ALDO | Decision 2705781

WIDERSPRUCH Nr. B 2 705 781

Aldi GmbH & Co. KG, Burgstr. 37, 45476 Mülheim/Ruhr, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Schmidt, von der Osten & Huber Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB, Haumannplatz 28, 45130 Essen, Deutschland (zugelassener Vertreter)

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Lonza Inc., 90 Boroline Road, Allendale New Jersey 07401, Vereinigte Staaten von Amerika (Anmelderin), vertreten durch Bardehle Pagenberg Partnerschaft mbB Patentanwälte, Rechtsanwälte, Prinzregentenplatz 7, 81675 München, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 16/06/2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende

ENTSCHEIDUNG:

1.        Dem Widerspruch Nr. B 2 705 781 wird für alle angefochtenen Waren stattgegeben.

2.        Die Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 099 732 wird in ihrer Gesamtheit zurückgewiesen.

3.        Die Anmelderin trägt die Kosten, die auf 620 EUR festgesetzt werden.

BEGRÜNDUNG:

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren der Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 099 732 ein, und zwar gegen alle Waren der Klasse 1. Der Widerspruch beruht auf der Unionsmarkeneintragung Nr. 10 609 287. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.

VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.

  1. Die Waren und Dienstleistungen

Der Widerspruch basiert unter anderem auf den folgenden Waren:

Klasse  1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, fotografische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; Düngemittel; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von Metallen; Chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke.

Klasse 2: Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Färbemittel; Beizen; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:

Klasse  1: Emulsionsmittel zur Förderung der gleichmäßigen Dispersion von Fetten und/oder Ölen in Wasser und/oder wässrigen Medien; Ko-Emulgatoren, Weichmacher und Emulsionsstabilisatoren für gewerbliche Zwecke; Ester; Ester für die Verwendung bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, diätetischen Ergänzungsstoffen, persönlichen Pflegeprodukten, pharmazeutischen Zusatzstoffen sowie Riechstoffen und Aromen; Entschäumer; Chemische Zusatzstoffe zur Verwendung bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, diätetischen Ergänzungsstoffen, persönlichen Pflegeprodukten, pharmazeutischen Zusatzstoffen sowie Riechstoffen und Aromen.

        

Angefochtene Waren in Klasse 1

Die angefochtenen Waren Emulsionsmittel zur Förderung der gleichmäßigen Dispersion von Fetten und/oder Ölen in Wasser und/oder wässrigen Medien; Ko-Emulgatoren, Weichmacher und Emulsionsstabilisatoren für gewerbliche Zwecke; Ester; Ester für die Verwendung bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, diätetischen Ergänzungsstoffen, persönlichen Pflegeprodukten, pharmazeutischen Zusatzstoffen sowie Riechstoffen und Aromen; Entschäumer sind in der weiter gefassten Kategorie der Waren Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, fotografische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke der Widersprechenden enthalten. Deshalb sind sie identisch.

Die angefochtenen Waren Chemische Zusatzstoffe zur Verwendung bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, diätetischen Ergänzungsstoffen überschneiden sich mit den Waren Chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln der Widersprechenden. Deshalb sind sie identisch.

Die verbleibenden angefochtenen Waren Chemische Zusatzstoffe zur Verwendung bei der Herstellung von persönlichen Pflegeprodukten, pharmazeutischen Zusatzstoffen sowie Riechstoffen und Aromen sind in der weiter gefassten Kategorie der Waren Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke der Widersprechenden enthalten. Deshalb sind sie identisch.

  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch befundenen Waren an Geschäftskunden mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder besonderem beruflichem Fachwissen. Der Aufmerksamkeitsgrad gilt als hoch.

  1. Die Zeichen

ALDI

ALDO

Ältere Marke

Angefochtene Marke

Das relevante Gebiet ist die Europäische Union.

„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

Der einheitliche Charakter der Unionsmarke bedeutet, dass der Verweis auf eine ältere Unionsmarke in Widerspruchsverfahren gegen die Anmeldung zur Eintragung einer Unionsmarke statthaft ist, die den Schutz der ersten Marke beeinträchtigen würde, wenn auch nur in Bezug auf die Wahrnehmung von Verbrauchern in Teilen der Europäischen Union (18/09/2008, C514/06 P, Armafoam, EU:C:2008:511, § 57). Für die Zurückweisung der angefochtenen Anmeldung ist es daher hinreichend, dass nur für einen Teil des relevanten Publikums der Europäischen Union Verwechslungsgefahr besteht. Aus verfahrensökonomischen Gründen hält es die Widerspruchsabteilung für angemessen, den Vergleich der Zeichen auf den Teil des relevanten Publikums zu richten, für den der Bestandteil „Aldo“ keinen Bedeutungsgehalt aufweist, wie beispielsweise den deutschsprachigen Verbraucher.

