MEDITOL | Decision 2531252

WIDERSPRUCH Nr. B 2 531 252

Merck KGaA, Frankfurter Str. 250, 64293 Darmstadt, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Best Rechtsanwälte PartmbB, Hostatostr. 26, 65929 Frankfurt am Main, Deutschland (zugelassener Vertreter)

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roelliroelli confectionery schweiz GmbH, Burggraben 22, 9000 St. Gallen, Schweiz (Inhaberin), vertreten durch Eisenführ Speiser Patentanwälte Rechtsanwälte PartGmbB, Anna-Louisa-Karsch-Str. 2, 10178 Berlin, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 16/06/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Der Widerspruch Nr. B 2 531 252 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.

2.        Die Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen einige der Waren der die Europäische Union benennenden internationalen Registrierung Nr. 1 215 354 ein, und zwar gegen alle Waren der Klasse 5. Der Widerspruch beruht auf der Unionsmarkeneintragung Nr. 2 485 530. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

  1. Die Waren

Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren:

Klasse 5: Pharmazeutische Erzeugnisse; zur medizinischen Verwendung aufbereitete diätetische Substanzen; medizinische Kräuter und Pflanzen, Präparate auf der Basis medizinischer Kräuter und Pflanzen; Heilkräutertees und medizinische Tees, Pflanzen für Aufgussgetränke für medizinische Zwecke.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:

Class 5 : Lutschtabletten für den Hals, Bonbons und Süßigkeiten, Süßwaren, Kaugummis (für medizinische Zwecke); Babynahrung ; diätetische Nahrungsergänzungsmittel; Lutschtabletten für den Hals; Lutschtabletten gegen Husten; Kaugummis mit Minzaroma für medizinische Zwecke; alle vorgenannten Waren nicht speziell für die zahnärztliche Behandlung.

Zu den relevanten Faktoren im Zusammenhang mit dem Vergleich der Waren oder Dienstleistungen zählen unter anderem die Art und der Zweck der Waren oder Dienstleistungen, die Vertriebswege, die Verkaufsstätten, die Hersteller, die Nutzung und ob sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen.

Angefochtene Waren in Klasse 5

Die angefochtenen Lutschtabletten für den Hals, Bonbons und Süßigkeiten, Süßwaren, Kaugummis (für medizinische Zwecke); Lutschtabletten für den Hals; Lutschtabletten gegen Husten; Kaugummis mit Minzaroma für medizinische Zwecke; alle vorgenannten Waren nicht speziell für die zahnärztliche Behandlung sind in der weiter gefassten Kategorie der Pharmazeutische Erzeugnisse der Widersprechenden enthalten. Deshalb sind sie identisch.

Die angefochtenen diätetische Nahrungsergänzungsmittel nicht speziell für die zahnärztliche Behandlung sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung mit Vitaminen und Mineralstoffen zu ergänzen. Diese Waren überschneiden sich mit Waren zur medizinischen Verwendung aufbereitete diätetische Substanzen der Widersprechenden, da die angefochtenen Waren auch einen medizinischen Zweck haben können. Daher sind sie identisch.

Die verbleibende angefochtene Babynahrung, nicht speziell für die zahnärztliche Behandlung ist den Waren zur medizinischen Verwendung aufbereitete diätetische Substanzen der Widersprechenden ähnlich, da sie in ihrem Zweck übereinstimmen können (sie versorgen den Organismus des Babys mit notwendigen Nährstoffen und Vitaminen), über dieselben Vertriebsstätten wie beispielsweise Apotheken zum Verkauf angeboten werden und von denselben Herstellern stammen können. Daher sind diese Waren ähnlich.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch oder ähnlich befundenen Waren an das breite Publikum bzw. teilweise an ein Fachpublikum.

