfahrensökonomie prüft die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zuerst in Bezug auf deutsche Markeneintragung Nr. 302 013 042 312 der Widersprechenden.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

  1. Die Waren und Dienstleistungen

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren und Dienstleistungen:

Klasse 09: Computersoftware.

Klasse 35: Organisatorisches Projektmanagement im EDV-Bereich, organisatorische Beratung.

Klasse 42: EDV-Beratung, Wartung von Software, technisches Projektmanagement im EDV-Bereich.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Dienstleistungen:

Klasse 35: Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Betriebswirtschaftliche Analyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen; Hilfe in Geschäftsangelegenheiten, Geschäftsführung und administrative Dienstleistungen; Kaufmännische Dienstleistungen und Verbraucherinformationsdienste.

Klasse 41 Verlags- und Berichtswesen; Bildung, Erziehung, Unterhaltung und Sport.

Klasse 42: Prüfung, Authentifizierung und Qualitätskontrolle; IT-Dienstleistungen; Designdienstleistungen; Analyse von Telekommunikationssignalen.

Zu den relevanten Faktoren im Zusammenhang mit dem Vergleich der Waren oder Dienstleistungen zählen unter anderem die Art und der Zweck der Waren oder Dienstleistungen, die Vertriebswege, die Verkaufsstätten, die Hersteller, die Nutzung und ob sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen.

Angefochtene Dienstleistungen in Klasse 35

Die angefochtenen Dienstleistungen Betriebswirtschaftliche Analyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen überlappen mit der Dienstleistung organisatorische Beratung der älteren Marke. Daher sind diese Dienstleistungen identisch.

Die angefochtene Dienstleistung Hilfe in Geschäftsangelegenheiten überlappt mit der Dienstleistung organisatorische Beratung der älteren Marke, da Hilfe in Geschäftsangelegenheiten auch in organisatorischer Beratung bestehen kann. Daher sind diese Dienstleistungen identisch.

Administrative Dienstleistungen können auch Beratungsdienstleistungen administrativer Natur umfassen. Daher überlappen sie mit der Dienstleistung organisatorische Beratung der älteren Marke und sind somit identisch.

Kaufmännische Dienstleistungen umfassen sowohl Beratung in Bezug auf den Betrieb als auch Büroorganisation, Personalverwaltung etc. Daher überlappen diese Dienstleistungen mit der Dienstleistung organisatorische Beratung der älteren Marke und sind somit identisch.  

Geschäftsführungsdienstleistungen werden für gewöhnlich von spezialisierten Unternehmen dieser Branche erbracht, zum Beispiel von Beratungsfirmen. Diese Unternehmen sammeln Informationen und bieten ihren Kunden Instrumente und Fachkenntnisse an, die ihnen bei der Unternehmensführung helfen, oder sie bieten Unterstützung für die Entwicklung, das Wachstum und die Ausweitung des Marktanteils von Unternehmen an. Die Dienstleistungen umfassen Aktivitäten wie Forschungsarbeit und Unternehmensbewertungen, Kosten-Preis-Analysen und Beratung in Organisationsangelegenheiten. Diese Dienstleistungen umfassen auch „Beratungs“- und „Unterstützungs“-Leistungen, die bei der „Geschäftsführung“ von Nutzen sein können, z. B. effizienter Einsatz finanzieller und menschlicher Ressourcen, Steigerung der Produktivität, Ausbau des Marktanteils, Umgang mit Konkurrenten, Verringerung der Steuerlast, Entwicklung neuer Produkte, Kommunikation mit dem Publikum, Marketing, Ausforschung von Verbrauchertrends, Verbraucherkommunikation, Markteinführung neuer Produkte, Schaffung eines Firmenimage, usw. Diese Dienstleistungen werden von denselben Anbietern erbracht wie die Dienstleistung organisatorische Beratung, richtet sich an das gleiche Publikum und Vertriebskanäle. Sie stimmen in Natur und Zweck überein. Daher sind diese Dienstleistungen hochgradig ähnlich.

