WIDERSPRUCH Nr. B 2 689 944
Hugo Boss Trade Mark Management GmbH & Co. KG, Dieselstr. 12, 72555 Metzingen, Deutschland, (Widersprechende), vertreten durch Dennemeyer & Associates, 55, rue des Bruyères, 1274 Howald, Luxemburg (zugelassener Vertreter)
g e g e n
Bosswik A/S, Højeløkkevej 4A, 5690 Tommerup, Dänemark (Anmelderin).
Am 16/06/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende
ENTSCHEIDUNG:
1. Dem Widerspruch Nr. B 2 689 944 wird für alle angefochtenen Waren stattgegeben.
2. Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 284 409 wird in ihrer Gesamtheit zurückgewiesen.
3. Die Anmelderin trägt die Kosten, die auf 620 EUR festgesetzt werden.
BEGRÜNDUNG:
Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 284 409 ein, und zwar gegen alle Waren der Klassen 18 und 25. Der Widerspruch beruht auf der Unionsmarkeneintragung Nr. 49 221. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.
VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.
- Die Waren
Der Widerspruch basiert unter anderem auf den folgenden Waren:
Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren aus diesen Materialien, soweit sie in Klasse 18 enthalten sind, insbesondere Kleinlederwaren; Reise- und Handkoffer; Taschen und Beutel; Regen- und Sonnenschirme.
Klasse 25: Herren-, Damen- und Kinderbekleidung; Strümpfe; Kopfbedeckungen; Unterwäsche; Nachtwäsche; Badebekleidung; Bademäntel; Gürtel; Ledergürtel; Schals; Accessoires, nämlich Köpftücher, Halstücher, Schultertücher, Einstecktücher; Krawatten; Handschuhe; Schuhe.
Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:
Klasse 18: Kreditkartenmäppchen aus Leder; Ledertaschen und Portemonnaies; Kreditkartenportemonnaies aus Leder; Lederbeutel; Lederetuis.
Klasse 25: Gürtel [Bekleidung]; Hosenträger; Textilgürtel [Bekleidungsstücke]; aus Leder hergestellte Gürtel; Gürtel.
Eine Auslegung des Wortlautes des Warenverzeichnisses ist erforderlich, um den genauen Umfang der Schutzbereiche dieser Waren zu bestimmen.
Aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widersprechenden ist ersichtlich, dass die genannten Waren und Dienstleistungen lediglich beispielhaft für die in der Kategorie erfassten genannt werden und sich der Schutz nicht auf sie beschränkt. Anders ausgedrückt, dieses Wort leitet eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen ein (siehe Urteil vom 09/04/2003, T-224/01, Nu-Tride, EU:T:2003:107).
Das Wort „nämlich“, welches im Warenverzeichnis der Widersprechenden benutzt wird, um die Beziehung der konkreten Waren und Dienstleistungen zur weiter gefassten Kategorie aufzuzeigen, wirkt hingegen ausschließend und beschränkt den Umfang der Eintragung auf die konkret angegebenen Waren und Dienstleistungen.
Angefochtene Waren in Klasse 18
Die angefochtenen Waren Ledertaschen sind in der weiter gefassten Kategorie der Waren Taschen der Widersprechenden enthalten. Deshalb sind sie identisch.
Die angefochtenen Waren Lederbeutel sind in der weiter gefassten Kategorie der Waren Beutel der Widersprechenden enthalten. Deshalb sind sie identisch.
Die angefochtenen Waren Kreditkartenmäppchen aus Leder; Portemonnaies; Kreditkartenportemonnaies aus Leder; Lederetuis sind den älteren Waren Taschen und Beutel der Widersprechenden ähnlich: sie stimmen in ihrer Art und Verwendungszweck überein und können in denselben Vertriebsstätten denselben Endabnehmern zum Verkauf angeboten werden. Zudem können sie von denselben Herstellern stammen.
Angefochtene Waren in Klasse 25
Gürtel [Bekleidung]; Textilgürtel [Bekleidungsstücke]; aus Leder hergestellte Gürtel; Gürtel sind identisch in beiden Warenverzeichnissen enthalten.