Es wird ein hoher Aufmerksamkeitsgrad zugrunde gelegt. Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass der Aufmerksamkeitsgrad des maßgeblichen Publikums in Bezug auf pharmazeutische Erzeugnisse relativ hoch ist, unabhängig davon, ob diese verschreibungspflichtig sind oder nicht (15/12/2010, T331/09, Tolposan, EU:T:2010:520, § 26; 15/03/2012, T288/08, Zydus, EU:T:2012:124, § 36 sowie zitierte Rechtsprechung).

Insbesondere medizinisches Fachpersonal bringt bei der Verschreibung von Arzneimitteln einen hohen Grad an Aufmerksamkeit auf. Auch ein nicht spezialisiertes Publikum zeigt, unabhängig davon, ob die Arzneimittel verschreibungspflichtig sind oder nicht, einen höheren Aufmerksamkeitsgrad, da sich diese Erzeugnisse auf seine Gesundheit auswirken.

  1. Die Zeichen

MEDIFLOR

MEDITOL

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist die Europäische Union.

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Es stehen sich zwei Einwortmarken gegenüber: die ältere Marke besteht aus der Buchstabenfolge „MEDIFLOR“, die angefochtene Marke ist die Wortmarke „MEDITOL“.

Nach dem Dafürhalten des Gerichts nimmt zwar der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten. Er wird dennoch ein von ihm wahrgenommenes Wortzeichen in die Wortbestandteile zerlegen, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind (13/02/2007, T-256/04, Respicur, EU:T:2007:46, § 57; 13/02/2008, T-146/06, Aturion, EU:T:2008:33, § 58).

Der in beiden Zeichen übereinstimmende Bestandteil „MEDI“ wird vom maßgeblichen Verkehr als Abkürzung des zum Grundwortschatz der englischen Sprache zuzurechnenden Wortes „medicine“ bzw. als Stamm oder wesentlicher Bestandteil einer Vielzahl von Wörtern, die mit dem medizinischen Bereich verbunden sind, wie beispielsweise „Medizin“, „Mediziner“ und „medizinisch“) wahrgenommen. Auch wenn das Wort „MEDI“ in keiner der Sprache als eigenes Wort existiert, ist doch der begriffliche Bezug zum medizinischen Bereich ohne weiteres erkennbar (vgl. Entscheidung der Beschwerdekammern vom 25. Januar 2012 – R 2421/2010-2 MEDIBOND / MEDIPORE).

Daraus ergibt sich, dass dieses Element für die in Rede stehenden Waren, die dem Bereich der Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel zuzuordnen sind, kennzeichnungsschwach ist. Der maßgebliche Verkehr wird sein Augenmerk daher stärker auf die verbleibenden kennzeichnungskräftigen Bestandteile „FLOR“ in der älteren Marke bzw. „TOL“ in dem angefochtenen Zeichen richten.

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf den Bestandteil „MEDI“ überein, der kennzeichnungsschwach ist. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf „FLOR“ in der älteren Marke bzw. „TOL“ im angefochtenen Zeichen, die in beiden Zeichen kennzeichnungskräftig sind.  

Die Zeichen sind bildlich daher nur gering ähnlich.

In klanglicher Hinsicht und unabhängig von den unterschiedlichen Ausspracheregeln in verschiedenen Teilen des maßgeblichen Gebiets, stimmt die Aussprache der Zeichen in den Silben „ME-DI“ in den beiden Zeichen überein, die jedoch kennzeichnungsschwach sind. Die Aussprache unterscheidet sich im Klang der Buchstaben „FLOR“ in der älteren Marke, denen die Buchstaben „TOL“ der angefochtenen Marke gegenüberstehen. Die klanglichen Unterschiede zwischen den Konsonanten „FL“ der älteren Marke und dem Buchstaben „T“ in der angefochtenen Marke treten deutlich hervor, da der Konsonant „T“ als stimmloser alveolarer Plosiv und der gleichfalls stimmlose aber als labiodentaler Frikativ ausgesprochene Buchstabe „F“ der älteren Marke klanglich sehr weit auseinander liegen. Dies gilt gleichermaßen für die jeweils letzten Buchstaben der Zeichen, da der Buchstabe „R“ der älteren Marke ein stimmhaft uvularer Frikativ ist, der sich klanglich stark von dem Buchstaben „L“ der angefochtenen Marke abhebt.