Organisatorische Beratung der älteren Marke kann sich allerdings auch an Verbraucher richten. Daher ist die Dienstleistung in Bezug zu Verbraucherinformationsdienste aufgrund der Übereinstimmungen in Natur und Zweck hochgradig ähnlich.

Werbung(sdienstleistungen) bestehen darin, durch die Bewerbung der Markteinführung und/oder des Vertriebs von Waren und Dienstleistungen den Absatz der Kunden zu fördern oder ihre Marktstellung zu festigen und ihnen mittels Öffentlichkeitsarbeit Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Im Interesse dieses Ziels können viele verschiedene Mittel und Produkte eingesetzt werden. Diese Dienstleistungen werden von spezialisierten Unternehmen erbracht, welche die Bedürfnisse ihrer Kunden analysieren und ihnen sämtliche für die Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen erforderlichen Informationen sowie eine entsprechende Beratung zur Verfügung stellen. Sie entwerfen eine individuelle Strategie für die Bewerbung von Waren und Dienstleistungen in Zeitungen, auf Websites, in Videos, im Internet usw.

Daher unterscheidet sich Werbung, Marketing und Verkaufsförderung sowohl in Bezug auf die Verkehrskreise und die Vertriebskanäle als auch in Bezug auf den Zweck und die Natur der Dienstleistungen von den Waren und Dienstleistungen der älteren Marke. Die Dienstleistungen stehen nicht im Wettbewerb. Auch wenn sich die Dienstleistungen in einigen Fällen ergänzen, so führt dies nicht zu einer Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen.

Angefochtene Dienstleistungen in Klasse 41

Die Ware Computersoftware der älteren Marke kann auch Bildungssoftware enthalten. Daher kann sich die Software an dieselben Verkehrskreise richten wie Bildung und Erziehung. Es kann von denselben Firmen hergestellt werden und die Waren und Dienstleistungen können sich ergänzen und werden über dieselben Vertriebskanäle vertrieben. Daher werden sie, obwohl sie unterschiedlicher Natur sind, denselben Zweck verfolgen. Bildungsanbieter bzw. Anbieter im Bereich Erziehung stellen häufig Inhalte und Materialen auf Software zur Verfügung. Daher werden diese Waren zu Bildung, Erziehung als ähnlich angesehen.

Verlags- und Berichtswesen und Software  können in ihrem jeweiligen Zweck, den Anbietern und den Verkehrskreisen übereinstimmen, daher sind sie als ähnlich anzusehen.

Die Ware Software der älteren Marke umfasst auch Spielesoftware. Diese kann in Anbieter und Verkehrskreisen übereinstimmen. Darüber hinaus ergänzen sich die ältere Ware und die angefochtene Dienstleistung, so dass sie als geringfügig ähnlich anzusehen werden zu Unterhaltung.

Die Anbieter von Sport(dienstleistungen) und Software sind unterschiedliche. Die Dienstleistungen unterscheiden sich auch in Bezug auf die Vertriebskanäle und sie richten sich an unterschiedliche Verkehrskreise. Darüber hinaus stehen sie weder im Wettbewerb, noch ergänzen sie sich.  Daher sind sie unähnlich.

Auch die weiteren Waren und Dienstleistungen der älteren Marke sind unähnlich, da sie weder in Natur und Zweck noch in den Vertriebskanälen übereinstimmen, nicht im Wettbewerb stehen oder sich ergänzen.

Angefochtene Dienstleistungen in Klasse 42

Die angefochtenen IT-Dienstleistungen beinhalten als Oberbegriff EDV Beratung und Wartung von Software der älteren Marke. Daher sind diese Dienstleistungen identisch.