Die verbleibenden angefochtenen Waren Hosenträger sind in der weiter gefassten Kategorie der Waren Herren-, Damen- und Kinderbekleidung der Widersprechenden enthalten. Deshalb sind sie identisch.
- Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad
Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.
Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch befundenen Waren an das breite Publikum. Es wird ein durchschnittlicher Aufmerksamkeitsgrad zugrunde gelegt.
- Die Zeichen
BOSS
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Bosswik
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Ältere Marke |
Angefochtene Marke |
Das relevante Gebiet ist die Europäische Union.
„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C–251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).
Der einheitliche Charakter der Unionsmarke bedeutet, dass der Verweis auf eine ältere Unionsmarke in Widerspruchsverfahren gegen die Anmeldung zur Eintragung einer Unionsmarke statthaft ist, die den Schutz der ersten Marke beeinträchtigen würde, wenn auch nur aufgrund der Wahrnehmung von Verbrauchern in Teilen der Europäischen Union (18/09/2008, C-514/06 P, Armafoam, EU:C:2008:511, § 57). Für die Zurückweisung der angefochtenen Anmeldung ist es daher hinreichend, dass nur für einen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise der Europäischen Union Verwechslungsgefahr besteht. Aus Gründen der Verfahrensökonomie wird die Widerspruchsabteilung in der vorliegenden Sache beim Vergleich der Zeichen ihren Schwerpunkt auf den Teil des maßgeblichen Verkehrs richten, der den Bestandteil „Boss“ semantisch erfasst, wie beispielsweise der englisch- und deutschsprachige Teil der maßgeblichen Verkehrskreise.
Beide Marken sind Einwortmarken: die ältere Marke ist die Wortmarke „BOSS“ in Großbuchstaben, während die angefochtene Marke aus dem Wort „Bosswik“ besteht. Im Falle von Wortmarken ist das Wort an sich geschützt und nicht seine jeweilige Schreibweise. Mithin ist die Benutzung von Groß- oder Kleinbuchstaben unerheblich.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts nimmt zwar der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten. Er wird dennoch ein von ihm entgegentretendes Wortzeichen in die Wortbestandteile zerlegen, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind (Urteil vom 13/02/2007, T-256/04, Respicur, EU:T:2007:46, § 57).
Das Wort „BOSS“, aus dem die ältere Marke besteht und welches am Zeichenanfang der angefochtenen Marke wiedergegeben ist, bezeichnet im Englischen und Deutschen einen „Mann bzw. Frau an der Spitze eines Unternehmens“ (vgl. www.munzinger.de). In Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Waren hat der Begriff keine beschreibende Wirkung und ist daher normal kennzeichnungskräftig. Das zusätzliche am Zeichenende des jüngeren Zeichens stehende Element „wik“ hat indes keinen Bedeutungsgehalt in der englischen und deutschen Sprache.
Bildlich und klanglich stimmen die Zeichen in Bezug auf die Buchstabenfolge „BOSS“ überein, die normal kennzeichnungskräftig ist. Sie unterscheiden sich in Bezug auf die Endung „wik“ in der angefochtenen Marke, die keine Entsprechung in der älteren Marke findet.
Die Zeichen sind bildlich und klanglich daher stark ähnlich.
Begrifflich wird das in beiden Zeichen enthaltene Element „BOSS" – obwohl das angefochtene Zeichen als Ganzes gesehen keinerlei Bedeutung für das Publikum im relevanten Gebiet hat – mit der oben dargelegten Bedeutung in Verbindung gebracht. Der weitere Bestandteil „wik“ in der angefochtenen Marke hat indes keine Bedeutung.
Die Zeichen sind begrifflich daher stark ähnlich.
In Anbetracht der oben genannten schriftbildlichen, klanglichen und begrifflichen Übereinstimmungen wird gefolgert, dass die verglichenen Zeichen ähnlich sind.
- Kennzeichnungskraft der älteren Marke
Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.
