tegetec | Decision 2744673

WIDERSPRUCH Nr. B 2 744 723

 

GETEC heat & power AG, Albert-Vater-Straße 50, 39108 Magdeburg, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Gramm, Lins & Partner Patent- und Rechtsanwälte PartGmbB, Theodor-Heuss-Str. 1, 38122 Braunschweig, Deutschland (zugelassener Vertreter)

 

g e g e n

 

tegetec aps, Holmensvej 38, 3600  Denmark, Dänemark (Anmelderin).

 

 

Am 30/05/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

 

 

ENTSCHEIDUNG:

 

1.        Der Widerspruch Nr. B 2 744 723 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.

 

2.        Die Widersprechende trägt die Kosten.

 

 

BEGRÜNDUNG:

 

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 377 351 „tegetec” (Wortmarke) der Klasse 37 ein. Der Widerspruch beruht auf der Unternehmensbezeichnung „GETEC heat & power AG“. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 4 UMV.

 

 

NICHT EINGETRAGENE MARKE ODER IM GESCHÄFTLICHEN VERKEHR BENUTZTES ANDERES KENNZEICHENRECHT – ARTIKEL 8 ABSATZ 4 UMV

 

Artikel 8 Absatz 4 UMV besagt, dass auf Widerspruch der Inhaberin einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht der Union oder des Mitgliedstaats:

 

  1. Rechte an diesem Kennzeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke, gegebenenfalls vor dem Tag der für die Anmeldung der Unionsmarke in Anspruch genommenen Priorität, erworben worden sind

 

  1. dieses Kennzeichen seiner Inhaberin das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.

 

Die Eintragungshindernisse von Artikel 8 Absatz 4 UMV unterliegen somit den folgenden Anforderungen:

 

  • Das ältere Kennzeichen muss vor der Einreichung der angefochtenen Marke im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt worden sein.

 

  • Die Widersprechende muss nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht vor der Einreichung der angefochtenen Marke Rechte an dem Kennzeichen, auf das der Widerspruch gestützt wird, erworben haben, einschließlich des Rechts, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.

 

  • Die Bedingungen, unter denen die Benutzung einer jüngeren Marke untersagt werden kann, müssen in Bezug auf die angefochtene Marke erfüllt sein.

 

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Erfüllt ein Zeichen eine dieser Voraussetzungen nicht, bleibt einem Widerspruch, der auf eine ältere nicht eingetragene Marke oder andere im geschäftlichen Verkehr benutzte Kennzeichenrechte im Sinne von Artikel 8 Absatz 4 UMV gestützt wird, somit der Erfolg versagt.

 

 

  1. Vorherige Benutzung im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung

 

Die Bedingung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr ist eine konstitutive Voraussetzung, ohne die das betreffende Zeichen keinerlei Schutz gegen die Eintragung einer Unionsmarke genießt, und sie besteht unabhängig von den Voraussetzungen, die das nationale Recht für den Erwerb des ausschließlichen Rechts aufstellt. Überdies muss eine solche Benutzung darauf schließen lassen, dass das betreffende Kennzeichenrecht von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung ist.

 

Hierzu ist festzustellen, dass die Voraussetzung in Bezug auf die Benutzung eines Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung im geschäftlichen Verkehr nach Artikel 8 Absatz 4 UMV den Zweck verfolgt, Konflikte zwischen den Zeichen zu begrenzen, indem sie verhindert, dass ein älteres Recht, das nicht hinreichend ausgeprägt, d. h. im geschäftlichen Verkehr wichtig und bedeutungsvoll ist, der Eintragung einer neuen Unionsmarke entgegenstehen kann. Die Möglichkeit eines Widerspruchs soll auf Zeichen beschränkt sein, die auf ihrem relevanten Markt tatsächlich und wirklich präsent sind. Um die Eintragung eines neuen Zeichens verhindern zu können, muss das für den Widerspruch geltend gemachte Zeichen tatsächlich in hinreichend bedeutsamer Weise im geschäftlichen Verkehr benutzt werden und eine mehr als lediglich örtliche geografische Schutzausdehnung haben, was bedeutet, dass, wenn das Schutzgebiet dieses Zeichens als nicht örtlich angesehen werden kann, die Benutzung in einem bedeutenden Teil dieses Gebiets erfolgen muss. Bei der Feststellung, ob dies der Fall ist, sind die Dauer und die Intensität der Benutzung dieses Zeichens als unterscheidendes Element für seine Adressaten zu berücksichtigen, bei denen es sich sowohl um Käufer und Verbraucher als auch um Lieferanten und Wettbewerber handelt. In dieser Hinsicht sind insbesondere Benutzungen des Zeichens in der Werbung und in der geschäftlichen Korrespondenz erheblich. Ferner ist die Beurteilung der Voraussetzung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr für jedes Gebiet, in dem das für den Widerspruch geltend gemachte Recht geschützt ist, getrennt vorzunehmen. Schließlich muss die Benutzung des in Frage stehenden Zeichens im geschäftlichen Verkehr vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke dargetan werden (29/03/2011, C-96/09 P, Bud, EU:C:2011:189, § 157, 159, 160, 163 und 166).

