carimed | Decision 2664152

WIDERSPRUCH Nr. B 2 664 152

Deutscher Caritasverband e.V., Karlstraße 40, 79104 Freiburg, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Kaiser-Joseph-Str. 284, 79098 Freiburg i. Br., Deutschland (zugelassener Vertreter)

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car i.t.a. GmbH & Co. KG., Julius-Probst-Straße 4, 66459 Kirkel, Deutschland (Anmelderin), vertreten durch Patentanwaltskanzlei Vièl und Wieske PartGmbB, Feldmannstr. 110, 66119 Saarbrücken, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 12/06/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Der Widerspruch Nr. B 2 664 152 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.

2.        Die Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren (der Klassen 5, 10 und 21) der Unionsmarkenanmeldung Nr. 14 722 581 (Wortmarke:
„carimed”) ein. Der Widerspruch beruht u.a. auf der deutschen Markeneintragung
Nr. 302 011 063 263 (Wortmarke: „Caritas“). Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b) sowie Absatz 5 UMV.

Vorbemerkung

Die ebenfalls ursprünglich geltend gemachte ältere deutsche Marke Nr. 302 144 27 „CariNet stark im Verband“ wurde mit Schreiben der Widersprechenden vom 05/12/2016 zurückgenommen.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

Der Widerspruch beruht auf mehr als einer älteren Marke. Aus Gründen der Verfahrensökonomie prüft die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zuerst in Bezug auf die deutsche Markeneintragung Nr. 302 011 063 263 der Widersprechenden.

  1. Die Waren und Dienstleistungen

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 38, 39, 41, 42, 43, 44 und 45:

Klasse 9: Bespielte Ton-/Bild- und Datenträger, CDs, DVDs, Videos, CD-Roms, elektronische Publikationen (herunterladbar), Lehr-, Unterrichts- und Informationsmaterial in Form von bespielten Datenträgern.

Klasse 16: Druckereierzeugnisse, Buchbindeartikel, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Prospekte, Broschüren; gedrucktes Informationsmaterial; gedruckte Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate).

Klasse 35: Verbraucherberatung, Personal- und Stellenvermittlung, Vermittlung von Freiwilligen; Zusammenstellung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken; Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen Bekleidung, sonstige Textilwaren, Spielwaren, Medaillen, Münzen, Ehrenzeichen, Druckereierzeugnisse, Bücher, Broschüren, Postkarten, Plakate, Poster, Waren aus Papier und Pappe, Aufkleber, Büromaterial, bespielte Ton-/Bild- und Datenträger, Süßwaren, Werbemittel, Geschenkartikel, Kerzen, Taschen, Regenschirme, Rucksäcke, Uhren, Schmuck, Tassen, Schlüsselanhänger, Feuerzeuge, Taschenlampen, Lebensmittel und Getränke; Spendenwerbung; betriebswirtschaftliche Beratung sowie Kontrolle und Prüfung über die Verwendung von Spendenmitteln; Öffentlichkeitsarbeit in Spenden- und Stiftungsangelegenheiten; betriebswirtschaftliche Beratung bei der Gründung von Stiftungen; Beratung bezüglich der Organisation von karitativen und sozialen Hilfsprojekten.

Klasse 36: Finanzwesen, Geldgeschäfte; Ausgabe von Kreditkarten, Abwicklung von Geldgeschäften mit Kreditkarten; Schuldnerberatung; Sammeln, finanzielle Verwaltung und Verteilung von Spenden; Durchführung von Stiftungsaufrufen, Verwaltung von Stiftungsgeldern.

Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen und Daten auf einer Homepage; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken in Computernetzwerken und auf Informationen im Internet.

Klasse 39: Personenbeförderung, Krankentransporte, Rettungsdienste (Transport); Veranstaltung von Reisen und Ausflugsfahrten, insbesondere von betreuten Reisen und Ausflugsfahrten; Transport von Gütern.

