Mentamin | Decision 2720038

WIDERSPRUCH Nr. B 2 720 038

Recip Läkemedel AB, Box 906, 170 09 Solna, Schweden (Widersprechende), vertreten durch WürtenbergerKunze, Maximiliansplatz 12b, 80333 München, Deutschland, (zugelassener Vertreter)

g e g e n

Konrad Reiber, Zunftstr. 3, 86869 Oberostendorf, Deutschland, (Anmelder), vertreten durch Stefan Musiol, Heideweg 29f, 22952 Luetjensee, Deutschland  (zugelassener Vertreter).

Am 28.08.2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Dem Widerspruch Nr. B 2 720 038 wird für alle angefochtenen Waren stattgegeben, und zwar 

Klasse 5:        Mineralische Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsmittel auf Basis von Mineralstoffen; Nahrungsergänzungsmittel aus Alginaten; Nahrungsergänzungsmittel aus Spurenelementen; Nahrungsergänzungsmittel aus Vitaminen.

2.        Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 168 602 wird für alle angefochtenen Waren zurückgewiesen. Sie kann  für die übrigen nicht angefochtenen Waren weitergeführt werden.

3.        Die Anmelderin trägt die Kosten, die auf 620 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen einige Waren der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 168 602 ein, und zwar gegen alle Waren der Klasse 5. Der Widerspruch beruht auf der schwedischen Markeneintragung Nr. 360 595. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe  b UMV.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

  1. Die Waren

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren:

Klasse 5:        Pharmazeutische Präparate in Tablettenform für den menschlichen Gebrauch.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:

Klasse 5:        Mineralische Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsmittel auf Basis von Mineralstoffen; Nahrungsergänzungsmittel aus Alginaten; Nahrungsergänzungsmittel aus Spurenelementen; Nahrungsergänzungsmittel aus Vitaminen.

Zu den relevanten Faktoren im Zusammenhang mit dem Vergleich der Waren oder Dienstleistungen zählen unter anderem die Art und der Zweck der Waren oder Dienstleistungen, die Vertriebswege, die Verkaufsstätten, die Hersteller, die Nutzung und ob sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen.

Im Gegensatz zu dem Anmelder ist die Widerspruchsabteilung der Meinung, dass die angefochtenen Waren, die allesamt Nahrungsergänzungsmittel sind, insbesondere auch Produkte umfassen, die auf besondere Ernährungsanforderungen abgestimmt sind, um Krankheiten zu heilen oder ihnen vorzubeugen. Daraus ergibt sich nach Art und Verwendungszweck eine Ähnlichkeit mit den pharmazeutischen Präparaten der Widersprechenden (Erzeugnisse, die zur Behandlung von Krankheiten benutzt werden), insofern diese zur Heilung von Krankheiten oder zur Krankheitsvorbeugung dienen. Diese Waren werden von den gleichen Endverbrauchern benutzt, weisen dieselben Vertriebswege (z.B. Apotheken) auf und werden recht häufig kombiniert.

Aus den obigen Gründen sind die angefochtenen mineralischen Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsmittel auf Basis von Mineralstoffen; Nahrungsergänzungsmittel aus Alginaten; Nahrungsergänzungsmittel aus Spurenelementen; Nahrungsergänzungsmittel aus Vitaminen ähnlich mit den pharmazeutischen Präparate in Tablettenform für den menschlichen Gebrauch der Widersprechenden.

Dem Argument des Anmelders, seine Waren seien nur von seiner ausschließlichen Lizenznehmerin im eigenen Direktvertrieb angeboten, ist entgegenzuhalten, dass sich dies nicht aus dem Warenverzeichnis ergibt. Der Warenvergleich muss lediglich auf Basis der Warenliste erfolgen, die angemeldet bzw. eingetragen ist.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für ähnlich befundenen Waren an das breite Publikum sowie auch an Fachpublikum mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder besonderem beruflichem Fachwissen wie z.B. Apotheker, Ärzte oder Pharmazeuten.