Laut der Widersprechenden wird die ältere Marke intensiv genutzt und genießt einen erweiterten Schutzumfang. Aus Gründen der Verfahrensökonomie müssen jedoch die von der Widersprechenden zum Beweis dieses Vorbringens eingereichten Belege im Rahmen des vorliegenden Falls nicht beurteilt werden (siehe unten in „Umfassende Beurteilung“).
Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.
- Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen; diese Beurteilung hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die das Publikum zwischen den beiden Zeichen aufbauen könnte sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen den Zeichen und zwischen den Waren und Dienstleistungen (Urteil vom 11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 22).
Die in Rede stehenden Waren sind teilweise identisch und teilweise ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist durchschnittlich.
Die einander gegenüberstehenden Zeichen sind in visueller und klanglicher Hinsicht stark ähnlich, da sie in dem kennzeichnungskräftigen Bestandteil „BOSS“ übereinstimmen, aus dem die ältere Marke gebildet ist und die vollständig in der angefochtenen Marke enthalten ist. Zudem begründet die Übereinstimmung in dem Bestandteil „BOSS“ auch eine starke begriffliche Ähnlichkeit zwischen den Zeichen.
Die Abweichungen ergeben sich lediglich aufgrund des Bestandteils „wik“ am weniger beachteten Zeichenende der angefochtenen Marke.
Aus den angezeigten Gründen liegt daher nach Überzeugung der Widerspruchsabteilung eine Verwechslungsgefahr vor. Die Abweichungen fallen sowohl visuell, klanglich als auch und insbesondere begrifflich nicht hinreichend ins Gewicht, um eine Verwechslungsgefahr sicher auszuschließen.
Darüber hinaus ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr die in Frage stehenden Kennzeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines undeutlichen Erinnerungseindrucks gewinnt.
Hinzu kommt, dass der Begriff der Verwechslungsgefahr denjenigen der Assoziationsgefahr beinhaltet, in dem Sinne, dass die angesprochenen Verkehrskreise, wenngleich sie die Zeichen nicht unmittelbar miteinander verwechseln mögen, davon ausgehen, dass die unter den einander gegenüberstehenden Zeichen angebotenen Waren von demselben oder miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Verkehr das zusätzliche Wortelement „wik“ in der angefochtenen Marke als andere Produktlinie der gleichen Marke „BOSS“ wahrnehmen wird. In der Gesamtbeurteilung überwiegen daher die durch den Bestandteil „BOSS“ hervorgerufenen Ähnlichkeiten.
Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte besteht beim deutsch- und englischsprachigen Teil des Publikums Verwechslungsgefahr. Wie oben in Abschnitt c) dieser Entscheidung erwähnt, ist es für die Zurückweisung der angefochtenen Anmeldung hinreichend, dass nur für einen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise der Europäischen Union Verwechslungsgefahr besteht.
Daher ist der Widerspruch auf der Grundlage der Unionsmarkeneintragung Nr. 49 221der Widersprechenden begründet. Daraus folgt, dass die angefochtene Marke für alle angefochtenen Waren zurückgewiesen werden muss.
Da der Widerspruch auf Grundlage der älteren Marke von Haus zukommenden Kennzeichnungskraft erfolgreich ist, besteht keine Veranlassung, die von der Widersprechenden behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund intensiver Benutzung zu prüfen. Das Ergebnis wäre das gleiche, selbst wenn die ältere Marke eine erhöhte Kennzeichnungskraft besäße.
KOSTEN
Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.
Da die Anmelderin die unterliegende Partei ist, trägt sie die Widerspruchsgebühr sowie alle der Widersprechenden in diesem Verfahren entstandenen Kosten.
Gemäß Regel 94 Absätze 3, 6 und 7 Buchstabe d Ziffer i UMDV bestehen die der Widersprechenden zu erstattenden Kosten aus der Widerspruchsgebühr und aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.
Die Widerspruchsabteilung
Lars HELBERT
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Sigrid DICKMANNS |
Martin EBERL
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Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.
Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.