VINGO | Decision 2716721

WIDERSPRUCH Nr. B 2 716 721

Hazet-Werk Hermann Zerver GmbH & Co. KG, Güldenwerther Bahnhofstrasse 25-29, 42857 Remscheid, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Bockermann Ksoll Griepenstroh Osterhoff, Bergstr. 159, 44791 Bochum, Deutschland (zugelassene Vertreter)

g e g e n

Foshan Ders Ecommers Co., Ltd, Nanhaiqu Guicheng Pingzhou Shangyecheng B Xingzhuzhai Di 1 Dong 106pu Zhiyi, Foshan (Guangdong)  528251, Volksrepublik China (Anmelderin), vertreten durch Trempel & Associates Rechtsanwälte – Steuerberatung, Burggraffenstrasse 3, 10787 Berlin, Deutschland (zugelassene Vertreter).

Am 27/06/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Dem Widerspruch Nr. B 2 716 721 wird teilweise stattgegeben, und zwar für die folgenden angefochtenen Waren:

Klasse 8:        Scharfe und stumpfe Hieb- und Stichwaffen; Werkzeuge für die Zubereitung von Lebensmitteln, Küchenmesser und Essbestecke; Handbetätigte Geräte und Werkzeuge zur Materialbearbeitung sowie für Bau-, Reparatur und Instandhaltungsarbeiten; Hebewerkzeuge.

Klasse 9:        Apparate, Instrumente und Kabel für Elektrizität; Geräte für physikalische Reaktionen mittels Elektrizität; Informationstechnologische und audiovisuelle Geräte; Mess-, Erkennungs- und Überwachungsinstrumente, -vorrichtungen sowie -regler; Optische Geräte und Ausrüstung, Verstärkungsgeräte und Korrektoren; Simulatoren.

2.        Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 204 481 wird für alle obigen Waren zurückgewiesen. Sie kann für die restlichen Waren weitergeführt werden.

3.        Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen einige der Waren der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 204 481 ein, und zwar gegen einige der Waren der Klassen 8, 9 und 11. Der Widerspruch beruht auf der internationalen Markenregistrierung Nr. 878 165 mit Schutzerstreckung auf die Europäische Union. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

  1. Die Waren

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren:

Klasse 6:        Leere Werkzeugkisten, leere Werkzeug- und Materialkästen aus Metall, Schubladenmagazine aus Metall mit Schubladen für Eisenkleinteile, Sicherungsfedern, O-Ringe als Sicherungsringe, Verbindungsstifte, Ölkannen, Ölfilterketten aus Metall; Spannkeile aus Metall, Vielzahn-Adapter als Metallteile, Halter für Handwerkzeuge (aus Metall).

Klasse 7:        Druckluftbetätigte Handwerkzeuge; Ventilplättchen für Kraftfahrzeug-Verbrennungsmotoren.

Klasse 8:        Handbetätigte Werkzeuge, insbesondere Schraubenschlüssel, Maul- und Ringschlüssel, Steckschlüssel, Gelenkschlüssel, Kreuzschlüssel, Radmutternschlüssel, Zündkerzenschlüssel, Knarrenschlüssel, Drehmomentschlüssel, Ölfilterschlüssel, Bandschlüssel, Kartuschenschlüssel, Schraubendreher, Schrauben- und Bolzenausdreher, Abdrückschrauben, Handschaber, Meißel, Körner, Handbohrer, Brecheisen, Zangen, Blechscheren, handbetätigte Blechverformungswerkzeuge, Feilen, Metallsägen, Hämmer, handbetätigte Nietwerkzeuge, Abisolierzangen, Entriegelungswerkzeuge für Kabel, Reifenheber, Mutternsprenger, handbetätigte Hebewerkzeuge, handbetätigte Abziehgeräte für Kfz-Teile, handbetätigte Ventilfeder-Spannapparate, handbetätigte Spannbänder für Kolbenringe, handbetätigte Werkzeuge für die Rohrbearbeitung, handbetätigte Federspanngeräte; Messer, handbetätigte Kupplungs-Zentrierwerkzeuge, handbetätigte Ventil-Einstellwerkzeuge; Schraubstöcke; Kupplungsdorne aus Metall, Messingdorne.