Da es sich um pharmazeutische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel handelt, gilt der Aufmerksamkeitsgrad des betreffenden Publikums als durchschnittlich (z.B. bei einigen Nahrungsergänzungsmittel) bis hoch.

Insbesondere medizinisches Fachpersonal bringt bei der Verschreibung von pharmazeutischen Präparaten einen hohen Grad an Aufmerksamkeit auf. Auch ein nicht spezialisiertes Publikum zeigt, unabhängig davon, ob die Arzneimittel bzw. pharmazeutische nPräparate verschreibungspflichtig sind oder nicht, einen höheren Aufmerksamkeitsgrad, da sich diese Erzeugnisse auf seine Gesundheit auswirken.

        

  1. Die Zeichen

METAMINA

Mentamin

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist Schweden.

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Beide Marken sind in allen Schreibweisen geschützte Wortmarken, die jeweils aus acht Buchstaben bestehen.

Laut dem Anmelder wird der Begriff „META“ in der älteren Marke als Präfix griechischen Ursprungs, im Sinne von „inmitten“ verstanden und der Begriff „MENTA“ in dem angefochtenen Zeichen mit dem Bedeutungsgehalt „Geisterkraft, Verstand“ verbindet.  

Die Widerspruchsabteilung kann diesem Argument nicht folgen. Es ist in keiner Weise nachgewiesen worden, dass der relevante Verkehr die zwei Marken in die Bestandteile “META“ und „MINA“ bzw. „MENTA“ und „MIN“ aufspalten wird. Die Widerspruchsabteilung ist eher der Meinung, dass eine solche Aufspaltung sehr künstlich wäre und dass die beiden Marken als ein Wort wahrgenommen werden. Es ist zu betonen, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (22/06/1999, C-342/97, Lloyd Schuhfabrik, EU:C:1999:323, § 25; 11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf die Buchstaben „ME*/TAMIN*“ überein. Anderseits unterscheiden sich in dem Buchstaben „N“ an dritter Stelle in der angefochtenen Marke sowie in dem Buchstaben „A“ am Zeichenende der älteren Marke. Allerdings wirken sich diese Unterschiede unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Buchstabenkombinationen nur begrenzt aus. Hinzu kommt, dass die gegenüberstehenden Marken mit jeweils acht Buchstaben gleich lang sind.

Die abweichende Groß- bzw. Kleinschreibung ist für die schriftbildliche Ähnlichkeit der Vergleichszeichen ohne Bedeutung, da die bildliche Markenähnlichkeit hinsichtlich der Prüfung der Verwechslungsfähigkeit nicht auf die konkret eingetragene Form der älteren Marke beschränkt ist, sondern sich auf alle abgewandten Gestaltungsformen dieser Wortmarke erstreckt, in denen eine solche im Verkehr üblicherweise gebraucht wird.

Die Zeichen sind daher überdurchschnittlich ähnlich.

In klanglicher Hinsicht stimmt die Aussprache der Zeichen im Klang der Buchstaben „ME*/TAMIN“ in den beiden Zeichen überein, was dazu führt, dass die beiden Marken einen sehr ähnlichen Klangrhythmus und Klangbild aufweisen. Die Aussprache unterscheidet sich im Klang der letzten Buchstaben „A“ der älteren Marke bzw. „N“ des angefochtenen Zeichens. Diese Unterschiede führen zwar zu einer gewissen Abweichung, sie sind jedoch nicht ausreichend, um die festgestellten Übereinstimmungen im Klangbild, der Betonung und im Sprechtempo maßgeblich zu beeinflussen und um eine klangliche Zeichenähnlichkeit zu vermeiden.

Die Zeichen sind daher mindesten durchschnittlich ähnlich.

In begrifflicher Hinsicht hat keines der beiden Zeichen für das Publikum im relevanten Gebiet eine Bedeutung. Da ein begrifflicher Vergleich nicht möglich ist, beeinflusst der begriffliche Aspekt die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit nicht.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt“ (29/09/1998, C-39/97, Canon, EU:C:1998:442, § 17).