Klasse 41: Erziehung, Unterstützung in Form von Beratung in Bezug auf Erziehung; Ausbildung, Weiterbildung und Unterricht; Veranstaltung und Durchführung von Informationsveranstaltungen, Schulungen, Seminaren, Workshops, Konferenzen, Kongressen Kolloquien und Symposien; Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zu sozialen Themen; Herausgabe und Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke; Veröffentlichung und Bereitstellung von elektronischen Publikationen (nicht herunterladbar); redaktionelle Betreuung von Internetauftritten; Veranstaltung von Lotterien.

Klasse 42: Zertifizierung von Einrichtungen.

Klasse 43: Dienstleistungen von Krippen, Kindergärten, Kindergruppen, Jugend-, Alten-, Senioren-, Behinderten- und Obdachloseneinrichtungen; Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen.

Klasse 44: Medizinische Dienstleistungen; therapeutische Betreuung und ärztliche Versorgung; Dienstleistungen eines Sanitäters; Betrieb von Krankenhäusern, therapeutischen Einrichtungen, Kliniken, Pflegeheimen, Sanatorien, Werkstätten für Behinderte; Betrieb von Kranken- und Seniorenpflegediensten; Gesundheitspflege, Gesundheitsberatung; Vermietung von medizinischen Geräten, Hilfsmitteln, Sanitätsgeräten und Gesundheitsprodukten.

Klasse 45: von Dritten erbrachte persönliche oder soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse; persönliche und soziale Beratung (auch online) betreffend individuelle Bedürfnisse; persönlich und soziale Dienstleistungen bei der Durchführung von karitativen und sozialen Hilfsprojekten; Rechtsberatung; Rechtsberatung bei der Gründung von Stiftungen.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren der Klassen 5, 10 und 21:

Klasse 5: Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke, nämlich textile, antimikrobiell ausgestattete Laminate mit Membraneigenschaften zum Einsatz im medizinischen und hygienischen Bereich; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Kompressen; Mullkompressen; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; Putztücher mit antimikrobieller Wirkung für hygienische Zwecke; Putztücher, nämlich textile, antimikrobiell ausgestattete Laminate mit Membraneigenschaften zum Einsatz im hygienischen Bereich.

Klasse 10: Krampfaderstrümpfe; OP-Kleidung; Orthopädische Artikel; orthopädische Schuhe; Laken [Tücher] für medizinische Zwecke; Operationstücher, nämlich textile, antimikrobiell ausgestattete Laminate mit Membraneigenschaften; medizinische Bekleidung; Textilwaren mit antimikrobieller Wirkung für medizinische Zwecke.

Klasse 21: Putztücher.

Eine Auslegung des Wortlautes des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses ist erforderlich, um den genauen Umfang der Schutzbereiche dieser Waren und Dienstleistungen zu bestimmen.

Aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widersprechenden ist ersichtlich, dass die genannten Waren und Dienstleistungen lediglich beispielhaft für die in der Kategorie erfassten genannt werden und sich der Schutz nicht auf sie beschränkt. Anders ausgedrückt, dieses Wort leitet eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen ein (siehe Urteil vom 09/04/2003, T 224/01, Nu Tride, EU:T:2003:107).

Das Wort „nämlich“, welches im Warenverzeichnis der Anmelderin benutzt wird, um die Beziehung der konkreten Waren zur weiter gefassten Kategorie aufzuzeigen, wirkt hingegen ausschließend und beschränkt den Umfang der Eintragung auf die konkret angegebenen Waren.

Zu den relevanten Faktoren im Zusammenhang mit dem Vergleich der Waren oder Dienstleistungen zählen unter anderem die Art und der Zweck der Waren oder Dienstleistungen, die Vertriebswege, die Verkaufsstätten, die Hersteller, die Nutzung und ob sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen.