Klasse 9:        Mechanische, optische, elektrische und chemische Mess- und Prüfgeräte für die Kfz-Wartung und -Instandsetzung; Bandmaße; Messlehren; Messschieber und Mikrometerschrauben; elektrische Kabel, Kabeltrommeln für elektrische Kabel; netzbetriebene Akku-Ladegeräte.

Klasse 12:        Leere Werkzeug- und Materialwagen aus Metall.

Klasse 20:        Werkzeugschränke (nicht aus Metall), Werkzeugkisten (nicht aus Metall); leere Werkzeug- und Materialkästen (nicht aus Metall); Halter für Handwerkzeuge (nicht aus Metall); Werkbänke und -tische; Justierfüße für Werkbänke und -tische; Wagen für Werkzeug und Material [Möbel]; Schubladenmagazine für Eisenkleinteile (nicht aus Metall).

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:

Klasse 8:        Scharfe und stumpfe Hieb- und Stichwaffen; Werkzeuge für die Zubereitung von Lebensmitteln, Küchenmesser und Essbestecke; Handbetätigte Geräte und Werkzeuge zur Materialbearbeitung sowie für Bau-, Reparatur und Instandhaltungsarbeiten; Hebewerkzeuge.

Klasse 9:        Apparate, Instrumente und Kabel für Elektrizität; Geräte für physikalische Reaktionen mittels Elektrizität; Informationstechnologische und audiovisuelle Geräte; Magnete, Magnetisierungs- und Entmagnetisierungsvorrichtungen; Mess-, Erkennungs- und Überwachungsinstrumente, -vorrichtungen sowie -regler; Optische Geräte und Ausrüstung, Verstärkungsgeräte und Korrektoren; Aufgezeichnete Daten; Sicherungs-, Sicherheits-, Schutz- und Signalgeräte sowie -ausrüstung; Simulatoren.

Klasse 11:        Beleuchtung und Lichtreflektoren.

Eine Auslegung des Wortlautes des Warenverzeichnisses ist erforderlich, um den genauen Umfang der Schutzbereiche dieser Waren zu bestimmen.

Aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ im Warenverzeichnis der Widersprechenden ist ersichtlich, dass die genannten Waren lediglich beispielhaft für die in der Kategorie erfassten genannt werden und sich der Schutz nicht auf sie beschränkt. Anders ausgedrückt, dieses Wort leitet eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen ein (siehe Urteil vom 09/04/2003, T-224/01, Nu-Tride, EU:T:2003:107).

Einleitend ist festzustellen, dass nach Artikel 28 Absatz 7 UMDV Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich oder unähnlich angesehen werden, weil sie in derselben Klasse oder in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen.

Zu den relevanten Faktoren im Zusammenhang mit dem Vergleich der Waren oder Dienstleistungen zählen unter anderem die Art und der Zweck der Waren oder Dienstleistungen, die Vertriebswege, die Verkaufsstätten, die Hersteller, die Nutzung und ob sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen.

Angefochtene Waren in Klasse 8

Die angefochtenen scharfen und stumpfen Hieb- und Stichwaffen überschneiden sich mit den Messern der Widersprechenden oder sind jedenfalls derselben Natur, haben denselben Verwendungszweck, dieselben Hersteller, Vertriebskanäle und Endabnehmer. Zudem können sie zueinander im Wettbewerb stehen. Mithin sind die Waren als identisch oder jedenfalls hochgradig ähnlich anzusehen.