Es stehen sich zwei aus vier Buchstaben bestehende Einwortmarken gegenüber. Sowohl das ältere Zeichen „ALDI“ als auch die angefochtene Marke „ALDO“ haben für das relevante Publikum keine Bedeutung und sind somit kennzeichnungskräftig.

Bildlich und klanglich stimmen die Zeichen in Bezug auf die Buchstabenfolge „ALD*“ überein. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf ihre jeweils letzten Buchstaben „I“ der älteren Marke und „O“ der angefochtenen Marke. In klanglicher Hinsicht sind die Zeichen somit gleich lang und ergeben daher einen übereinstimmenden Klangrhythmus, welcher sich lediglich im letzten Buchstaben unterscheidet.

Wenn Verbraucher mit einer Marke konfrontiert werden, neigen sie im Allgemeinen dazu, sich auf den Anfang eines Zeichens zu konzentrieren. Der Grund dafür ist, dass das Publikum von links nach rechts lesen wird, wodurch der linke Teil des Zeichens (der Anfangsteil) derjenige ist, auf den sich die Aufmerksamkeit des Lesers zuerst richtet.

Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass die Zeichen visuell und klanglich daher durchschnittlich ähnlich sind.

In begrifflicher Hinsicht hat keines der beiden Zeichen für das Publikum im relevanten Gebiet eine Bedeutung. Da ein begrifflicher Vergleich nicht möglich ist, beeinflusst der begriffliche Aspekt die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit nicht.

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.

  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Laut der Widersprechenden wird die ältere Marke intensiv genutzt und genießt einen erweiterten Schutzumfang. Aus Gründen der Verfahrensökonomie müssen jedoch die von der Widersprechenden zum Beweis dieses Vorbringens eingereichten Belege im Rahmen des vorliegenden Falls nicht beurteilt werden (siehe unten in „Umfassende Beurteilung“).

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.

  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen; diese Beurteilung hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die das Publikum zwischen den beiden Zeichen aufbauen könnte sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen den Zeichen und zwischen den Waren und Dienstleistungen (Urteil vom 11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 22).

Der Gerichtshof hat ferner den wesentlichen Grundsatz aufgestellt, dass die Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere zwischen dem zuvor festgestellten Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und den Waren oder Dienstleistungen, impliziert. Daher kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (29/09/1998, C-39/97, Canon, EU:C:1998:442, § 17).

Die in Rede stehenden Waren sind identisch. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke wird als durchschnittlich angenommen. Entgegen der Ansicht der Anmelderin besteht zwischen den Zeichen aufgrund der Übereinstimmung in drei von insgesamt vier Buchstaben, die zudem am in der Regel stärker beachteten Zeichenanfang positioniert sind, eine durchschnittliche Zeichenähnlichkeit. Zudem weisen die Konfliktzeichen keinerlei Bedeutungsgehalt auf, der es dem Verbraucher ermöglichen würde, die Zeichen begrifflich auseinander zu halten.

Aus den angezeigten Gründen liegt daher nach Überzeugung der Widerspruchsabteilung auch für Fachverkehrskreise, die den identischen Waren einen höheren Aufmerksamkeitsgrad entgegenbringen, eine Verwechslungsgefahr vor. Dies wäre auch dann der Fall, wenn die streitgegenständlichen Waren lediglich ähnlich wären. Darüber hinaus ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr die in Frage stehenden Kennzeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines undeutlichen Erinnerungseindrucks gewinnt.

Die Abweichung aufgrund des in der Regel weniger beachteten Endbuchstabens in den Zeichen ist daher nicht geeignet, von den überwältigenden Übereinstimmungen der Zeichen wegzuführen.

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte besteht beim deutschsprachigen Publikum Verwechslungsgefahr. Wie oben in Abschnitt c) dieser Entscheidung erwähnt, ist es für die Zurückweisung der angefochtenen Anmeldung hinreichend, dass nur für einen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise der Europäischen Union Verwechslungsgefahr besteht.

Daher ist der Widerspruch auf der Grundlage der Unionsmarkeneintragung Nr. 10 609 287 der Widersprechenden begründet. Daraus folgt, dass die angefochtene Marke für alle angefochtenen Waren zurückgewiesen werden muss.

Da der Widerspruch auf Grundlage der der älteren Marke von Haus zukommenden Kennzeichnungskraft erfolgreich ist, besteht keine Veranlassung, die von der Widersprechenden behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund intensiver Benutzung zu prüfen. Das Ergebnis wäre das gleiche, selbst wenn die ältere Marke eine erhöhte Kennzeichnungskraft besäße.

KOSTEN

Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

Da die Anmelderin die unterliegende Partei ist, trägt sie die Widerspruchsgebühr sowie alle der Widersprechenden in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

Gemäß Regel 94 Absätze 3, 6 und 7 Buchstabe d Ziffer i UMDV bestehen die der Widersprechenden zu erstattenden Kosten aus der Widerspruchsgebühr und aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

Die Widerspruchsabteilung

Lars HELBERT

Sigrid DICKMANNS

Claudia MARTINI

Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.

Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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