Angefochtene Waren in den Klassen 5 und 10

Klasse 5 enthält im Wesentlichen pharmazeutische Erzeugnisse und andere Präparate für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke. In den geltenden Prüfungsrichtlinien des Amtes vom 01. Februar 2017 ist die von der Widersprechenden genannte ältere Rechtsprechung sowie andere Urteile und Entscheidungen einbezogen und ausgewertet worden. Auf diesen Grundlagen enthalten sie als Ergebnis in Teil C, Widerspruch Seite 51, unter Punkt 1.5 „Gegenüberstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen und Dienstleistungen“, dass  Waren der Klasse 5 generell allen Dienstleistungen der Klasse 42 unähnlich sind. Ergänzend wird darin Folgendes ausgeführt: „Unähnlichkeit sollte auch beim Vergleich von pharmazeutischen Erzeugnissen und medizinischen (sowie veterinärmedizinischen) Dienstleistungen in Klasse 44 festgestellt werden. Auch wenn sich aufgrund des gemeinsamen Ziels (Behandlung von Krankheiten) eine gewisse Verbindung nicht leugnen lässt, sprechen doch Unterschiede in der Art und vor allem der üblichen Herkunft eindeutig gegen jede Form von Ähnlichkeit. Die maßgeblichen Verkehrskreise erwarten kaum von einem Arzt, dass er ein Arzneimittel entwickelt und vermarktet.“ Entsprechendes gilt vorliegend für die zu beurteilenden Waren, selbst wenn sie für medizinische Zwecke bestimmt sind. Das Amt leitet daher aus den o. g. Gründen nicht automatisch ein Ähnlichkeitsverhältnis ab oder her. Dies gilt umso mehr für die übrigen angefochtenen Waren, die keinerlei medizinische Zwecke haben oder aufweisen, wie z.B. Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide. Das Amt setzt diese Linie einer strengen Abgrenzung zwischen Waren der Klasse 5 einerseits und Dienstleistungen der Klasse 44 anderseits auch in der veröffentlichten Datenbank zum Vergleich dieser Waren und Dienstleistungen um, in der lediglich einige spezielle Waren und Dienstleistungen als geringfügig ähnlich angesehen wurden. Die zu beurteilenden Waren fallen jedoch nicht in oder unter die dort aufgeführten Rubriken, so dass die Waren der angefochtenen Marke zu allen Waren und Dienstleistungen der älteren Marke im Gegensatz zu der Auffassung der Widersprechenden unähnlich sind.

Klarer fällt die Beurteilung der Unähnlichkeit der Waren der Klasse 10 der angefochtenen Marke aus. Diese enthält nämlich im Wesentlichen medizinische Apparate, Instrumente und Artikel. Die angesprochenen versierten Fachkreise dieser Waren wissen, dass Nutzer und Anwender dieser Produkte diese nicht produzieren oder selbst herstellen. Damit stimmen auch die angesprochenen Verkehrskreise nicht überein. Die Waren und Dienstleistungen werden auch über unterschiedliche Angebots- und Vertriebskanäle in den Verkehr gebracht. Sie unterscheiden sich zudem in ihrer Art bzw. Natur wesentlich voneinander. Die Verbraucher werden daher nicht davon ausgehen, dass diese von denselben bzw. wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Zu den übrigen Waren und Dienstleistungen der älteren Marke ist der Unterschied noch größer, weil insoweit überhaupt keine gemeinsamen Berührungspunkte vorliegen. Die Waren sind daher unähnlich.

Angefochtene Waren in Klasse 21

Bei Putztücher handelt es sich um Putzlappen (vgl. www.duden.de). Diese weisen zu keiner der Waren und Dienstleistungen ein markenrechtlich zu berücksichtigendes Ähnlichkeitsverhältnis auf. Art, Zweck, Art und Weise des Gebrauchs, Vertriebskanäle, Hersteller und Anbieter unterscheiden sich wesentlich voneinander. Es besteht auch weder ein Ergänzungs- noch ein Konkurrenzverhältnis zwischen ihnen. Soweit die Widersprechende vorträgt, es bestehe entsprechend den angefochtenen Waren der Klassen 5 und 10 ein Ähnlichkeitsverhältnis zu den Dienstleistungen der Klasse 44 der älteren Marke, ist festzustellen, dass dem Amt nicht bekannt, welcher Zusammenhang zwischen Putzlappen und den verschiedenen Dienstleistungen der älteren Marke im medizinischen Bereich bzw. den übrigen Waren und Dienstleistungen der älteren Marke bestehen soll. Die Waren sind daher unähnlich.

b)        Schlussfolgerung

Gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV ist die Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen Voraussetzung für die Annahme einer Verwechslungsgefahr. Da die Waren und Dienstleistungen eindeutig unähnlich sind, ist eine der notwendigen Voraussetzungen des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV nicht erfüllt, und der Widerspruch muss zurückgewiesen werden.