Die angefochtenen Waren Werkzeuge für die Zubereitung von Lebensmitteln, Küchenmesser und Essbestecke; handbetätigte Geräte und Werkzeuge zur Materialbearbeitung sowie für Bau-, Reparatur und Instandhaltungsarbeiten; Hebewerkzeuge sind in den Waren handbetätigte Werkzeuge der Widersprechenden enthalten oder überschneiden sich mit ihnen. Folglich sind die Waren identisch.

Angefochtene Waren in Klasse 9

Kabel für Elektrizität sind identisch in den Spezifikationen beider Marken enthalten. 

Die angefochtenen Apparate und Instrumente für Elektrizität enthalten als weiter gefasste Kategorien die netzbetriebenen Akku-Ladegeräte der Widersprechenden. Da die Widerspruchsabteilung die weit gefassten Kategorien der angefochtenen Waren nicht von Amts wegen aufgliedern kann, gelten sie als identisch zu den Waren der Widersprechenden.

Die angefochtenen Geräte für physikalische Reaktionen mittels Elektrizität; Mess-, Erkennungs- und Überwachungsinstrumente, -vorrichtungen sowie -regler; optischen Geräte und Ausrüstung, Verstärkungsgeräte und Korrektoren; Simulatoren und informationstechnologischen und audiovisuellen Geräte überschneiden sich mit den Waren mechanische, optische, elektrische und chemische Mess- und Prüfgeräte für die Kfz-Wartung und -Instandsetzung der Widersprechenden oder können jedenfalls denselben Verwendungszweck sowie dieselben Hersteller, Vertriebskanäle und Endabnehmer haben. Zudem können sie zueinander im Wettbewerb stehen. Mithin sind die Waren als identisch oder jedenfalls hochgradig ähnlich anzusehen.

Die angefochtenen Waren Sicherungs-, Sicherheits-, Schutz- und Signalgeräte sowie -ausrüstung sind anderer Natur und haben einen anderen Verwendungszweck als die Waren der Widersprechenden in den Klassen 6, 7, 8, 9, 12 und 20, bei welchen es sich um Behälter und Wagen aus Metall und nicht aus Metall, Kleineisenwaren, Werkzeuge und Halter dafür, Werkbänke und deren Teile, Motorenteile,  Mess- und Überwachungsgeräte und -instrumente, Kabel und Zubehör sowie Ladegeräte handelt. Diese Waren haben zudem unterschiedliche Hersteller, Vertriebskanäle und Endabnehmer, und sie stehen weder miteinander im Wettbewerb noch ergänzen sie sich gegenseitig. Mithin sind diese Waren für unähnlich zu befinden.

 

Selbiges gilt in Bezug auf die angefochtenen Waren Magnete, Magnetisierungs- und Entmagnetisierungsvorrichtungen und aufgezeichnete Daten. Auch diese Waren sind daher unähnlich zu allen Waren der Widersprechenden. 

Angefochtene Waren in Klasse 11

Auch die angefochtenen Waren Beleuchtung und Lichtreflektoren haben keinerlei Berührungspunkte mit den Waren der Widersprechenden in den Klassen 6, 7, 8, 9, 12 und 20 unter den oben genannten Kriterien. Sie sind unterschiedlicher Natur, haben unterschiedliche Verwendungszwecke, Hersteller, Vertriebskanäle und Endabnehmer, stehen nicht miteinander im Wettbewerb und ergänzen sich nicht. Die Waren sind unähnlich.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch oder hochgradig ähnlich befundenen Waren teilweise an das breite Publikum (z.B. handbetätigte Werkzeuge) und teilweise an ein spezialisiertes Publikum mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder besonderem Fachwissen (z.B. scharfe und stumpfe Hieb- und Stichwaffen, Mess- und Prüfgeräte für die Kfz-Wartung und –Instandsetzung).

Der Aufmerksamkeitsgrad wird in Abhängigkeit der besonderen Art der Waren, der Häufigkeit des Kaufs und ihres Preises von durchschnittlich bis erhöht variieren.

  1. Die Zeichen

Vigor

VINGO

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist die Europäische Union.