Die angefochtenen Dienstleistungen Prüfung, Authentifizierung und Qualitätskontrolle; Analyse von Telekommunikationssignalen, Designdienstleistungen werden ebenso wie EDV Beratung und Wartung von Software, von spezialisierten Personen im Bereich der EDV. erbracht. Sie richten sich über dieselben Vertriebswege an dieselben Verkehrskreise und sind als ähnlich anzusehen.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch und ähnlich zu unterschiedlichen Graden befundenen Dienstleistungen an das breite Publikum teilweise auch an Geschäftskunden (Dienstleistungen der Klasse 35 und 42). Der Aufmerksamkeitsgrad schwankt zwischen durchschnittlich bis hoch, je Relevanz der jeweiligen Dienstleistungen. 

  1. Die Zeichen

cidora

Sidora Marketing 

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist Deutschland.

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Beide Marken sind Wortmarken. Die ältere besteht aus der Buchstabenkombination „cidora“, die angefochtene ist eine Zweiwortmarke bestehend aus den Wörtern „Sidora“ und „Marketing“.

Weder Cidora noch Sidora haben im relevanten Gebiet eine Bedeutung und sind somit normal kennzeichnungskräftig.

Das Element „MARKETING“ des angefochtenen Zeichens wird mit „Ausrichtung eines Unternehmens auf die Förderung des Absatzes durch Betreuung der Kunden, Werbung, Beobachtung und Lenkung des Marktes sowie durch entsprechende Steuerung der eigenen Produktion: operatives Marketing; das Marketing professionalisieren.“ assoziiert. Unter Berücksichtigung der relevanten Dienstleistungen, die alle entweder Marketingzwecken dienen können, für Marketingzwecke optimiert sind oder Teil des Marketings sind, ist das Element für diese Dienstleistungen nicht kennzeichnungskräftig.

Keine der beiden Marken weist ein Element auf, das als dominanter (stärker visuell ins Auge springend) als andere Elemente gelten könnte.

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf die Buchstabenkette „*idora“ überein. Diese Buchstabenkette stammt aus den jeweils kennzeichnungskräftigen Elementen der beiden Zeichen. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf die jeweiligen Anfangsbuchstaben „c“ der älteren Marke und „S“ der angefochtenen Marke sowie in dem Bestandteil „Marketing“ der angefochtenen Marke. Allerdings handelt es sich bei diesem Element um einen nicht kennzeichnungskräftigen Bestandteil.  

Die Zeichen sind daher bildlich stark ähnlich.

In klanglicher Hinsicht stimmt die Aussprache der Zeichen im Klang der Buchstaben „idora“ in den beiden Zeichen überein. Die Aussprache unterscheidet sich in geringfügig im Klang des Anfangsbuchstabens, der von der Mehrheit des relevanten Publikums als „z“ Laut ausgesprochen wird und daher nur geringfügig von dem S-Laut der angefochtenen Marke abweicht. Darüber hinaus unterscheiden sich die Zeichen auch in der Aussprache des Elements „Marketing“, das jedoch als nicht kennzeichnungskräftig festgelegt wurde.

Die Zeichen sind daher klanglich stark ähnlich.

Während ein Teil der angefochtenen Marke, nämlich „MARKETING“, vom Publikum im relevanten Gebiet begrifflich als „Ausrichtung eines Unternehmens auf die Förderung des Absatzes durch Betreuung der Kunden, Werbung, Beobachtung und Lenkung des Marktes sowie durch entsprechende Steuerung der eigenen Produktion“ wahrgenommen wird , somit nicht kennzeichnungskräftig ist und begrifflich neutral zu werten, hat das andere Zeichen im Gebiet keine Bedeutung. Der begriffliche Vergleich hat in diesem Fall keinen Einfluss auf die Beurteilung der Ähnlichkeit der Zeichen. Der begriffliche Vergleich ist somit nicht möglich.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Dienstleistungen. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (29/09/1998, C-39/97, Canon, EU:C:1998:442, § 17).

In Bezug auf die Zeichen wurde visuell wie klanglich eine starke Ähnlichkeit festgestellt. Begrifflich ist ein Zeichenvergleich nicht möglich.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (22/06/1999, C-342/97, Lloyd Schuhfabrik, EU:C:1999:323, § 26).