 

Im verfahrensgegenständlichen Verfahren wurde die angefochtene Marke am 26/04/2016 eingereicht. Daher musste die Widersprechende nachweisen, dass das Kennzeichenrecht, auf das der Widerspruch gestützt wird, vor diesem Zeitpunkt in Deutschland, Österreich, Italien, Polen, in der Slowakei und in der Tschechischen Republik im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt wurde. Ferner muss der Nachweis erbracht werden, dass das Zeichen der Widersprechenden im geschäftlichen Verkehr benutzt wurde, nämlich in Bezug auf die Entwicklung, die Planung, die Errichtung, der Betrieb, die Überwachung und die Unterhaltung von Energieerzeugungs- und Energieverteilungsanlagen sowie von gebäudetechnischen Systemen und gebäudetechnischen Komponenten, ferner die Übernahme der Energieversorgung für eigene und Liegenschaften Dritter. Weiterhin die Beteiligung an dem Unternehmenszweck förderlichen Unternehmen weltweit.

 

Am 29/07/2016 und 13/12/2016 reichte die Widersprechende folgende Beweismittel ein:

 

  • Handelsregister des Amtsgerichts Stendal vom 29/07/2016 bezüglich der GETEC Aktiengesellschaft.
  • Wikipedia-Auszug bezüglich der Getec-Gruppe vom 12/12/2016. Die Anlage gibt Informationen über die Geschichte, Konzernstruktur (Geschäftsführung, Standorte, Unternehmenskennzahlen), soziales und kulturelles Engagement und Auszeichnungen der Getec-Gruppe.
  • Wikipedia-Auszug bezüglich der Widersprechenden Getec heat & power AG vom 12/12/2016. Die Anlage enthält Informationen über die Geschichte, Konzernstruktur (Vorstand, Aufsichtsrat, Niederlassungen und Beteiligungen, Unternehmenskennzahlen), Tätigkeiten, Technologien und Auszeichnungen der Getec heat & power AG.
  • Prospekt der Getec heat & power AG – undatiert. Das Dokument enthält Informationen über die Dienstleistungen der Firma.
  • Internetauszug von der www.getec-heat-power.de vom 12/12/2016.
  • Geschäftsbericht der Getec-Gruppe aus dem Jahr 2015.

 

 

Die Dokumente sind in deutscher Sprache verfasst. Weiterhin weist der Domainname „.de“ auf Deutschland hin. Keine der Unterlagen bezieht sich jedoch auf die Gebiete Slowakei, Tschechische Republik, Italien und Polen, in denen das Zeichen geschützt ist.

 

 

Dem Handelsregisterauszug ist zu entnehmen, dass die GETEC AG am 13/11/1997 gegründet wurde. Der Tätigkeitsbereich der Firma ist die Entwicklung, die Planung, die Errichtung, der Betrieb, die Überwachung und die Unterhaltung von Energieerzeugungs- und Energieverteilungsanlagen sowie von gebäudetechnischen Systemen und gebäudetechnischen Komponenten, ferner die Übernahme der Energieversorgung für eigene und Liegenschaften Dritter. Weiterhin die Beteiligung an dem Unternehmenszweck förderlichen Unternehmen weltweit. Die Wikipedia-Auszüge geben Informationen, dass die Widersprechende eine von sechs Tochtergesellschaften der GETEC Energie Holding GmbH (GETEC-Gruppe) sei. Die GETEC-Gruppe sei ein deutscher Energiedienstleistungskonzern, unter deren Dach deutschlandweit und in Teilen der Europäischen Union Contracting-, Engineering- und Netzdienstleistungen, Messstellenbetrieb, die Beschaffung und Vermarktung von Strom, Gas und erneuerbaren Energien und seit neuestem auch Telekommunikationsdienste angeboten würden. 1.165 Mitarbeiter in rund 60 Gesellschaften gehörten heute zur GETEC-Gruppe. Die Widersprechende beschäftige sich mit Engineering- und Contracting-dienstleistungen für Industrie, Kommunen und große komplexe Liegenschaften. Sie sei auf die Energieversorgung spezialisiert und sei mit eigenen Tochtergesellschaften in Österreich, der Schweiz, Ungarn und den Benelux-Staaten vertreten.