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Der einheitliche Charakter der Unionsmarke bedeutet, dass der Verweis auf eine ältere Unionsmarke in Widerspruchsverfahren gegen die Anmeldung zur Eintragung einer Unionsmarke statthaft ist, die den Schutz der ersten Marke beeinträchtigen würde, wenn auch nur in Bezug auf die Wahrnehmung von Verbrauchern in Teilen der Europäischen Union (18/09/2008, C514/06 P, Armafoam, EU:C:2008:511, § 57). Dies gilt analog für internationale Registrierungen mit Benennung der Europäischen Union. Für die Zurückweisung der angefochtenen Anmeldung ist es daher hinreichend, dass nur für einen Teil des relevanten Publikums der Europäischen Union Verwechslungsgefahr besteht.

Die Widerspruchsabteilung hält es für angemessen, den Vergleich der Zeichen auf den Teil des relevanten Publikums zu richten, für den die Marken keinerlei Bedeutung haben, z.B. den bulgarisch-, ungarisch- und griechischsprachigen Teil des Publikums.

Da beide Zeichen Wortmarken sind, ist die Benutzung von Groß- oder Kleinschreibung unerheblich. Im Falle von Wortmarken ist das Wort an sich geschützt und nicht seine jeweilige Darstellung.

Bildlich und klanglich stimmen die Zeichen in Bezug auf die Buchstaben „VI(*)GO(*)“überein. Die Zeichen unterscheiden sich im Buchstaben „N“ in der Mitte des angefochtenen Zeichens und im Buchstaben „R“ am Ende der älteren Marke, die keine jeweilige Entsprechung im anderen Zeichen haben. Da die Zeichen dieselbe Länge haben und in vier ihrer fünf Buchstaben übereinstimmen, fallen diese Unterschiede bildlich weniger ins Gewicht als klanglich, wo sie zu Abweichungen in den sich jeweils gegenüberstehenden Silben „VI“ und „VIN“ sowie „GO“ und „GOR“ führen. Dennoch ist festzustellen, dass die Zeichen dieselbe Silbenanzahl and Vokalfolge haben.  

Die Zeichen sind daher bildlich durchschnittlich und klanglich geringfügig ähnlich.

In begrifflicher Hinsicht hat keines der beiden Zeichen für einen wesentlichen Teil des Publikums im relevanten Gebiet eine Bedeutung. Da ein begrifflicher Vergleich nicht möglich ist, beeinflusst der begriffliche Aspekt die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit nicht.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive eines wesentlichen Teils des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen; diese Beurteilung hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die das Publikum zwischen den beiden Zeichen aufbauen könnte, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen den Zeichen und zwischen den Waren und Dienstleistungen (Urteil vom 11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 22).

Der Gerichtshof hat ferner den wesentlichen Grundsatz aufgestellt, dass die Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere zwischen dem zuvor festgestellten Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und den Waren oder Dienstleistungen, impliziert. Daher kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil vom 29/09/1998, C-39/97, Canon, EU:C:1998:442, § 17).

Es ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat“ (22/06/1999, C-342/97, Lloyd Schuhfabrik, EU:C:1999:323, § 26). Selbst Verbraucher mit einem hohen Maß an Aufmerksamkeit müssen sich auf ihr unvollkommenes Bild von Marken verlassen (21/11/2013, T443/12, ancotel, EU:T:2013:605, § 54).

Die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen, obgleich sie klanglich geringer ist als bildlich, könnte Verbraucher deshalb trotz eines teilweise erhöhten Aufmerksamkeitsgrads hinsichtlich der betrieblichen Herkunft der für identisch oder hochgradig ähnlich befundenen Waren täuschen. Die Unterschiede zwischen den Zeichen vermögen ihre Ähnlichkeit nicht zu überwinden, insbesondere, da die Marken insgesamt für einen wesentlichen Teil der Verbraucher keinerlei Bedeutung haben, die bei der Unterscheidung der Zeichen helfen könnte.