Für die Dienstleistungen wurde Identität und Ähnlichkeit zu verschiedenen Graden festgestellt.

Verwechslungsgefahr besteht dann, wenn der Verbraucher direkt die einander gegenüberstehenden Marken verwechselt oder wenn der Verbraucher eine Verbindung zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen zieht und annimmt, dass die betreffenden Waren/Dienstleistungen vom gleichen Unternehmen oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.

Diese Verbindung zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen ziehen die relevanten Verkehrskreise aufgrund der festgestellten Ähnlichkeit der Zeichen. Sie gehen daher davon aus, dass die Dienstleistungen die unter der angefochtenen Marke erbracht werden von dem gleichen Unternehmen oder von einem wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen wie die Dienstleistungen, die unter der älteren Marke erbracht werden.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte kommt die Widerspruchsabteilung zu dem Schluss, dass beim deutschsprachigen Verwechslungsgefahr besteht; und aus diesem Grund der Widerspruch auf Grundlage der deutschen Markeneintragung der Widersprechenden teilweise begründet ist. Aus dem Obigen folgt, dass die angefochtene Marke für die Dienstleistungen zurückgewiesen werden muss, bezüglich derer festgestellt wurde, dass sie mit denen der älteren Marke identisch oder ihnen ähnlich (zu unterschiedlichen Graden) sind.

Die Prüfung erfolgt in Bezug auf die verbleibenden Dienstleistungen auch in Bezug auf die geltend gemachten weiteren älteren Rechte.

NICHT EINGETRAGENE MARKE ODER IM GESCHÄFTLICHEN VERKEHR BENUTZTES ANDERES KENNZEICHENRECHT – ARTIKEL 8 ABSATZ 4 UMV

Artikel 8 Absatz 4 UMV besagt, dass auf Widerspruch der Inhaberin einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht der Union oder des Mitgliedstaats:

  1. Rechte an diesem Kennzeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke, gegebenenfalls vor dem Tag der für die Anmeldung der Unionsmarke in Anspruch genommenen Priorität, erworben worden sind

  1. dieses Kennzeichen seiner Inhaberin das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.

Die Eintragungshindernisse von Artikel 8 Absatz 4 UMV unterliegen somit den folgenden Anforderungen:

  • Das ältere Kennzeichen muss vor der Einreichung der angefochtenen Marke im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt worden sein.

  • Die Widersprechende muss nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht vor der Einreichung der angefochtenen Marke Rechte an dem Kennzeichen, auf das der Widerspruch gestützt wird, erworben haben, einschließlich des Rechts, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.

  • Die Bedingungen, unter denen die Benutzung einer jüngeren Marke untersagt werden kann, müssen in Bezug auf die angefochtene Marke erfüllt sein.

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Erfüllt ein Zeichen eine dieser Voraussetzungen nicht, bleibt einem Widerspruch, der auf eine ältere nicht eingetragene Marke oder andere im geschäftlichen Verkehr benutzte Kennzeichenrechte im Sinne von Artikel 8 Absatz 4 UMV gestützt wird, somit der Erfolg versagt.

  1. Das Kennzeichenrecht nach anwendbare Recht

Nach Artikel 76 Absatz 1 UMV ermittelt in einem Verfahren vor dem Amt das Amt den Sachverhalt von Amts wegen. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist die Widerspruchsabteilung bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die verfahrensrechtlichen Anträge der Beteiligten beschränkt.

Gemäß Regel 19 Absatz 2 Buchstabe d UMDV muss die Widersprechende, wenn der Widerspruch auf ein älteres Recht im Sinne des Artikels 8 Absatz 4 UMV gestützt, den Erwerb, den Fortbestand und den Schutzumfang dieses Rechts nachweisen.