 

Die weiteren Dokumente, d. h. der Prospekt, der Internetauszug der eigenen Webseite sowie der Geschäftsbericht 2015 stammen von der Widersprechenden selbst und geben Informationen über die eigenen Dienstleistungen.

 

Die von der Widersprechenden vorgelegten Beweismittel lassen zwar darauf schließen, dass eine gewisse Benutzung des Zeichens stattgefunden hat, diese Benutzung erreicht aber nicht den Schwellenwert von „mehr als örtlichen Bedeutung“ nach Artikel 8 Absatz 4 UMV.

 

Ein gewerbliches Schutzrecht ist in dem maßgeblichen Gebiet von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung, wenn sich seine Wirkung nicht auf einen geringen Teil dieses Gebiets wie z. B. im Allgemeinen eine Stadt oder eine Provinz beschränkt (24/03/2009, T-318/06 – T-321/06, General Optica, EU:T:2009:77, § 41). Das Zeichen muss in einem bedeutenden Teil des Schutzgebiets benutzt werden (29/03/2011, C-96/09 P, Bud, EU:C:2011:189, § 159).

 

Ob einem gewerblichen Schutzrecht eine mehr als lediglich örtliche Bedeutung zukommt, lässt sich durch ein Netz von Filialen, die im gesamten betroffenen Gebiet wirtschaftlich tätig sind, aber auch einfacher durch beispielsweise Rechnungen, die außerhalb der Region erstellt worden sind, in der die Wiedersprechende ihren Sitz hat, durch Presseberichte, die deutlich machen, in welchem Grad das geltend gemachte Zeichen dem Publikum bekannt ist, oder durch Hinweise in Reiseführern auf die Niederlassung belegen (24/03/2009, T-318/06 – T-321/06, General Optica, EU:T:2009:77, § 43).

 

Im vorliegenden Fall liefern die eingereichten Unterlagen der Widerspruchsabteilung unzureichende Angaben über das Handelsvolumen sowie über die Dauer und Häufigkeit der Benutzung.

 

Die Mehrheit der vorgelegten Dokumente stammt von der Widersprechenden selbst. Es gibt keinerlei Nachweise, die aus unabhängigen Quellen stammen, da die Wikipedia-Auszüge nicht als offizielle Quellen zu betrachten sind. Der Internetauszug weist auf die eigene Webseite hin. Den Unterlagen ist jedoch nicht zu entnehmen, wie viele Leute diese Seiten besuchten bzw. besuchen, wie viele wenn überhaupt einige Dienstleistungen in Anspruch genommen wurden bzw. werden. Zwar wurden Zahlen bezüglich der Umsatzerlöse, des Eigenkapitals und des Bilanzgewinnes angegeben, diese wurden jedoch mit keinerlei Nachweisen substantiiert. Die Beweismittel wurden mit keinen konkreten Verkaufsdaten, Preislisten, Bestellungen und Lieferscheinen untermauert. Somit sind den Unterlagen keinerlei konkrete Umsätze zu entnehmen und das Handelsvolumen kann nicht festgestellt und bewertet werden. Den Beweismitteln ist auch nicht zu entnehmen, wie viele Leute und aus welchen Gebieten die Internetseiten besucht haben. Die Unterlagen enthalten zudem keinerlei weitere Anhaltspunkte bezüglich der Größe des Gebiets.

 

Unter Abwägung aller obigen Ausführungen gelangt die Widerspruchsabteilung zu der Schlussfolgerung, dass die von der Widersprechenden vorgelegten Beweismittel nicht ausreichen, um den Nachweis dafür zu erbringen, dass das ältere Zeichen in Verbindung mit den Geschäftstätigkeiten, auf die der Widerspruch gestützt wurde, vor dem relevanten Datum und im betreffenden Gebiet im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt wurde.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass eine der notwendigen Anforderungen von Artikel 8 Absätze 4 UMV nicht erfüllt ist, ist der Widerspruch als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

KOSTEN

 

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

 

Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle der Anmelderin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

 

Gemäß Regel 94 Absätze 3 und 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, bestehen die der Anmelderin zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind. Im vorliegenden Fall hat die Anmelderin keinen zugelassenen Vertreter in Sinne von Artikel 93 UMV bestellt. Daher sind keine Vertretungskosten angefallen.

 

 

 

 

Die Widerspruchsabteilung

 

 

 

André BOSSE Judit NÉMETH Plamen IVANOV

 

 

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

 

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