Dieses Ergebnis wäre immer noch gültig, selbst wenn sich die ältere Marke durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft auszeichnen bzw. eine notorisch bekannte Marke darstellen würde. Da die Unähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen nicht durch eine hohe Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann, ändern die von der Widersprechenden diesbezüglich eingereichten Beweismittel nichts an dem obigen Ergebnis. Entsprechendes gilt für den Vortrag der Widersprechenden in Bezug auf eine Serienmarke.

Die Widersprechende hat ihren Widerspruch auch auf die folgenden älteren Marken gestützt:

  • Deutsche Marke Nr. 302 011 064 046 (Bildmarke: „Wiedergabe der Marke :“) für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 38, 39, 41, 42, 43, 44 und 45 sowie
  • Deutsche Marke Nr. 302 011 063 264 (Wortmarke: „CariKauf“) für Dienstleistungen der Klasse 35.

Die ältere deutsche Marke Nr. 302 011 064 046 umfasst dasselbe Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie die bereits o. g. geprüfte Marke. Daher ergibt sich insoweit kein günstigeres Ergebnis für die Widersprechende. Die deutsche Marke Nr. 302 011 063 264 ist für folgende Dienstleistungen der Klasse 35 geschützt: Einzelhandelsdienstleistungen, auch Online, in den Bereichen Bekleidung, sonstige Textilwaren, Spielwaren, Medaillen, Münzen, Ehrenzeichen, Druckereierzeugnisse, Bücher, Broschüren, Postkarten, Plakate, Poster, Waren aus Papier und Pappe, Aufkleber, Büromaterial, bespielte Ton-/Bild- und Datenträger, Süßwaren, Werbemittel, Geschenkartikel, Kerzen, Taschen, Regenschirme, Rucksäcke, Uhren, Schmuck, Tassen, Schlüsselanhänger, Feuerzeuge, Taschenlampen, Lebensmittel und Getränke. Auch diese sind sämtlich unähnlich zu den Waren der angefochtenen Marke, weil sich Art, Zweck, Art und Weise des Gebrauchs, Vertriebskanäle, Hersteller und Anbieter voneinander unterscheiden. Es besteht auch weder ein Ergänzungs- noch ein Konkurrenzverhältnis zwischen ihnen. Auch insoweit kann daher keine Begründung für eine Verwechslungsgefahr hergeleitet werden.

BEKANNTHEIT – ARTIKEL 8 ABSATZ 5 UMV

Gemäß Artikel 8 Absatz 5 UMV ist auf Widerspruch der Inhaberin einer eingetragenen älteren Marke im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 UMV die angefochtene Marke auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit einer älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist, ungeachtet dessen, ob die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, mit denen identisch oder denen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die eine ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Falle einer älteren Unionsmarke um eine in der Union bekannte Marke und im Falle einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

Demnach sind die in Artikel 8 Absatz 5 UMV genannten Eintragungshindernisse nur unter folgenden Voraussetzungen zutreffend:

•        Die Zeichen müssen entweder identisch oder ähnlich sein.

•        Die Marke der Widersprechenden muss bekannt sein. Die Bekanntheit muss zudem vor der Anmeldung der angefochtenen Marke bestanden haben; sie muss in dem betreffenden Gebiet und im Zusammenhang mit den Waren und/oder Dienstleistungen bestehen, aufgrund derer der Widerspruch eingelegt wurde.

•        Gefahr einer Rechtsverletzung: Die Benutzung der angefochtenen Marke würde die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen.