Daher obliegt es der Widersprechenden, alle erforderlichen Informationen für die Entscheidung vorzulegen, einschließlich der Angabe des anwendbaren Rechts und Vorlage aller erforderlichen Informationen für dessen ordnungsgemäße Anwendung. Nach der Rechtsprechung obliegt es der Widersprechenden „… nicht nur, vor dem HABM die Angaben vorzubringen, die beweisen, dass sie die nach den nationalen Rechtsvorschriften, deren Anwendung sie begehrt, erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, … sondern auch, die Angaben vorzubringen, aus denen sich der Inhalt dieser Rechtsvorschriften ergibt.“ (05/07/2011, C-263/09 P, Elio Fiorucci, EU:C:2011:452, § 50). Die vorzulegenden Nachweise müssen es der Widerspruchsabteilung ermöglichen, mit Sicherheit festzustellen, dass in dem fraglichen Recht ein bestimmter Rechtsanspruch vorgesehen ist, sowie die Bedingungen für den Erwerb dieses Rechtsanspruches. Die Nachweise müssen ferner Klarheit darüber verschaffen, ob die Inhaberin des Rechts befugt ist, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen, sowie die Bedingungen, unter denen dieser Rechtsanspruch gilt und gegenüber einer jüngeren Marke durchsetzbar ist.

Zur Anwendung von nationalem Recht muss die Widersprechende die einschlägigen Bestimmungen der geltenden Rechtsvorschriften bezüglich der Voraussetzungen für den Erwerb von Rechten und des Schutzumfangs des Rechts anführen. Die Widersprechende muss Angaben zu den maßgeblichen Rechtsvorschriften (Artikelnummer sowie Nummer und Titel der Rechtsvorschrift) und zu deren Inhalt (Text) machen, indem sie diese entweder vorlegt oder in einer Veröffentlichung, die sie ihrem Antrag beifügt, entsprechend markiert (z. B. Auszüge aus einem Amtsblatt, eines Gesetzeskommentars oder eines Gerichtsurteils). Da die Widersprechende verpflichtet ist, einen Nachweis über den Inhalt des anwendbaren Rechts zu erbringen, muss sie die anwendbare Rechtsvorschrift in der Originalsprache vorlegen. Handelt es sich dabei nicht um die Verfahrenssprache, muss die Widersprechende zudem eine vollständige Übersetzung der geltend gemachten Rechtsvorschriften gemäß den Standardvorschriften über die Substantiierung einreichen.

Außerdem muss die Widersprechende angemessene Nachweise über die Erfüllung der Voraussetzungen für den Erwerb und über den Schutzumfang des geltend gemachten Rechts erbringen und belegen, dass die Schutzbedingungen in Bezug auf die angefochtene Marke tatsächlich erfüllt sind. Insbesondere muss sie stichhaltige Beweise dafür vorlegen, dass es ihr nach geltendem Recht gelingen würde, die Benutzung der angefochtenen Marke zu untersagen.

Im vorliegenden Fall die Widersprechende hat keine Informationen bezüglich des rechtlichen Schutzes für die Art des geltend gemachten gewerblichen Schutzzeichens der Widersprechenden, nämlich die relevanten Vorschriften des deutschen Rechts, aus dem sich ergibt, dass auch aus Unternehmenskennzeichen vorgegangen werden kann, vorgelegt.

Die Widersprechende hat keine Informationen über den möglichen Inhalt des geltend gemachten Rechts oder die von der Widersprechenden zu erfüllenden Voraussetzungen, um die Benutzung der angefochtenen Marke in den einzelnen von der Widersprechenden angegebenen Mitgliedstaaten zu untersagen, vorgelegt.

Somit ist der Widerspruch gemäß Artikel 8 Absatz 4 UMV nicht begründet.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten. Gemäß Artikel 85 Absatz 2 UMV beschließt die Widerspruchsabteilung eine andere Kostenteilung, soweit die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen oder soweit es die Billigkeit erfordert.

Da der Widerspruch nur für Teile der angefochtenen Dienstleistungen. Erfolg hat, sind beide Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterlegen. Daher trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Die Widerspruchsabteilung

Lars HELBERT

Claudia MARTINI

Dorothee SCHLIEPHAKE

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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