Verwechslungsgefahr besteht dann, wenn der Verbraucher direkt die einander gegenüberstehenden Marken verwechselt oder wenn der Verbraucher eine Verbindung zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen zieht und annimmt, dass die betreffenden Waren/Dienstleistungen vom gleichen Unternehmen oder von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.

Die einander gegenüberstehenden Waren sind ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist normal.

Die zu vergleichenden Zeichen stimmen in den Buchstaben „ME*/TAMIN“ überein. Da beide Zeichen aus acht Buchstaben bestehen, weisen sie eine gleiche Länge auf. Sie unterscheiden sich lediglich in dem Buchstabe „N“ im Wortinneren des angefochtenen Zeichens und in dem Buchstaben „A“, der sich am Ende der älteren Marke befindet. Die identische Buchstabenzahl und die fast identische Buchstabenfolge führen zu einer sehr ähnlichen visuellen und klanglichen Wahrnehmung der beiden Zeichen. Zudem weist keine der Vergleichsmarken einen eindeutigen Bedeutungsgehalt auf, der es dem Verbraucher erleichtern könnte, die Zeichen begrifflich auseinanderzuhalten.

Hinzu kommt, dass der Verbraucher im Allgemeinen die Marke als Ganzes wahrnimmt und keine Analyse der einzelnen Bestandteile vornehmen wird. Überdies sind die gegenüberstehenden Marken als Ganzes nicht so kurz, dass die festgestellten Unterschiede sofort ins Auge fallen.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte, ist die Widerspruchsabteilung der Meinung, dass die Abweichung am Zeichenende und in der Zeichenmitte sowohl visuell als auch klanglich nicht hinreichend ins Gewicht fallen, um eine Verwechslungsgefahr sicher auszuschließen. Folglich, besteht beim oben angegebenen Publikum Verwechslungsgefahr.

Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Aufmerksamkeitsgrad des betreffenden Publikums als durchschnittlich bis hoch zu beurteilen ist kann sich das Ergebnis nicht ändern.

Denn auch solch ein Publikum hat nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern auch diese Verbraucher müssen sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das ihnen  im Gedächtnisgeblieben ist,  (21/11/2013, T- 443/12, ancotel, EU:T:2013:605, § 54) und  (22/06/1999, C 342/97, Lloyd Schuhfabrik, EU:C:1999:323, § 26).

Der Anmelder behauptet in seinen Stellungnahmen, dass der Bestandteil „META“ der älteren Marke eine geringe Kennzeichnungskraft habe, da es bereits viele Marken gebe, die diesen Bestandteil enthalten. Zur Unterstützung dieses Arguments nimmt der Anmelder zwar Bezug auf 125 eingetragene Unionsmarken, legt jedoch keine Nachweise vor.

Die Widerspruchsabteilung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Existenz von mehreren Markeintragungen per se nicht überzeugend ist, da dies nicht notwendigerweise die Marktsituation wiedergibt. Mit anderen Worten, nur auf Grundlage von Registerdaten (auch wenn der Anmelder die vorgelegt hätte) kann nicht darauf geschlossen werden, dass alle diese Marken auch tatsächlich benutzt wurden. Daraus folgt, dass die Argumente des Anmelders nicht belegen, dass die Verbraucher einer umfassenden Benutzung von Marken, die über den fraglichen Bestandteil („META“) verfügen, ausgesetzt waren und dass sie sich an diese Marken gewöhnt haben. Unter diesen Umständen muss dieser Einwand des Anmelders zurückgewiesen werden.

Folglich ist der Widerspruch auf der Grundlage der schwedischen Markeneintragung Nr. 360 595 der Widersprechenden begründet. Daraus folgt, dass die angefochtene Marke für alle angefochtenen Waren zurückgewiesen werden muss.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Anmelderin die unterliegende Partei ist, trägt sie die Widerspruchsgebühr sowie alle der Widersprechenden in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3, 6 und 7 Buchstabe d Ziffer i UMDV bestehen die der Widersprechenden zu erstattenden Kosten aus der Widerspruchsgebühr und aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Konstantinos MITROU

Renata COTTRELL

Sigrid DICKMANNS

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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