In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass der Grad der bildlichen Ähnlichkeit zwischen den in Rede stehen Marken von größerer Bedeutung ist als der Grad der klanglichen Ähnlichkeit, da es sich vorliegend um Waren handelt, die auf eine Weise vermarktet werden, dass die maßgebenden Verkehrskreise beim Erwerb die sie kennzeichnende Marke gewöhnlich optisch wahrnehmen (14/10/2003, T-292/01, Bass, EU:T:2003:264, § 55 und 28/06/2005, T-301/03, Canal Jean, EU:T:2005:254, § 55).

Die Anmelderin behauptet in ihren Stellungnahmen, dass es eine Reihe anderer durchaus übereinstimmender Unionsmarken in Bezug auf die angefochtene Marke gebe, und die ältere Marke sowie ihre Anfangsbuchstaben „Vi“ eine geringe Kennzeichnungskraft hätten. Die Anmelderin hat hinsichtlich dieser Behauptungen jedoch keine Nachweise eingereicht.

Die Widerspruchsabteilung weist der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die Existenz von mehreren Markeintragungen per se nicht überzeugend ist, da dies nicht notwendigerweise die Marktsituation wiedergibt. Mit anderen Worten, nur auf Grundlage von Registerdaten kann nicht darauf geschlossen werden, dass alle diese Marken auch tatsächlich benutzt wurden. Daraus folgt, dass die Verbraucher nicht notwendigerweise einer umfassenden Benutzung von mit der angefochtenen Marke übereinstimmenden Marken oder solchen, die über den Bestandteil „Vi“ verfügen, ausgesetzt waren, oder dass sie sich an diese Marken gewöhnt haben. Unter diesen Umständen muss dieser Einwand der Anmelderin zurückgewiesen werden.

Ferner führt die Anmelderin an, es bestehe keine Verwechslungsgefahr, da sie gegenwärtig ausschließlich LED-Produkte produziere und vertreibe, während die Widersprechende Werkzeuge, Werkzeugwagen und Werkzeugkoffer produziere oder vertreibe.

Hierzu ist festzustellen, dass die Widerspruchsabteilung das Vorliegen von Verwechslungsgefahr anhand der Marken und der beanspruchten bzw. eingetragenen Waren oder Dienstleistungen prüft.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte kommt die Widerspruchsabteilung zu dem Schluss, dass jedenfalls für einen wesentlichen Teil des Publikums (z.B. bulgarisch-, ungarisch- und griechischsprachige Verbraucher) Verwechslungsgefahr besteht, und aus diesem Grund der Widerspruch teilweise auf Grundlage der internationalen Markenregistrierung Nr. 878 165 mit Schutzerstreckung auf die Europäische Union begründet ist. Wie oben in Abschnitt c) dieser Entscheidung erwähnt, ist es für die Zurückweisung der angefochtenen Anmeldung hinreichend, dass nur für einen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise der Europäischen Union Verwechslungsgefahr besteht.

Aus dem Obigen folgt, dass die angefochtene Marke für die Waren zurückgewiesen werden muss, bezüglich derer festgestellt wurde, dass sie mit denen der älteren Marke identisch oder ihnen hochgradig ähnlich sind.

Die übrigen angefochtenen Waren sind unähnlich. Da die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 UMV ist, muss der Widerspruch, soweit er sich gegen diese Waren richtet, auf der Grundlage dieses Artikels zurückgewiesen werden.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten. Gemäß Artikel 85 Absatz 2 UMV beschließt die Widerspruchsabteilung eine andere Kostenteilung, soweit die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen oder soweit es die Billigkeit erfordert.

Da der Widerspruch nur für Teile der angefochtenen Waren Erfolg hat, sind beide Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterlegen. Daher trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Die Widerspruchsabteilung

André Gerd Günther BOSSE

Natascha GALPERIN

Plamen IVANOV

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

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