Die vorgenannten Anforderungen sind kumulativ; ist daher eine der Anforderungen nicht erfüllt, so führt dies zur Zurückweisung des Widerspruchs nach Artikel 8 Absatz 5 UMV (16/12/2010, T 345/08, & T 357/08, Botolist / Botocyl, EU:T:2010:529, § 41). Allerdings ist zu beachten, dass die Einhaltung aller vorgenannten Voraussetzungen unter Umständen nicht ausreicht. So kann der Widerspruch auch dann zurückgewiesen werden, wenn die Anmelderin einen rechtfertigenden Grund für die Benutzung der angefochtenen Marke vorträgt.

Die Benutzung der angefochtenen Marke fällt unter die Bestimmungen von Artikel 8 Absatz 5 UMV, wenn zumindest einer der folgenden Sachverhalte zutrifft:

•        durch die Benutzung wird die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausgenutzt;

•        durch die Benutzung wird die Wertschätzung der älteren Marke beeinträchtigt;

•        durch die Benutzung wird die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtigt.

Zwar wird in Widerspruchsverfahren die Frage der Möglichkeit einer Beeinträchtigung und unlauteren Ausnutzung unter Umständen behandelt, doch reicht diese reine Möglichkeit für die Anwendbarkeit von Artikel 8 Absatz 5 UMV nicht aus. Die Inhaberin der älteren Marke ist nicht verpflichtet, eine tatsächliche und gegenwärtige Beeinträchtigung ihrer Marke nachzuweisen; sie muss „Gesichtspunkte anführen, aus denen dem ersten Anschein nach auf die nicht nur hypothetische Gefahr einer künftigen unlauteren Ausnutzung oder Beeinträchtigung geschlossen werden kann“ (06/07/2012, T 60/10, Royal Shakespeare, EU:T:2012:348, § 53).

Die Widersprechende muss daher nachweisen, dass die Beeinträchtigung oder unlautere Ausnutzung in dem Sinne wahrscheinlich ist, dass sie bei gewöhnlichem Lauf der Dinge vorhersehbar ist. Hierzu ist von der Widersprechenden der Nachweis zu erbringen oder zumindest eine schlüssige Argumentation vorzubringen, wobei sie zeigt, worin die Beeinträchtigung oder unlautere Ausnutzung bestehen würde und wie es dazu kommen würde, was zu der Prima-facie-Schlussfolgerung führen könnte, dass ein solches Ereignis bei gewöhnlichem Lauf der Dinge tatsächlich wahrscheinlich ist.

Im vorliegenden Fall brachte die Widersprechende, außer dass sie Bekanntheit geltend machte und argumentierte, dass die Zeichen ähnlich sind, keine Tatsachen, Beweismittel oder Bemerkungen vor, die die Schlussfolgerung stützen konnten, dass die Benutzung der angefochtenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

Artikel 8 Absatz 5 UMV ist nicht dazu bestimmt, die Eintragung aller Marken, die mit der bekannten Marke identisch sind oder Ähnlichkeit mit ihr haben, zu verhindern. Nach geltender Rechtsprechung ist, wenn festgestellt wurde, „dass die Voraussetzung der Bekanntheit […] erfüllt ist […] die zweite Voraussetzung […] zu prüfen, also ob die ältere Marke ohne rechtfertigenden Grund beeinträchtigt wird“ (14/09/1999, C 375/97, Chevy, EU:C:1999:408, § 30).

 

Da die Widersprechende nicht in der Lage war, gute Gründe anzugeben, aus denen gefolgert werden könnte, dass die Benutzung der angefochtenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde, wird der Widerspruch für nach Artikel 8 Absatz 5 UMV nicht begründet befunden.


KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle der Anmelderin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3 und 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, bestehen die Kosten, die der Anmelderin gezahlt werden müssen, aus den Vertretungskosten, die auf Grundlage der in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festgesetzt werden müssen.

Die Widerspruchsabteilung

Lars HELBERT

Peter QUAY

Julia SCHRADER

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

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