Aus dem oben Ausgeführten geht hervor, dass die Zeichen klanglich daher kaum ähnlich sind.

Begrifflich wird das in beiden Zeichen enthaltene Element „MEDI" – obwohl die Zeichen als Ganzes gesehen keinerlei Bedeutung für das Publikum im relevanten Gebiet haben – mit der oben dargelegten Bedeutung in Verbindung gebracht. Begrifflich sind die Zeichen daher nicht ähnlich, weil sie sich in einem kennzeichnungsschwachen Element überschneiden. Somit hat die Überschneidung keine Auswirkung.

Ferner wird der spanischsprachige Teil des Verkehrs den Bestandteil „FLOR“ in der älteren Marke mit dem Bedeutungsgehalt „Blume“ verstehen, während der Bestandteil „TOL“ keinen Bedeutungsgehalt aufweist. Für diesen Teil des Verkehrs sind die Zeichen begrifflich daher nicht ähnlich.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich trotz der Präsenz eines kennzeichnungsschwachen Elements in der Marke, wie oben unter Punkt c) der Entscheidung ausgeführt, als normal anzusehen.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

Der Vergleich der Zeichen hat anhand einer Gesamtbetrachtung der bildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit zu erfolgen. Hierbei ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese bei dem Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren hervorrufen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und die prägenden Bestandteile zu berücksichtigen sind.

Die einander gegenüberstehenden Waren sind teilweise identisch und teilweise ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist durchschnittlich.

Im Bereich der Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel der Klasse 5 ist davon auszugehen, dass der Verkehr, auch der angesprochene Durchschnittsverbraucher, den Marken grundsätzlich mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnet.

Die Markenähnlichkeit der Vergleichszeichen beschränkt sich auf den Bestandteil „MEDI“, der in beiden Zeichen für die in Rede stehenden Waren als Hinweis auf das medizinische Gebiet der verfahrensgegenständlichen Waren wahrgenommen wird. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein beschreibender oder kennzeichnungsschwacher Bestandteil einer zusammengesetzten Marke nicht den Gesamteindruck der Marke dominieren und daher auch für sich allein nicht die Verwechslungsgefahr begründen kann (siehe Urteile vom 7. Juli 2005, T-385/03, „Biker Miles“, Randnr. 44). Das Publikum nimmt die Zeichen in ihrer Gesamtheit wahr und wird daher ihr Augenmerk auf die kennzeichnungskräftigen Bestandteile „FLOR“ in der älteren Marke bzw. „TOL“ in der angefochtenen Marke richten, die deutlich unterschiedlich sind.

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden halten die die Zeichen unterscheidenden Bestandteile „FLOR“ und „TOL“ sowohl in schriftbildlicher als auch insbesondere in klanglicher Hinsicht einen ausreichenden Abstand ein und führen im Ergebnis daher zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck.

Aus den vorgenannten Gründen sind die Unterschiede zwischen den Zeichen ausreichend, um das Anmeldezeichen nicht mit der Widerspruchsmarke zu verwechseln oder gedanklich in Verbindung zu bringen.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte und vor dem Hintergrund eines erhöhten Aufmerksamkeitsgrades der maßgeblichen Verkehrskreise, besteht seitens der Öffentlichkeit keine Verwechslungsgefahr. Daher muss der Widerspruch zurückgewiesen werden.

Da der Widerspruch gemäß Artikel 8 Absatz 1 UMV nicht begründet ist, muss der von der Widersprechenden vorgelegte Benutzungsnachweis nicht untersucht werden.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle der Inhaberin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3 und 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, bestehen die der Inhaberin zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Lars HELBERT

Sigrid DICKMANNS

Martin EBERL

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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